Ein Allstar-Projekt, keine Band: Oysterhead sind schon wieder Vergangenheit – doch die nächste Platte kommt bestimmt
Scheint ja gleich beim ersten Mal mächtig gescheppert zu haben: „Ich guckte Trey an, der sah rüber zu Les, und dann haben wir uns gegenseitig die Klamotten vom Leib gerissen und es heftigst miteinander getrieben. Nein, im Ernst, unsere Beziehung ist unglaublich, und ich sage dir auch, wie siefunktioniert: Die beiden anderen lassen mich sechs oder sieben Mal am Tag wissen, wie Masse ich bin, was für große Police-Fans sie damals waren, dass Sting sowieso kein Talent hatte und ich der eigentliche Grund für den Erfolg von Police war. Wenn sie dessen mal müde werden, dann erzählen sie mir von ihrer Zeit am College, dass sie jedesmal, wenn sie ein Mädchen bumsten und dabei nach oben sahen, meine Visage vor sich hatten, weil über dem Bett der Kleinen ein Police-Poster hing. Und dass es natürlich schon immer ihr größter Wunsch gewesen ist, eines Tages mit mir in einer Band zu spielen. Du kannst dir also vorstellen, wie schwer ich es bei Oysterhead aufgrund dieser problematischen sozialen Rahmenbedingungen habe.“
Man sieht Stewart Copeland am anderen Ende der Leitung förmlich breit grinsen, als er über seinen spontanen flotten Dreier philosophiert – einen, der allerdings fast schon wieder ad acta gelegt ist, denn: „Momentan existiert Oysterhead nicht – bis zu dem Moment, wo wir uns wieder treffen und eine neue Platte einspielen, was hundertprozentig passieren wird. Aber es wird niemals einen goldenen Käfig namens Oysterhead geben. Wir haben uns nie in die Hand versprochen, wir würden eine .richtige Band sein. Wir verabreden uns, aber wir sind nicht miteinander verheiratet – du verstehst? Und das macht die ganze Geschichte so spannend.“
Begonnen hatte sie mit der Idee eines Promoters aus New Orleans, der seinem Primus-Spezi Les Claypool den Floh ins Ohr setzte, er möge doch eine aus „monsters of music“ bestehende Startruppe für ein einmaliges Konzert zusammenstellen. Der 38-jährige „most original rock bassist to come along in the ’90s“ holte zuerst Gitarrist Trey Anastasio (37) von Phish mit ins Boot, den er schon seit Jahren kannte. Und den fehlenden dritten Mann hatte man auch alsbald: Eben Stewart Copeland, einst Schlagzeuger bei The Police und Produzent eines Primus-Albumtracks. Der 49-Jährige, heute ein gefragter Komponist für Filmmusiken, hatte zehn Jahre lang keine Trommelstöcke mehr angefasst und musste eigenem Bekunden zufolge üben, „bis ich wieder wie früher richtige Blasen an den Händen hatte“.
Bei einem Primus-Gig Ende Februar 2000 wagte sich das in Seitensprüngen erfahrene Allstar-Trio erstmals aus der Anonymität, gefolgt von einem One Night Stand am 4.Mai 2000 im Saenger Theatre von New Orleans. Zwölf Minuten nach Vorverkaufsbeginn waren alle 2736 Tickets für die Show weg, Restkarten wurden wenig später im Internet für über 2000 Dollar pro Stück verschachert., Anfangs waren wir von diesem überaus großen Interesse an Oysterhead schon überrascht, denn Supergroups sind ja eigentlich immer ein einziges Desaster“, räumt Copeland rückblickend ein. Und so entstand in Treys Studio in Vermont auf die Schnelle das inzwischen auch in Europa erschienene Oysterhead-Debütalbum „The Grand Pecking Order“, beworben wurde es mit einer vierwöchigen US-Tour.
