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Hotlist 2023: Die spannendsten Newcomer*innen des Jahres


Von Domiziana und Nina Chuba über Armani White bis Tara Lily: Die folgenden 16 Newcomer*innen werden (oder sollten) das Popjahr 2023 geprägt haben.

Wer sind die besten neuen Bands und Künstler*innen? Wir schauen mit unserer Hotlist in die Zukunft. Los geht es mit der jungen deutschen Popgeneration: Acts wie Domiziana, Nina Chuba und Becks verbinden nahtlos internationalen Sound mit catchy Melodien und deutschen Gegenwarts-Texten. Alles dazu und zehn weitere Newcomer*innen, die das Popjahr 2023 prägen werden, seht ihr auf den folgenden Seiten.

Wie sieht die Zukunft des deutschen Pop aus? Vielleicht ja wie Domiziana Helga Gibbels. Sie trägt Lack oder Hüfthosen im Stil der Nullerjahre, einen grafischen Haarschnitt und lange Fingernägel, sieht ein bisschen nach schickem Retrotrash aus, ein bisschen nach Alien, ein bisschen wie ein Girl, das man an einem Durchschnittsabend beim Feiern in Berlin kennenlernt. Gibbels nennt sich schlicht Domiziana, ist in Freiburg geboren und im sizilianischen, sehr katholischen Catania aufgewachsen. Als sie zum ersten Mal einen Song von Lady Gaga hörte, der Judas gewidmet ist, war sie hin und weg, erzählte sie 2022 dem „Vice“-Magazin. Mit 17 zog Domiziana nach Berlin. Und während ihr Idol Lady Gaga jahrelang auf ihren Erfolg hinarbeitete, hat die 25-Jährige mit nur einem einzigen Hit, den Song „Ohne Benzin“, den Durchbruch geschafft. Auch sonst war alles, was es neben Hits so braucht zum Popstarsein, sofort vorhanden bei Domiziana: Auf den Fotos, die sie bei Instagram hochlädt, inszeniert sie sich als Gesamtkunstwerk. Nichts scheint sie dem Zufall zu überlassen.

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Mit ihrem catchy Hochgeschwindigkeitssound, der eher nach Charli XCX als nach den „Radio Fritz DeutschPoeten“ klingt, steht Domiziana an der Spitze einer neuen Generation von Pop-Acts aus Deutschland. Musikerinnen wie Becks und Dilla, wie Pantha und Nina Chuba, die mit „Wildberry Lillet“ einen unerhört eingängigen Sommerhit veröffentlicht hat, klingen zugleich lässig und makellos hittauglich, nach zig Einflüssen auf einmal und dabei so souverän weltläufig, wie man es von Pop aus Deutschland bis dato nicht gewohnt war.

Denn man könnte behaupten: Lange war das Etikett „Deutschpop“ nicht gerade ein Qualitätssiegel. Nach netter, seichter, gern ein wenig provinzieller Musik frei von Relevanz klang dieses Quasi-Genre oft. Tatsächlich hatte man in Deutschland jenseits des Indie- und Undergroundbereichs, grob vereinfachend gesprochen, in den vergangenen Jahren vor allem die Wahl zwischen vier Richtungen: Rap der mehr oder minder reinen Lehre, den etablierten Rocktypen fürs Gruppenbesäufnis beim Hurricane-Festival, empfindsamem Großraumhallenpop von Männern, die Max oder Mark oder Tim heißen, und viel gut Gemeintem von Absolvent*innen der einschlägigen Popakademien. Tauchte in dieser Landschaft eine Künstlerin wie Balbina auf, wollten Kritiker*innen sie immer sehr dringend zum next big thing hochschreiben, wohl wissend, dass man eher den Willen zum Andersmachen und Kunstwollen prämierte als die tatsächliche Durchschlagskraft.

