GIORGIO MORODER ÜBER DAFT PUNK


Herr Moroder, wie ist der Kontakt mit Daft Punk zustande gekommen?

Ich glaube, das ist über mein Management gelaufen. Mein Manager kennt den von Daft Punk. Die beiden hatten sich getroffen zu der Zeit, als Daft Punk den Soundtrack zu „Tron: Legacy“ aufgenommen haben. Später traf ich sie in ihrem Studio in Paris, ohne aber über eine konkrete Zusammenarbeit zu sprechen. Vergangenes Jahr sind wir uns noch mal in Paris begegnet. Da kam dann die Idee auf, dass ich i m St ud io mei ne Lebensgeschichte erzählen sollte. Ich hatte absolut keine Ahnung, ob Daft Punk Teile des Interviews herausnehmen und sampeln, oder Effekte darüber legen würden. Ich war positiv überrascht, als ich das Lied zum ersten Mal gehört habe. Der Titel ist sehr interessant: „Giorgio By Moroder“. Ich habe vor ein paar Tagen Thomas Bangalter gefragt, wie er auf die Idee gekommen ist. Er meinte: „Es klingt sehr schön, wie der Name eines Parfüms.“

Was wussten Sie vorher über Daft Punk?

Ich bin kein großer Musikhörer, der ganze Daft-Punk-Alben kennt. Aber ich habe damals „One More Time“ sehr interessant gefunden Es ist mein Lieblingslied von Daft Punk. Wie sie da Autotune – oder damals eher Melodyne – eingesetzt haben und wie dann dieser Breakdown ohne Rhythmus kam, das hat mich begeistert. Das wurde bis dahin in der Dance Music nicht gemacht.

Daft Punk haben ein großes Geheimnis um ihr Album gemacht. Wir mussten eine siebenseitige Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. Sie auch?

Nein. Ich bin wahrscheinlich einer der letzten Beteiligten, der das Album gehört hat. Ich war in Paris und habe im gleichen Studio aufgenommen wie Florian Lagatta. Er war der Toningenieur bei RANDOM ACCESS MEMORIES. Ich habe ihn gefragt, wie denn mein Lied so ist. Und er antwortete. „Das Lied ist wunderbar, aber ich darf dir nichts darüber erzählen.“ Da wurde meine Neugierde noch größer. Anfang April habe ich es dann endlich gehört. Thomas Bangalter meinte, es sei das größte Problem bei dem Album gewesen, das Geheimnis zu wahren. Irgendwann haben sie mich angerufen und gebeten, dass ich bitte nichts von den Aufnahmen erzählen soll. Ich antwortete: „Es war doch schon überall zu lesen.“

Fühlen Sie sich dafür verantwortlich, dass es Daft Punk gibt? Als sie 1976 „I Feel Love“ für Donna Summer produzierten, haben Sie die moderne Tanzmusik erfunden.

(lacht) Na ja, verantwortlich ist nicht das richtige Wort. Wenn ich „I Feel Love“ nicht gemacht hätte, dann hätte früher oder später irgendjemand anderes etwas Ähnliches gemacht.

Nicht so bescheiden. Es ist Wahnsinn, welche Wirkung „I Feel Love“ immer noch hat.

Mit dieser Bassfigur und damit, dass alles elektronisch aufgenommen w urde, war ich höchstwahrscheinlich der Erste. „I Feel Love“ war das Vorbild für viele Künstler. Es ist im Grunde ein sehr einfacher Song. Aber wenn man die Bassfigur liebt, kommt man einfach nicht mehr los von ihr. Es ist eher schwierig, Dance Music zu machen und diesen Bass nicht zu benutzen. Aber ich war ja nicht der einzige Pionier. Das Vermächtnis von Kraftwerk zum Beispiel ist phänomenal.

Sie bezeichnen Daft Punk als Perfektionisten, während Sie sich selbst nicht so sehen. „I Feel Love“ mit der tausendmal kopierten Bassline und der stoischen Kickdrum klingt schon sehr perfektionistisch.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel dafür, dass ich kein Perfektionist bin. Der Bass in „I Feel Love“ wurde ohne Delay aufgenommen. Beim Mixen habe ich den Toningenieur gebeten, Delay darüberzulegen. Wir haben eine halbe Stunde nach Gehör rumprobiert, bis ich gesagt habe: „Okay, das ist gut so.“ Wenn Sie den Song über Kopf hörer hören, werden Sie feststellen, dass das Delay auf dem rechten Kanal nicht perfekt ist. Ich habe gedacht, das merkt sowieso niemand. So etwas hätten Daft Punk nie durchgehen lassen.

Sie haben 1979 mit E=MC2 das erste digitale Album aufgenommen – eine produktionstechnische Revolution. Seit einiger Zeit geht die Entwicklung zurück zu analog.

Das habe ich nie so recht verstanden. Man muss schon sehr gute Ohren haben, um den Unterschied zwischen analog und digital herauszuhören. Ich liebe digital, weil es sauber klingt. Wenn man digital aufnimmt und den analogen Effekt haben will, gibt es mehrere Programme, die das genauso hinbekommen. Wenn man wie Daft Punk zurück zu analog geht, kostet das ein Heidengeld. Das kann sich heute eigentlich niemand mehr leisten. Daft Punk haben alles analog aufgenommen, aber dann trotzdem digital überspielt. Thomas Bangalter hat mir erzählt, dass sie für den Song „Touch“ 250 Spu ren benutzt haben. Wenn man heute Dance Music im Sound der Siebziger machen will, dann muss man nicht analog aufnehmen. „Get Lucky“ zum Beispiel ist ganz normale 70er-Jahre-Musik.

Daft Punk bewundern Ihre Vielseitigkeit, dass Sie von Schlager über Jazz bis Disco und Techno alles gemacht haben. Gibt es etwas in Ihrer musikalischen Biografie, das Sie löschen würden, wenn sie könnten?

Ja! (lacht) Da gibt’s viele Sachen. Zum Beispiel ein Song, den ich in Deutschland gemacht habe, als ich anfing: „Bla Bla Diddly“ – eine Katastrophe! Damals habe ich einige deutsche Produktionen gemacht, die ich absolut vergessen möchte. Apropos Vielseitigkeit. Ich war neulich auf einer Hochzeitsfeier in Südtirol eingeladen. Da wurde in der Kirche ein Lied gesungen. Und ich dachte: „Moment, das kenne ich doch. Was ist das?“ Hinterher habe ich den Pfarrer gefragt. Er sagte, das Lied heißt „Vater unser“. Da wusste ich, dass es meine Komposition ist. Es wird in Südtirol oft in der Kirche gesungen. Und da ich selten in die Kirche gehe, habe ich das erst jetzt erfahren.

Mit welchem Künstler würden Sie gerne zusammenarbeiten?

Ich hoffe, dass ich irgendwann mit Lady Gaga arbeiten kann. Ich habe Kontakt mit ihr aufgenommen durch Fernando Garibay, der BORN THIS WAY produziert hat. Abgesehen von dem ganzen Theater um sie finde ich Lady Gaga als Künstlerin sehr gut. Sie spielt sehr gut Klavier, sie komponiert – sie ist eine Musikerin, die ich sehr gerne produzieren würde.