Heavyness muss sein!
Ein Telefonanruf kurz vor Redaktionsschluss bei Rivers Cuomo, der gerade in Arizona in einen Flug eincheckt.
Hallo Rivers. Es hieß, wir würden kein Interview mit dir bekommen, deswegen haben wir eine Story aus den USA für unser Heft eingekauft. Jetzt kurz vor knapp klappt’s doch noch mit uns. Hast du der Story, die du hoffentlich kennst, etwas hinzuzufügen?
Eine Sache kam mir etwas inakkurat vor, nicht besonders wichtig, aber: Der Autor hat mich porträtiert als jemanden, der sehr analytisch die Musik anderer Bands auseinander nimmt. Er hat meine Sachen durchgeschaut und diese Notizbücher gefunden-aber die sind zehn Jahre alt. Und so bin ich eigentlich nicht mehr drauf. Das ist der alte Rivers. So bin ich nicht mehr.
Wir haben im Heft ein Special mit großen Gitarrenmomenten – Weezer werden darin vertreten sein. Ich würde gern mit dir übers Gitarrespielen reden. Aber nachdem ich das „Lover In The Snow“-Video gesehen habe, muss ich fragen: Würdest du lieber über Fußball reden?
(lacht) Irgendwie ja.
Du spielst immer noch?
Ja. doch. Ab und zu auch bei Prominenten-Matches, wie dem in dem Video. Fußballspielen ist gut für meine Stimme. Bei einem Konzert kommt man sonst sehr leicht außer Atem. Da ist Fußball als Training perfekt.
Wann hast du mit der Gitarre angefangen?
Mein erstes Instrument war ja das Schlagzeug, da war ich 11, aber mir wurde klar, dass mich das nicht zufrieden stellt. Ich wollte… Tone spielen, ich wollte Melodien spielen, nicht nur Perkussion.
Was für Musik hast du mit 13 gespielt?
Ich würde sagen, 75 Prozent Kiss-Songs. Die anderen 25 Prozent waren andere Heavy-Metal-Songs.Quiet Riot, Scorpion, Judas Priest. Solche Sachen.
Ich habe gestern auf Myspace Songs deiner Metal-Band Avant Garde gehört, in der du mit 18, 19 gespielt hast. Ihr wart ziemlich gut, oder?
Wir waren zwei Gitarristen. Der andere war ein wirkliches Wunderkind. Ich hab immer versucht, so gut zu werden wie er, aber das hab ich nie geschafft. Und dann verlor ich das Interesse an Heavy Metal und fing an, mich für Alternative Music zu interessieren und lernte die Jungs von Weezer kennen.
Kannst du diesen Übergang beschreiben? Von Metal zu diesem Indie-Ding? Ihr habt ja mit der ersten Platte ein regelrechtes Role Model für lndie geschaffen, das Metal diametral gegenüberstand.
Das ist eine ziemlich einzigartige Transformation in der Geschichte der Rockmusik, die da Anfang der 90er vor sich ging. In einer sehr kurzen Zeitspanne veränderten Hunderttausende von Metalheads in Amerika ihre Werte und Identitäten von Metal zu… in manchen Fällen regelrecht Anti-Metal. Wir wuchsen auf mit einer Liebe zu dieser Musik, und sie war uns wirklich wichtig. Und dann wurden wir ein kleines Stück älter-Anfang 20, und wir mochten immer noch die Power, die im Metal steckte, aber die mussten wir auf andere Weise ausdrücken. Ohne Macho-Attitüde und dieses misogyne Element. Und ohne Texte über Dungeons und Dragons.
Die klassische Nirvana-Erleuchtung?
Für die meisten Amerikaner, schätze ich, begann diese Transformation mit „Smells LikeTeen Spirit“. Ich selbst war der Sache ein kleines bisschen voraus, weil ich seit 1990 in Los Angeles bei Tower Records arbeitete. Da liefen die ganze Zeit Nirvana, Sonic Youth und die Pixies. Und erst hab ich es gehasst, für mich war das Lärm. Aber langsam begann ich, die Melodien zu hören, die Hooks und die Musikalität, die da drin steckte.
Wie viel Metal steckt in Weezer?
Eine ganze Menge. Das merkt man zuerst vielleicht nicht so. Aber die crunchy verzerrte laute Gitarre, doppelt überlagert, dreifach überlagert, die ganzen Powerchords-das kommt alles von Heavy Metal.
Das „Blue Album . Es wurde ja sehr als Pop-Album wahrgenommen, aber ich fand
immer, dass es in erster Linie ein Gitarren-Album ist. Ich bin bis heute fasziniert von den unglaublichen Gitarrenwällen, die ihr da baut. Wie Chöre.
Weezers „Blue Album“ ist von Kritikern weithin falsch verstanden worden. Es hat sicher ein Pop-Element an sich. Aber da ist auch das Heavy-Rock-Element. Und dann waren da all diese Bands, von denen es hieß, dass sie von Weezer beeinflusst sind, und dann hörte man sich das an, und das waren irgendwelche Leichtgewicht-Geschichten! Als hätten die nicht kapiert, worum’s geht:
Gotta have that heavyness to it. Die gehört unbedingt dazu. Gleichzeitig war ich damit aufgewachsen, im Schulchor zu singen und in einem Barbershop-Quartett, habe viel klassische Musik gehört, mich immer für Komposition und Harmonielehre interessiert. Ich war immer fasziniert vom Sound von Stimmen und Melodien, die sich vermischen und verweben. Man muss die beiden Seiten zusammenbringen: die musikalische Komplexität und Schönheit und die Heavyness.
Diese Harmonien der zig ubereinander-liegenden Gitarren auf dem „Blue Album“ – ist das bewusst strukturiert oder sind das Zufallsprodukte?
Manchmal ging’s so: Lass einfach mal das Feedback pfeifen und schauen wir, wie’s klingt. Das war schon auch Zufall mit im Spiel. In anderen Fällen habe ich sorgfältig Harmonien am Klavier komponiert, und dann haben wir sie auf den Gitarren gespielt.
Siehst du dich vorrangig als Gitarrist?
Mittlerweile wechsle ich viel die Instrumente. Das Instrument, mit dem ich mich am wohlsten fühle, ist aber die Gitarre. Mit einer Gitarre muss ich absolut nicht nachdenken oder mir.Sorgen machen, dass irgendwas schiefgeht. Das passiert alles natürlich.
Hast du einen Gitarrenhelden?
Der, den ich am liebsten höre, ist wohl Stevie RayVaughan. Der fällt mir gerade ein. Soviel Gefühl, Leidenschaft und… sich lang aufbauende, entwickelnde Höhepunkte.
Welchen Song würdest du empfehlen? Ich glaube, wir haben seine Interpretation von „Little Wing“im Heft.
Ich weiß es ehrlich gesagt gar nicht. Ich hab eine Live-DVD von ihm, die ich mir oft anschaue, aber ich bin gar nicht so sicher, wie die Songs heißen.(lacht)