Human Rights Now!, London, Wembley Stadion
Die Idee war noch so taufrisch, daß fürs „bühnenreife“ Einstudieren keine Zeit mehr geblieben war: Den Blick fest auf große, weiße Notizzettel, traten Tracy Chapman, Youssou N’Dour. Peter Gabriel, Sting und Bruce Springsteen Hand in Hand auf die Bühne. Nicht etwa, um mit einer Eröffnungsrede loszulegen, sondern um durch eine Accapella-Version von Tosh/Marleys ,.Get Up. Stand Up“ hindurchzustraucheln. Prompt wurden im Publikum die ersten Papiertaschentücher gezückt.
Nicht nur vom Liedthema her war das ein trefflicher Einstieg in die Werbetournee um den Erdball (inklusive Abidjan. New Delhi und Budapest) für die Schutzorganisation unserer Menschenrechte. Amnesty International. Es war vielmehr einer der wenigen wirklich ergreifenden Momente des Abends. Die Organisatoren wollten nicht eine Serie von „Benefiz-Happenings“ auf die Bühne bringen, die sich wie bei Live Aid oder dem Mandela-Gig ständig bei einem emotionsbeladenen Kernthema festbeißen. Diesmal gab es ein schlichtes Rockkonzert mit gelegentlichen visuellen Hinweisen auf die Arbeit von AI: Broschüren. Trickfilme, T-Shirts, Bühnendekoration (eine Weltkarte, auf der die Tourneeroute eingezeichnet war, dazu der Slogan „Universal Declaralion Of Human Riglus 1948—1988“). und das Programmheft mit eben dieser Deklaration, übersetzt in 58 Sprachen.
Nicht zuletzt dank Peter Gabriels unermüdlichen Lobes ist der Senegalese Youssou N’Dour auch in Europa nicht mehr bloß ein Insidertip unter Afro-Enthusiasten. Sein heutiges Set. mit dem das eigentliche Programm einen würdigen Start hatte, dürfte den Kreis seiner Bewunderer kaum geschmälert haben. Dies, obwohl er gegen einen miserablen Sound zu kämpfen hatte. Erst nach einer halben Stunde konnte man ahnen, wie hypnotisch diese Fusion von islamischen und rockigen Traditionen auch in einem Großstadion wirken kann.
Doch so groß hätte das Stadion gar nicht sein können, daß trotz der mittlerweile gut 70.000 Zuschauer nicht noch Tausende vor den Toren standen. Alle warteten auf den Initiator: Unterstützt von einer Geige und Youssou N’Dour führte Peter Gabriel sein Set mit dem atmosphärisch dichten, (an-)klagenden Song „Of These Hope“ ein. Die nachfolgende „Best Of.. .“-Sammlung beinhalte ein „den 40.000 sinnlos gelöteten Menschen in Nicaragua“ gewidmetes „Games Without Frontiers“, ein , t das Recht auf Arbeit einforderndes“ „Dont’t Give Up“ und natürlich „Siedgehammer“. Vor drei Monaten bei ihrem Mandela-Auftritt hatte Tracy Chapman noch ums Publikumsohr kämpfen müssen. Jetzt trat sie zu tosendem Applaus auf die Bühne und während sie in der gewohnten stillen Würde ihr Album-Repertoire durchschritt (ein neuer Song: „Freedom Now“, mit gospeligem Unterton), wagte keiner einen Griff in die Chips-Tüte. Dennoch auf Dauer etwas eintönig—ein paar Töne von Youssou hätten da zweifelsohne Wunder gewirkt.
Beim Auftritt der Sting’schen Jazz-Rock-Combo hätte aber selbst er sich schwer getan, der Musik etwas Wärme oder gar „Soul“ einzuhauchen. Stings Aufführung mochte technisch perfekt sein — mir jedenfalls fehlte das Gefühl.
Lang bevor Bruce auf die Bühne trat, machten die Sprechchöre klar, weswegen die Zuschauermehrheit hier war. Springsteen enttäuschte nicht: Mit präzisen Versionen von „Cover Me“, „Some Parts“, „Just Around The Corner From Lauderdale“ und ähnlichen Rockern riß er sogar Boss-Feinde vom Hocker.
Begeistert quittierten die Fans das Schluß-Set mit einem lautstarken Lichtermeer. Angeführt von Youssou sang sich der Prominenten-Chor diesmal durch „Chimes Of Freedom“ hindurch. Und dann nochmal „Get Up, Stand Up“. So kamen sogar die Hersteller von Papiertaschentüchern noch auf ihre Kosten.