Haifisch mit gelben Zähnen: Frank Zappa wildert in fremden Gewässern
FRANKFURT. Frank Zappa hat seine Gitarre eingemottet und dem Rock’n’Roll-Business mit seinen pubertären Auswüchsen den Rücken gekehrt. „In meinem Alter muß man sich halt nach Seriöserem umsehen“, reagierte er lapidar auf Kommentare, er habe nun endgültig die Fronten gewechselt – vom ewigen enfant terrible zum etablierten E-Musiker.
Wer nun Zappa immer nur eindimensional als Provokateur vom Scheißhaus, als zynischen Chronisten des american way of life oder als schrill-virtuosen Gitarren-Einzelganger verstanden hat, wird seine Entwicklung eh nicht nachvollziehen können. Dabei hat der Maestro nie einen Hehl aus seiner Liebe zur „Modernen Klassik“, zu den sogenannten „Neutönern“ gemacht, immer wieder Motive von Strawinsky bis Varese adaptiert und ins eigene Werk integriert. Er arbeitete schon früh mit Partituren und Orchestern, behandelte seine Bands wie einen sinfonischen Klangkörper und komponierte zuletzt seine Kammermusik mangels interessierter Philharmoniker auf dem Synclavier.
Bis ihn die Einladung zu den ambitionierten, jährlich stattfindenden „Frankfurt Festen“ und ein Kompositionsauftrag für dieses Kulturspektakel mit dem Ensemble Modern zusammenbrachte – eine Formation, die mit dem Engagement des jungen.
„freien“ Orchesters und der Virtuosität seiner einzelnen Mitglieder Zappas „unspielbare Musik“ plötzlich doch realisierbar machte.
So erarbeitete man gemeinsam „The Yellow Shark“, eine Folge straff arrangierter, aber auch improvisierter Musik auf Basis alter Zappa-Motive und neu komponierter Stücke, die Anfang September in Frankfurts Alter Oper uraufgeführt und dort von Freaks und Schickis gleichermaßen frenetisch bejubelt wurden.
„The Yellow Shark“ dokumentiert konsequentestes Grenzgängertum. Die Grenzen sind fließend und werden ständig in Frage gestellt. Neben harmonischen, beinahe spät-romantischen Motiven stehen dissonante Bläserchorusse, percussives Feuerwerk, das freie Spiel der Jazzimprovisation, archaische Rockpower, atmosphärische Soundtrack-Assoziationen. Ob in eher abstrakten Streichquintetten oder einem atemberaubenden Klavierduett, ob in Geräuschcollagen oder parodislischer Programmusik – Zappa versteht es zusammen mit dem Dirigenten Peter Rundel brillant, den Klangkörper des Orchesters bis zur letzten Nuance voll auszureizen: von den brummelnden Bässen des Alphorns bis zu den Spitzen der Piccolotrompete, vom gebundenen Geigenmotiv zum Stakkato des Cymbalons.
Selbst der Spagat zum höchst amüsanten Musiktheater mit politischen Seitenhieben wird problemlos geschlagen, so etwa in „Food Gathering In Post-Industrial America“ (seinem endgültigen Abgesang auf die USA), in dem die Orchestermitgiieder mit Kartoffelchipstüten rascheln dürfen, und vor allem in „Welcome To The United States“, der Vertonung des amerikanischen Einreiseformulares mit seinen unverschämt intimen Fragen: Wahrend ein Darsteller Uncle Sam mimt, kommentiert Frank Zappa als Karnevalsprinz das bizarre Geschehen mit dem „Narhalla“-Marsch („Wolle mer se reinlasse… ?“).
Absoluter optischer Höhepunkt: die fast schon akrobatische Bodenkür von Louise Lecavalierund ihrem Tanzpartner vom kanadischen LaLaLa Human Steps als Interpetation des „G-Spot Tornado“. Wie in der Musik die Töne, Melodien und Rhythmen perfekt arrangiert durcheinanderwirbeln, so fliegen die Körper in einer artistischen Choreographie durch die Luft und über den Boden, vereinen sich, werden wieder auseinandergerissen, ein wild-erotisches Erlebnis, voller Lust, aber auch Aggression, Zärtlichkeit und Brutalität. Diese Radikalität im musikalischen wie optischen wie tänzerischen Ausdruck riß das Publikum zu stehenden Ovationen hin — selbst als sich Zappa bereits am zweiten Abend aufgrund seiner schweren Erkrankung entschuldigen ließ.