„Die Tickets gingen weg wie warme Semmeln“, freut sich Copeland, der in diesem Zusammenhang jedoch klarstellt: „Wir sind keine Band, die ein oder zwei Alben pro Jahr rausbringt, undtouren normalerweise auch nicht- wir waren einen Monat unterwegs, um das Album zu promoten, mehr wirdes vorerst nicht geben. Momentan sitze ich hier in meinem Studio und bastle an einer Filmmusik, und wenn ich damit fertig bin, muss ich noch einen weiteren Streifen vertonen. Was Oysterhead betrifft, so habe ich da momentan keine allzu großen Pläne, aber die Band trotzdem immer im Hinterkopf.Wir haben bei derTour live mitgeschnitten, und ich werde aus den Bändern wohl eine Live-CD zimmern, aber das ist noch ein ganzes Stück weit weg.“
Die Shows der Promi-Truppe gerieten jedenfalls zu höchst amüsanten Events für Publikum wie Band: Ley Claypool kickte Kumpel Trey in bester Phish- bzw. Primus-Tradition ebenso fleißig wie unangekündigt immer neue Bälle zu, und der querpasste umgehend zurück – so war von „Rapper’s Delight“ über „Master Of Puppets“ oder „Smoke On The Water“ bis hin zu „Oye Como Va“ jeden Abend so ziemlich alles drin. Dass dazwischen auch schon mal „Walking On The Moon“ (Police) oder „Tommy The Cat“ (Primus) auftauchten, schien da nur konsequent. Wobei es allerdings bei kurzen Songschnipseln blieb, denn: „Wir sind nicht Primus, keiner von uns spielt wie die, mit Ausnahme von Les natürlich. Und wenn er Songs von Primus intonieren will, dann tut er das mit seiner Stammband. Und Phish – fuck, ich spiele nunmal nicht wie Phish-Drummer Jon Fishman.Würde ich einen Phish-Song trommeln müssen wie er, würde ich’s garantiert versägen.“ Für Stewart Copeland war der berühmt-berüchtigte Hang seiner beiden Partner zum freien Improvisieren eigenem Bekunden zufolge jedoch ein absolutes Novum, hatte er doch bis dato „immer nur in den üblichen Kategorien gedacht: Du stellst bestimmte Songs zu einem Set zusammen, und damit tourst du dann – zwar mit gelegentlichen leichten Veränderungen, die Basis bleibt jedoch stets die gleiche. Aber Phish und auch Primus hatten schon immer eine gänzlich andere Philosophie; die haben noch nie ein und dasselbe Set zwei Mal performt. Das ist auch der Grund, warum Phish-Fans oft mehrere Shows hintereinander besuchen, ja sogar die ganze Tour mitmachen – weil sie wissen, dass sie jedesmal etwas anderes erwartet.“
Viele der besagten „Phisheads bringen zu den Gigs ihrer Lieblinge bekanntlich ihre Aufnahmegeräte mit – bei dem weitgehend identischen Oysterhead-Publikum ist das keinen Deut anders. „Wir halten für die Jungs mit den Recordern auch immer einen bestimmten Bereich in der Halle frei und bitten jene, die ihn betreten, nicht zu pfeifen oder anderweitig Lärm zu machen, damit die Mitschnittegut werden“, sagt Copeland, der mit den privaten Bootleggern kein Problem hat: „Mein Hintergedanke dabei ist, dass ihre Aufnahmen qualitativ nicht sonderlich gut ausfallen und sie nicht zuletzt deshalb auf ein reguläres Livealbum warten. Das Nachbearbeiten solcher Mitschnitte ist übrigens ein ganz persönliches Steckenpferd von mir. Nach der New Orleans-Show habe ich aus unserem Genudel von zweieinhalb Stunden ein klasse Fünfzig-Minuten-Extraktgebastelt – so etwas liebe ich. Jetzt bin ich nur dauernd mit Les undTrey am diskutieren, weil die den Kram gerne so belassen würden, wie er ursprünglich war. Aber sorry, das ist nicht mein Ding, da kann ich nicht aus meiner Haut raus. Und außerdem bin ich Popmusiker, kein Rockmusiker. Mir gehen die Debatten um solche Dinge auf den Geist, wenn ich genau weiß, dass wir nicht wirklich dicht dran sind an dem coolen Zeug, das wir eigentlich wollten.“
Die Zeit drängt, zum Schluss die unvermeidliche Frage… „Stimmt, ich war in der Tat noch nie so weit weg von The Police wie jetzt, habe, seit ich Les und Trey traf, nicht ein einziges Mal daran gedacht. Und jetzt habe ich auch eine ungefähre Vorstellung davon, wie es für Sting und Andy Summers heute ist: Die touren ständig, haben permanent Leute um sich -für sie ist das ganz normal. Aber ich, ich komponiere Filmmusiken, und das zu Hause, was bedeutet, dass das Prickelnde eines Live-Konzertes inzwischen nicht mehr zu meinem täglichen Leben gehört. Aber das ist okay, schließlich habe ich die größten Hallen gespielt und den tollsten Spaß gehabt- been there, done that. Aber gelegentlich juckt es mich schon. Dann denke ich mir jedesmal: Mann, du solltest Sting anrufen. Wir hatten schließlich tolle Songs, und wenn wir wieder beieinander wären, hätten wir garantiert verdammt viel Spaß. Aber noch lieber würde ich eine Tour mit Abba spielen. Und sollten Metallica mal einen neuen Drummer brauchen, kann ich nur hoffen, dass sie dann meine Telefonnummer haben.“
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