Whitewashing in Hollywood: Schöne weiße Welt
Weiße Schauspieler, die asiatische oder nordafrikanische Figuren spielen, sorgen derzeit wieder für Schlagzeilen. Betroffen sind auch Scarlett Johansson und der aktuelle Marvel-Film.
Mit „Gods of Egypt“ startete 2016 ein Gamechanger in den Kinos: Der Fantasy-Film, in dem sich Gerald Butler und „Game of Thrones“-Star Nikolaj Coster-Waldau durch das alte Ägypten prügeln, ist eine einzige Katastrophe. Dünne Geschichte, blutleere Dialoge über Irgendwas und viel zu viele Effekte, die in 3D Kopfschmerzen verursachen. Aber um die Qualität des Films soll es hier nur am Rande gehen.
„Gods of Egypt“ zog nämlich schon lange vor seiner Premiere den Zorn vieler Zuschauer auf sich, vor allem in den USA. Der Grund: Whitewashing. Die Produzenten erzählen zwar eine Geschichte über das alte Ägypten, besetzen alle relevanten Rollen aber mit Australiern oder Schotten. Geoffrey Rush wird zum Sonnengott Ra, Gerald Butler zu Wüstengott Seth. Der Däne Nikolaj Coster-Waldau übernimmt die Rolle von Horus. Schöne weiße Welt, natürlich in 3D.
Warum werden Ägypter nicht einfach von Ägyptern gespielt? Weil weiße Schauspieler vermeintlich besser an der Kinokasse ziehen. Weil amerikanische und mitteleuropäische Zuschauer aus Studiosicht schlichtweg keine Lust auf einen Film über das alte Ägypten haben, in dem auch Ägypter mitspielen. Oder die zumindest wie Ägypter aussehen. Lionsgate, das im Fall von „Gods of Egypt“ verantwortliche Studio, versuchte bereits weit vor Kinostart, die Wogen zu glätten und entschuldigte sich in einem Statement für die „mangelnde Vielfalt“ im Ensemble. Zu spät, da war der Film bereits als rassistisches Produkt verschrien.
„Gods of Egypt“ ist nur der jüngste Fall von Whitewashing
„Gods of Egypt“ ist kein Einzelfall, Whitewashing zieht sich durch die gesamte Geschichte des Kinos. Auch als Nachwehe der „Oscars so White“-Debatte rückt das Thema mittlerweile wieder mehr in den Fokus und zerstört das Image vieler Produktionen schon bei Bekanntgabe der Besetzung. Die Kehrseite der berechtigten Empörung, die reflexartig über Whitewashing-Besetzungen hereinbricht, ist wahrscheinlich die Tatsache, dass die Studios mit ihren finanziellen Kalkulationen ausgehend von der Hautfarbe sogar recht haben. Wer war noch gleich der aktuell bekannteste internationale Schauspieler aus Ägypten?
Ein nichtvorhandener weiblicher asiatischer Megastar ist der Grund dafür, dass Scarlett Johansson in Film „Ghost in the Shell“ eine Figur namens Motoko Kusanagi spielt. „Ghost in the Shell“, eine Anime-Berühmtheit aus Japan, in Deutschland seit dem „King of my Castle“-Musikvideo von Wamdue ein Begriff, ist ein Stoff, der seit Jahren auf seine Leinwandadaption wartet. Aus Japan kommend hätte ein Realfilm mit kleinerem Budget wohl kaum einen größeren Kinostart auf dem westlichen Markt anvisieren können.
Von amerikanischer Seite aus ist ein weltweiter Kinostart einfach zu realisieren. Aber nur, wenn die weibliche Figur, um die sich in „Ghost in Shell“ alles dreht, mit einem Superstar besetzt ist, mit dem sich bereits vor Kinostart genügend Aufmerksamkeit generieren lässt. Also muss Johansson zur Japanerin werden. Es ist ein Dilemma, in dem finanzielle Interessen am Ende immer wichtiger sind als die korrekte Ethnie der darzustellenden Figur. Im Zuge der Debatte um „Ghost in the Shell“ verteidigte Drehbuchautor Max Landis („American Ultra“) die Besetzung mit Johansson sowie systematisches Whitewashing in einem YouTube-Video:
Dass ein Projekt mit der Größe von „Ghost in the Shell“ – immerhin wird Regisseur Rubert Sanders mit einem Budget jenseits der 100 Millionen US-Dollar hantieren können – einen weißen Megastar als Lead-Actress benötigt, ist zwar nicht wünschenswert, aber zumindest nachvollziehbar. Andere Casting-Entscheidungen in aktuellen Filmprojekten lassen da weniger Rechtfertigung zu. Warum für die bald startende Biografie über die Sängerin Nina Simone erst die hellhäutigere Zoë Saldana gecastet und anschließend wieder dunkelhäutiger geschminkt wurde, lässt sich nur noch schwer erklären. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass Saldana durch ihre Rollen in „Guardians of the Galaxy“ und „Avatar“ auch viele Fans außerhalb der schwarzen Community in den USA hat. In beiden Filmen war sie übrigens komplett grün beziehungsweise blau geschminkt.
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Marvel, das sich gemeinsam mit Disney jüngst löblich für sexuelle Gleichberechtigung im US-Bundesstaat Georgia einsetzte, muss sich gerade ebenfalls einer Whitewashing-Debatte stellen: Für den „Dr. Strange“-Film wurde Tilda Swinton für die Rolle des „Ancient One“ engagiert. Und der ist in den Comics männlich und tibetanischer Herkunft. Baron Mordo, ein Superschurke aus den Comics, wurde stattdessen mit einem schwarzen Darsteller (Chiwetel Ejiofor) besetzt. In der entsprechenden Vorlage ist die Figur weiß.Wie lange sich die momentanen Whitewashing-Kontroversen halten oder ob sie wirklich nur als kurzes Nachbeben der Oscarverleihung zu werten sind, bleibt abzuwarten. Der Eingangs erwähnte „Gods of Egypt“ könnte aber ein Indiz dafür sein, dass auf Shitstorms aus dem Internet tatsächlich auch schwache Ticketverkäufe folgen: „Gods of Egypt“ ist sensationell gefloppt. Auch Ridley Scott verzettelte sich zuletzt mit ägyptischem Stoff: Sein „Exodus: Gods and Kings“ war eine finanzielle Enttäuschung. Vielleicht lag es ja auch daran, dass Moses und Ramses von Christian Bale und dem ebenso weißen, dafür aber befremdlich geschminkten Joel Edgerton gespielt wurden.