Haben sich Stars an die Spitze gedopt?
Albany – Sogleich steht man im Sumpf. So wie z.B. vor geraumer Zeit die gemeine Geiselnahme in der Berichterstattungabgeschafft wurde, um sie uneingeschränkt durchs „Geiseldrama“ zu ersetzen, ist inzwischen kaum mehr eine Zehn-Zeilen-Nachricht über Doping denkbar, ohne dass gleich vom „Dopingsumpf‘ die Rede ist.
Allerdings: Wer sich eingehender mit diesem Thema beschäftigt, beklagt sich möglicherweise nicht mehr über eine durch Schlagzeilen-Wettbewerb beschleunigte Sprachinflation. Was sich da an mindestens moralisch verwerflichen bis organisiert kriminellen Verflechtungen in so ziemlich allen olympischen (und nichtolympischen) Disziplinen und nicht zuletzt im volkstragenden Sport Fußball auftut (wo offenkundig einfach nicht so genau hingesehen wird), ist mit „Sumpf“ wohl gar nicht so unzutreffend beschrieben.
Und dann auch das noch: „Nach den Sportlern haben US-Doping-Fahnder jetzt die Popstars ins Visier genommen“, meldete die Nachrichtenagentur AP im Januar nach einem Bericht der Zeitung The Times Union of Albany. Demzufolge wurden durch ein Netzwerk von Ärzten, Apotheken und Pharmafirmen, die Sportler mit Steroide und Anabolika versorgten, auch Entertainer wie Mary J. Büge, 50 Cent, Timbaland und Wyclef Jean beliefert. Allerdings liegt bei ihnen kein Gesetzesverstoß vor. Laut Definition liegt hier nicht einmal Doping vor – denn, so wikipedia.de: „Unter Doping versteht man gemeinhin die Einnahme von unerlaubten Substanzen oder die Nutzung von unerlaubten Methoden zur Steigerung der sportlichen Leistung.“
Obwohl man sich gut vorstellen kann, dass Miss Blige auf Stimulanzien live länger soulen kann und der rappende halbe Dollar erst unter Einfluss von Anabolika vom Schrank zur veritablen Schrankwand mutiert, stellt sich in Rock und Pop die Frage: Verschaffen sich gedopte Interpreten tatsächlich eindeutige Wettbewerbsvorteile? Und wenn ja, wie können diese bemessen werden in der… „Kunst“ – jenseits von Chartsplatzierungen, bei denen allerdings andere Faktoren eine weitaus wichtigere Rollen spielen dürften?
Einmal mit dieser Fragerei angefangen, stapft der Fragensteller mitten hinein in den Folgefragen-Sumpf: Wo liegt der Unterschied zwischen Doping und Drogengebrauch? War Gitarrenhexer Hendrix gedopt? Ist das Frühwerk von Pink Floyd ein einziger biochemischer Betrug? Oder auch: Wo stünden die Karrieren von Pete und Amy ohne ihre „Drogeneskapaden“? Wie groß ist generell die Versuchung für Menschen, über die der Erfolg hereinbricht wie alpines Unwetter, ihr Gefühlsleben mit „unerlaubten Substanzen“ zu regulieren? Und wie groß für sensible Menschen, bei denen es gar nicht klappt? Nicht nur im Pop. Oder im Alltag: Wer kommt mit dem Leben on tour ohne „Doping“ klar? Schon 1981 sangen Trio bestimmt nicht ohne Leidensdruck: „Drogen nehmen zum wach Bleiben, Drogen nehmen zum wieder Einschlafen und immer nur Currywurst und Gruppendynamik“ („Ich war so gern bei dir“).
Doch wie gesagt: Wettbewerbsrelevanz wird der Hilfs- und Rauschmittelbeigabe im Pop bislang nicht zuerkannt. Der erste Dopingfall in den Bootcamps von „Popstars“ oder „DSDS“ würde das allerdings ändern. Und dann, wenn Jenny aus Fulda auch in der B-Probe überfuhrt wird, kann sich kein Staatsanwalt auf „kein Gesetzverstoß“ herausreden! Denn ganz bestimmt ist das ein Gesetzverstoß, wenn man beim Zwei-Stunden-Liegestütz-Machen mit Detlef Soost oder beim Vom-Bohlen-beleidigt-Werden später als die anderen einen Weinkrampf bekommt, weil man Epo oder sonstwas genommen hat! Da braucht Jenny bloß mal in ihren Vertrag mit dem Sender schauen.