Die neue Generation scheint nun bemerkenswert leichthändig das Beste aus allen Welten zusammenzuführen: die Eingängigkeit des Pop und die Coolness des Rap. Es ist ein vielseitiger, internationaler Sound. Dazu klangen deutschsprachige Poptexte selten so eigen und rhythmisch wie gerade – auch, weil sie eben nicht mehr nur auf die deutsche Sprache beschränkt sind. Rapper*innen wie Haftbefehl oder auch Haiyti bedienen sich in ihren Songs seit Jahren einer polyglotten Kunst-Lingo, in der verschiedene Sprachen, Sozio- und Dialekte zusammenfließen. Die kulturelle Verwirrung ist zu einer Kunstform geworden, die sich auch die bilingual aufgewachsene Deutsch-Italienerin Domiziana zunutze macht: „Fehle dir nur in dem Suff / Komme und kippe die Luft / È sempre lo sbaglio di tutte, yeah-yeah / Du suchst noch immer ein’n Grund / Ich find dich wieder im Dunkeln / High oder sind wir versunken?“, singt sie in „Ohne Benzin“. Eine Strophe über ein banales Popthema – der böse Junge, der sein Love Interest nur berauscht anruft – entfaltet bei Domiziana einen ganz eigenen Sog, der wirklich Pop ist.

Fast ist es eine Binse, dass die neue Lässigkeit der „Generation Z“ im Umgang mit Modestilen, Szenecodes und Genregrenzen auch ein Resultat der Allverfügbarkeit von Sounds und Bildern aus der ganzen Welt ist. Dazu kommt: Während Trends früher eine Weile brauchten, um im deutschen Pop anzukommen, geht nun alles ein gutes Stück schneller. Im Fahrwasser von Avril-Lavigne-Wiedergängerinnen wie Olivia Rodrigo erfuhr etwa auch der Pop-Punk der 24-jährigen Esther Graf einen kleinen Hype.

Doch nicht nur die Netzkultur, sondern auch die Architektur der sozialen Medien verändert die Art und Weise, wie Pop gedacht und konsumiert wird. In den Zehnerjahren war besonders die Beschaffenheit von Spotify prägend für die Musikproduktion, seit etwa drei Jahren ist TikTok das Medium der Stunde. Und das verlangt nach kurzen Songs mit catchy Sequenzen, die Nutzer der App sich herauspicken und als Hintergrundsound zu ihren Videos auswählen können. Wer sich geschmeidig einfügt in den Algorithmus, kann durch TikTok im wahrsten Wortsinn über Nacht sehr, sehr populär werden. So populär wie Domiziana: Auch ihr Song „Ohne Benzin“ krachte erst vollends durch die Decke, als eine beschleunigte Version des Songs auf TikTok kursierte und von Tausenden Usern benutzt wurde. Mehr als 56 Millionen Mal wurde „Ohne Benzin“ mittlerweile allein auf Spotify gestreamt. So schnell ist noch nicht mal Billie Eilish auf Soundcloud zum Star geworden.

Nun ist es natürlich nicht so, dass die junge Garde, die scheinbar aus dem Nichts gekommen ist, nur mit Glück, Talent und treuen TikTok-Fans geradewegs durchmarschiert zum Charts-Olymp. Domiziana etwa schrieb „Ohne Benzin“ zusammen mit dem Produzenten Replay Okay, auch Nina Chuba holt sich gern Profis ins Haus: Ihren zweiten Hit des Jahres, den Song „Ich hass dich“, hat Flo August produziert, der schon mit Kraftklub zusammengearbeitet hat. Echte Frische, die Grenzenlosigkeit einer neuen Generation und eine Industrie, die eben diese Energie zu nutzen weiß, sorgen dafür, dass erfolgreicher Pop in Deutschland gerade ziemlich gut klingt – oder ziemlich guter Pop gerade so erfolgreich ist. Und ganz nebenbei enorm weiblich. Denn natürlich haben auch Männer wie der Romantiker Schmyt und Betterov ihren Anteil an der neuen Popwelle. In diesem Text und auf den folgenden Seiten sind sie aber, was Frauen im Musikgeschäft lange waren (besonders im deutschen): sehr freundlich mitgemeint.

(Julia Lorenz)

Generationsgesichter

Egal ob R’n’B, Pop-Punk oder Hyperpop: Diese deutschsprachigen Acts starten gerade mit Hochgeschwindigkeit durch. Auf den folgenden Seiten stellen wir sie vor.

Danach geht es weiter mit diesen von uns hochgehandelten internationalen Newcomer*innen: