Fun Lovin‘ Criminals: Drei kleine Kriminelle


Unseren täglichen Joint gib uns heute. Kein Wunder, daß die Fun Lovin' Criminals bei diesem Motto mächtig Lust auf alleriei Albernes verspüren.

SCHON WAS FEINES, SO EIN INTERVIEW: EINE TEURE SUITE im zehnten Stock eines Kölner Nobelhotels, acht Sorten Tee, duftendes Gebäck, diverse kalte Getränke Da läßt sich reden – sofern die Band anwesend ist. Doch die Fun Lovin‘ Criminals lassen sich Zeit. Mister Fast schlurft schließlich als erster rein, guckt sich kurz um und stellt gleich mal klar, was Sache ist. „Ich bin der Keyboarder, spiele Bass und noch viele andere Instrumente. Bloß groß reden ist nicht – ich bin nur hier, um das Zeug wegzurauchen.“ Spricht’s, fläzt sich aufs Sofa und zieht ein Plastiktütchen mit Gras aus der Hosentasche. Sekunden später fühlt ersieh von der Sonne geblendet, und dabei rutscht ihm doch noch ein Satz raus: „I gotta check it out.“ Im Eingangsbereich entdeckt er den entscheidenden Schalter. Als die Sonne vollautomatisch ausgesperrt ist, kommt Huey rein. Der Sänger und Gitarrist der Fun Lovin‘ Criminals ist einigermaßen gezeichnet von der nächtlichen Kneipentour. Nichtsdestotrotz ist er hellwach unterwegs und bedient sich ausgiebig aus dem Plastiktütchen. Als der Joint glimmt, sprudelt es – quasi ungefragt – nur so aus ihm heraus. Freundlich grinsend räumt er ein- für allemal mit dem Vorurteil auf, daß sich Amis nicht in Europa auskennen. „Köln hat einen großen Vorteil. Holland ist nur eine Autostunde weg, und es war kein Problem, was zum Rauchen zu besorgen. Heute morgen gab es leckeren Kaffee, und wir haben genug Gras – it could be a lot worse.“

BEIM TÜTENBAU FÄLLT HUEY SIEDEND HEISS ein, weshalb die Plattenfirma die Suite spendiert hat. „Hey, wir haben ja noch gar nicht über das neue Album gesprochen.“ Stimmt. Was nicht stimmt, ist, daß jetzt ein paar schlaue Sätze über „100 % Colombian“, die zweite Platte der Fun Lovin‘ Criminals, kommen. Huey setzt lieber zu einem alltagstauglichen Diskurs an. „Denk einfach mal drüber nach, was es heißt, in den 90ern ein Krimineller zu sein. Der Satz, der im Booklet unseres Debütalbums steht, stimmt immer noch: ‚Society prepares the crime, the criminal commits it.‘ Das gilt in allen Bereichen, und alles was du tust, hat mit persönlicher Freiheit zu tun – egal ob du für soziale Freiheit oder für Freiheit in der Musik kämpfst.“ Klingt einigermaßen kryptisch, hört sich aber schön an. Doch jetzt kommt Huey erst so richtig in Fahrt. „Du kämpfst immer auch gegen die Gesellschaft. Nicht unbedingt gegen die Leute in der Gesellschaft, sondern gegen die, die regieren. Obwohl ich das mit der ‚Oral Office‘-Affäre ganz okay finde. Guck dir den italienischen Präsidenten an – kommt der etwa an einen ordentlichen Blowjob ran? Nee, die haben da nur Korruptionsskandale. Solange Clinton nicht mit Minderjährigen rummacht, ist er auf der sicheren Seite Sein einziges Verbrechen ist sein schlechter Geschmack. Monica Lewinsky – bäh.“ Huey hat auch eine Erklärung dafür in petto, warum ausgerechnet Lewinsky vor Clinton in die Knie gehen durfte: „Mr. President kommt ursprünglich aus Arkansas – was willste da mehr erwarten? Aber vielleicht macht ja bald mal ein Playboy-Bunny ein Praktikum im Weißen Haus.“ Ja, vielleicht. Lind vielleicht reden wir jetzt doch noch über die neue Platte..

Tun wir – allerdings nicht direkt. Erst mal muSS Huey noch loswerden, was er für das größte Verbrechen der letzten zwölf Monate hält: „Unglaublich, daß sie uns die Möglichkeit gegeben haben, noch ein Album zu machen this is a crime!“ Mit viel Gefühl für gutes Timing kommt jetzt auch endlich Drummer Steve rein. Er grüßt kurz, schaut sich um, lümmelt sich in einen Sessel – und sagt dann nichts mehr. Aber wir haben ja Huey. Und endlich auch das Thema: die Musik der drei New Yorker. „Es war schon ’ne Menge anders bei, 100% Colombian‘. Wir waren fast fünf Wochen lang im Studio – die erste Platte haben wir noch in fünf Tagen eingespielt, weil wir dachten, daß sie uns irgendwann den Geldhahn zudrehen. Diesmal hat bei der Produktion keiner reingeredet, und wir haben die Platte aufgenommen wie ’ne richtige Gang von ganz normalen Jungs.“ Was man dem Album zweifellos anhört. Gleich, ob bei einigen Nummern HipHop-Beats mit Rock-Gitarren verheiratet werden oder die sechs Saiten sich mit Funk-Splittern treffen: Der Groove ist durchgehend locker, und auch wenn Huey sich schön sleazy durch einen Schieber wie „We Are All Very Worried About You“ singt, verliert er nie die Bodenhaftung – und drückt schon gar nicht auf die Tränendrüse. Im Gegenteil: Der Song ist wie ein vertrödelter Nachmittag in der Hollywood-Schaukel, einfach reichlich lässig. Und außerdem eine Grußadresse an Familie und Freunde. „Die machen sich echt Sorgen um mich. Nicht etwa, weil ich ein richtiger Popstar werden könnte. Sondern weil ich immer noch vorhabe, mein Geld mit Musik zu verdienen.“ Was aber ohne weiteres auch in Zukunft klappen könnte. Huey jedenfalls ist da guten Mutes. „Vor dem ,Come Find Yourself-Album haben wir kaum live gespielt. Durch das viele Touren und jede Menge Live-Gigs sind wir als Band richtig zusammengewachsen und können die Vibes jetzt besser rüberbringen.“

Und noch etwas wollen die Fun Lovin‘ Criminals rüberbringen: ihre Ehrlichkeit. Bei der musikalischen Einordnung ihres Sounds wird nicht lange gefackelt – „it’s a little bit of this and a little bit of that“ – ,und bei den Texten wollen sie möglichst authentisch unterwegs sein. Bei „Mini Bar Blues“ (ein Song übrigens, bei dem B. B. King einen ziemlich flotten Darm zupft) geht’s um das schlimme Heimweh, das die drei auf Tour oft haben, und in „Back On The Block“ dreht sich’s darum, wie schön es ist wieder zu Hause in New York zu sein. „Wir sind noch dieselben Jungs wie früher“, sagt Huey mit dem Blick eines Dackels, der was ausgefressen hat. „Wir sprechen ganz normal, wir interessieren uns für Frauen und mögen Sportwagen. Und um in der verrückten Welt des Rock’n’Roll gesund zu bleiben, rauchen wir so oft wie möglich Joints. Wußtest du übrigens, daß Steve ein Motorrad hat? Er ist der Drummer, und Drummer brauchen so was. So steht es im Handbuch des Rock.“ Hugh, Huey hat gesprochen. Fast hat mittlerweile zu Ende geraucht, und schon entfleucht ihm wieder ein Satz: „Sag mal, habt ihr jede Nacht diese Endloszugfahrten im Fernsehen? Das ist ja superspacig.“ Steve hingegen will jetzt raus – am besten in irgendein Fast-food-Restaurant. Schließlich ist man ja Amerikaner.