Frank Laufenberg, Deutschlands populärster Rundfunk-Diskjockey schreibt exklusiv im Musik Express
Es gibt ja viele Orte, die man gerne einmal besuchen möchte. Jedes Alter hat da so seine ganz bestimmten Vorstellungen und Ziele - die Älteren zieht es in ruhige und beschauliche Gegenden; die Jüngeren wollen mehr Rämmi-Dämmi'. Allerdings kann man auch das kaum verallgemeinern.
Uns im Pop-Shop interessierte die Frage, warum so viele Jugendliche zum Beispiel gern nach Amsterdam gehen. Die Antworten waren verblüffend – es lag in der Hauptsache daran, dass man die Holländer als sehr liberal und freundlich bezeichnete. Andere Gründe waren die guten Kneipen und Ausgehmöglichkeiten, die diese Stadt bietet. Gute Gründe sogar einen weiten Anfahrweg in Kauf zu nehmen – und sei es auch nur für ein Wochenende. Wir hatten damals, als wir die Sendung planten, nie daran gedacht, daraus eine Serie werden zu lassen. Lutz Wauligmann vom ME, der uns in Amsterdam sehr geholfen hatte, war es dann, der uns auf die Idee brachte, doch einmal weiter zu forschen, wohin die Jugendlichen gehen, wenn sie die Stadt Amsterdam satt haben. Und die Mehrheit der Antworten zielte auf eine kleine Mittelmeerinsel, die nicht vom Tourismus befallen ist wie Mallorca und trotzdem viele Möglichkeiten bietet: Ibiza!
MANN, WAR DAS AUFREGEND!
Gleich das erste Interview, das wir auf der Insel machen wollten, gestaltete sich sehr kompliziert. Wir fragten einen Zollbeamten, ob er uns wohl die Frage beantworten könne, warum so viele Jugendliche gerade nach Ibiza kommen. Der wurde ganz nervös. Ging erstmal zum Telefon und rief seinen Chef an. Der muss wohl wieder seinen Chef angerufen haben, und schliesslich nach einer Stunde sagte der Zollbeamte dann, er dürfte die Fragen gar nicht beantworten. Wir könnten uns, erklärte er jedoch freundlich, an die örtliche Caritas wenden. Die hattte aber leider nur in der Zeit von 17.00-18.00 Uhr Besuchszeit angeblich. Wir riefen die Hilfsorganisation mehrfach an. Es meldete sich nie jemand. Aber alle weiteren Interviews verliefen erfolgreicher. Warum nach Ibiza? – diese Frage wurde von vielen anderen beantwortet. Weil es schön warm ist – weil die Leute sich nicht um einen kümmern – weil der Bürgermeister der Stadt Ibiza zulässt, dass an bestimmten Plätzen selbstgefertigte Gegenstände verkauft werden können weil dufte Bräute da sind – weil es billig ist, vor allen Dingen der Schnaps. Probleme mit Jugendlichen, so erklärte uns der Bürgermeister, habe er nicht. Es scheint fast so, als wäre Ibiza wirklich ein Traumziel für Jugendliche, oder? Wenn man sich nicht für immer auf so eine Insel zurückziehen will, mag das stimmen.
BIS DE BRAUT KEIN GELD MEHR HAT….
Denn es waren merkwürdigerweise stets die gleichen Leute, die an den gleichen Plätzen zum gleichen Zeitpunkt ‚rumhockten‘ und gar nicht die so glücklichen und zufriedenen Gesichter machten, wie man sie in Werbeprospekten sieht. Sie langweilten sich. Sie besoffen sich und hatten am nächsten Morgen wohl den gleichen Katzenjammer wie ein Jugendlicher, der in Köln oder Castrop-Rauxel einen über den Durst getrunken hat. Und so trafen wir auch nur sehr wenige Typen, die sich schon seit einigen Jahren auf dieser Insel Ibiza befinden. Die meisten Jugendlichen betrachteten ihren momentanen Aufenthalt mehr als eine Übergangsstation. Sie wollten woanders hin – waren sich aber nicht sicher, ob sie lieber morgen oder übermorgen gehen wollten. Einen Typen haben wir während unseres Besuches auf der Insel jeden Tag wieder getroffen – und jedesmal sagte er, er würde nun morgen endgültig nach Frankreich zurückgehen. Er ist sicher heute noch da. Und ein Knabe hatte den Tick, sich von anderen durchfüttern zu lassen. Als wir ihn fragten, wie lange er denn noch bleiben würde, war die Antwort: bis die Braut, die hier neben mir sitzt (sie war Kanadierin und konnte ihn nicht verstehen) kein Geld mehr hat. Dabei steht ganz bestimmt fest, dass er nach dem Abflug der Kanadierin eine andere Tante findet, auf deren ‚Kosten er es sich gut gehen lassen kann. Andere kaufen auf dem spanischen Festland Krimskrams, den sie dann als selbstgebastelte Klamotten anboten. Klar, wenn man hier bei uns den Namen Ibiza hört, glaubt man, dass auch dort Touristen überall sind – das stimmt jedoch nicht. Die meisten treiben sich in der Stadt San Antonio rum, die an der Westküste dieser ziemlich kleinen Insel liegt. Dann gibt es noch einen Ort, wo hauptsächlich Familien mit Kindern zu finden sind: Santa Eulalia. In der Hauptstadt Ibiza selbst scheint es aber wirklich noch schön geruhsam zuzugehen, obwohl die Einheimischen behaupten, es wäre jetzt schon ein irrer Trubel gegen früher. Wenn man nun doch jemanden traf, der die Insel ernsthaft verlassen wollte, nannte er als sein nächstes Ziel die Stadt Marrakesh in Marokko. Und da gab es für uns ja gar nicht viel zu überlegen – wir sind auch ab nach Marokko. Mal sehen, ob da die Probleme nicht ganz anders gelagert sind – möglich, dass es da um so Sachen wie Rauschmittel geht. Auf Ibiza hatte man damit angeblich keine Probleme. Ich werde über Marrakesh noch berichten.