Grossstadtindianer
Wer gut gekleidet ist, entscheidet Jan Joswig. Heute vor dem Stilgericht: Theophilus London
Der nietenstarrende Lederschwarze und sein Kumpel mit der Elefantenpeitsche: Guckt man sich frühe Bilder von Grandmaster Flash & The Furious Five an, ist man überrascht, wie viel HipHop in seinen Anfangstagen mit den Kostümalbernheiten der Village People verband. Show und Straße, zwischen diesen beiden Polen bewegt sich die Selbstinszenierung des HipHop seitdem. Die erste Newschool nach der Generation von Grandmaster Flash und Kurtis Blow setzte den Stil durch, der synonym wurde mit dem Überlebenskampf in den Ghettos. Die straßentaugliche Sportswear ohne Schnickschnack, aber goldbehangen, formulierte eine selbstbewusste Antwort auf die weiße, bürgerliche Uniform des Erfolges, den Anzug und das Kostüm. Kool Moe Dee überfuhr eine Kangolmütze, um Kangolträger LL Cool J eins auszuwischen, Schoolly D rappte über Fila-Sneaker, der Trainingsanzug wurde zur Glaubensfrage. Die Kombination aus Sportswear und Goldkette protzte heraus: Wir kommen aus dem Ghetto und wir sind stolz.
Diesen plakativen Materialismus konterten die „Native Tongues“ um De La Soul, Jungle Brothers und A Tribe Called Quest mit einem hippiesken Spiritualismus, der die Afroamerikaner an ihr afrikanisches Erbe rückkoppeln wollte. „Seele“, „Dschungel“, „Stamm“, die Namen der HipHop-Crews geben die Richtung vor. HipHop erprobte sich als schwarze Universität.
Über 20 Jahre später kann Theophilus London über solche Erdungsversuche nur lachen. Er folgt auf HipHopper wie André 3000 und Kanye West, die es nicht mehr als Verrat an der afroamerikanischen Geschichte verstehen, wenn sie sich mit der weißen Stilkultur zwischen Boheme und High Fashion kurzschließen.
Kein Ghetto, kein Afrika. Mit dem peruanischen Hemd, der Decke über dem Kopf und dem Tuch um den Knöchel verweist Theophilus London auf südamerikanische Indianer, er mimt an anderer Stelle aber genauso den Preppy im Anzug mit Basecap, zitiert Grandmaster Flash als nietenstarrenden Lederschwarzen oder Elvis Costello vom This Year’s Model-Cover. HipHop ist in seiner ironischen Überlegenheitsphase angekommen, in der die Welt als großer Zeichen-Spielplatz fungiert. Die Generation um Theophilus London sagt: Wir kommen aus Hipsterhausen und wir sind stolz.
Jan Joswig ist studierter Kunstgeschichtler, wuchs in einer chemischen Reinigung auf, fuhr mit Bowie-Hosen Skateboard und arbeitet als freier Journalist für Mode, Musik und Alltag. Was LL Cool J in den Achtzigern die Kangolmütze bedeutete, ist ihm der Anglerhut.