Für kurze Zeit befriedigt.
Sich bunt anmalen, Elektro-Prog spielen und über Sex singen: Wer möchte nicht Of Montreal sein?
Die Geschichte ist alt, aber gut: Das Band-Kollektiv Of Montreal aus Athens, Georgia, heißt so, weil Sänger Kevin Barnes einmal eine kurze, aber schmerzvolle Affäre mit einer Frau aus Montreal hatte. End of story. Heute ist Barnes verheiratet, tritt geschminkt, in unmöglichen Kostümen oder nackt auf. Und aus seiner kleinen Kinks-und Bowie-infizierten Indie-Band ist ein discowütiges Elektro-Prog-Biest geworden,das dem herkömmlichen Pop-Song allenfalls noch ein müdes Lächeln schenkt.
Als Hedonist ist Barnes schon gut, als Texter ist er nah dran am Genie. Einer der schönsten Songs, die je über Freundschaft geschrieben worden sind? „Tim, I Wish You Were Born A Girl“ (vom Of-Montreal-Debüt CHERRY PEEL, 1997). Die originellste und blutvollste Liebeserklärung, die man sich denken kann? „Gallery Piece“ vom neuen Album skeletal lamping, auf dem hauptsächlich das Thema Sex verhandelt wird, „Ich wargerade in der Laune, viele Songs über dieses eine Thema zu schreiben“, sagt Barnes. „Sex ist das Einzige in meinem Leben, das nie langweilig wird. Egal, wie oft man Sex hat-man fühlt sich immer nur für kurze Zeit befriedigt und braucht dann wieder Sex. Ich finde das faszinierend. Wenn Gott oder sonst wer mir die Sexualität wegnähme, würde ich Gärtner werden.“
In „Beware Our Nubile Miscreants“ besingt Barnes den schauderhaftesten Charakter, den er in seiner High-School-Zeit getroffen hat: „He fucked your sister in an elevator junior year and let your brother suc khim/But then beat him so he could prove he wasn’t queer.“ Für Barnes nur eine Explizitheit unter vielen: „Es gibt eigentlich nichts, über das ich nicht schreiben würde. Im Normalfall lasse ich die Dinge einfach geschehen, ohne mir Gedanken zu machen, ob ich vielleicht missverstanden werden könnte. Die meisten Pop-Songs sind mir zu vorhersehbar. Meine Songs sollen provokativ und unberechenbar sein. Was nicht heißt, dass ich nicht gern einmal einen großen Hit hätte“ Und wenn Barnes „ich“ sagt, ist auch das zum Glück nicht eindeutig definiert: Die Studio-Ausgabe von Of Montreal besteht mehr oder weniger aus einer Person -live wird eine Band da raus. Gut, gut, aber was bitte schön bedeutet eigentlich „Lamping“? „Ich dachte mir „lamping könnte bedeuten, seine dunkelsten Geheimnisse an die Oberfläche zu bringen und Licht darauf fallen zu lassen. Es ist gut, der Welt all seine Geheimnisse zu offenbaren.Wer nichts zu verbergen hat, ist weniger verwundbar.“ »>www.ofmontreal.net >»albumkritik seite 91