Ein Plattenlabel erfolgreich gründen – ohne Geld
Vor 60 Jahren gründete Jac Holzman Elektra, entdeckte The Doors und The Stooges. Er beeinflusst die Musikindusttrie noch heute – ein Gespräch.
Santa Monica im September. Schwungvoll öffnet Jac Holzman die Tür. „Kommen Sie rein, wollen Sie etwas trinken, ich bin gleich für Sie da.“ Der 79-Jährige stellt ein Glas Gerolsteiner auf den Tisch – „Gerolsteiner?“ „Ja, ich mag die Kohlensäure“ – und führt noch schnell ein Telefongespräch. In der Ecke seiner Arbeitswohnung steht ein brauner Flügel, auf dem eine Kermit-Puppe sitzt, der Boden ist mit Teppich ausgelegt, an den Wänden hängen Bilder. Nichts weist darauf hin, dass Jac Holzman 1950 mit Elektra eines der wichtigsten Label der Popgeschichte gründete und in den Sechzigern der amerikanischen Gegenkultur den Soundtrack lieferte. Dabei veröffentlichte er eigentlich nur Platten, die er für interessant und angemessen seltsam hielt.
WELT ONLINE: Herr Holzman, erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Stooges-Konzert?
Jac Holzman: Ja, Iggy steht auf der Bühne, dreht und verrenkt sich, dann nimmt er Anlauf und macht einen Hechtsprung ins Publikum. Das Publikum weicht aus und Iggy knallt auf den Boden. Es war großartig.
WELT ONLINE: Sie waren neunzehn Jahre alt, als Sie Ihre Plattenfirma Elektra gründeten.
Holzman: Ja, und meine Eltern haben sich wie alle Eltern gefragt, was aus mir werden würde. Ich lag eigentlich nur den ganzen Tag auf dem Bett und las. Aber ich liebte Musik und ich liebte Audiotechnik. Und dann wurde 1948 die Vinyl-Schallplatte verfügbar, die Presswerke wurden effizienter, Aufnahmegeräte wurden erschwinglich, es gab mehr Radioprogramme. All das führte zu dem, was ich die Urknall-Theorie der Musik nenne. Also bin ich vom Bett aufgestanden und habe eine Plattenfirma gegründet.Anzeige
WELT ONLINE: Die erste Platte war kein Hit.
Holzman: Das kann man so sagen.
WELT ONLINE: Es handelte sich um zeitgenössische E-Musik-Kompositionen, zu denen eine Sopranistin Gedichte von Hölderlin und Rilke vortrug. Sehr obskur, wenn man so sagen darf.
Holzman: Ich mag Obskures. Die Platte hat mir gezeigt, was ich falsch gemacht habe. Es war eine Trainingsplatte. Mit der sechsten, siebten Platte hatte ich dann raus, wie man es macht. Und der Rest lief von selbst.
WELT ONLINE: Eigentlich wirkt fast alles, was Sie in den Fünzigern veröffentlicht haben, obskur: Songs aus den südlichen Appalachen, Songs aus Kentucky, Songs aus Israel …
Holzman: Die Platten richteten sich an ein amerikanisches Publikum. Der Grund dafür ist einfach: Für ein kleines amerikanisches Independentlabel gab es keine Möglichkeit, Platten in Europa zu verkaufen. Also habe ich Platten für mich und mein Publikum produziert. Ich liebte Folkmusik, ich mochte die Schlichtheit. Sie müssen wissen, dass ich aus einer halbwegs privilegierten Familie stamme. Es wurde viel Wert auf Äußerlichkeiten gelegt. Das gefiel mir nicht. Folk war viel natürlicher, das zog mich an. Ich machte diese Platten nur für mich. Wenn ich genug von der einen verkauft hatte, produzierte ich die nächste. Lesen Sie das vollständige Interview bei
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Harald Peters – 13.10.2010