Dreschen gegen die Resignation
IkaraColt: Aus der Distanz betrachtet man das Pop-Geschehen in Großbritannien gerne mit dem romantisch verklärten Blick der Bewunderung. Paul Resende, der Sänger von Ikara Colt, sieht seine Heimat weniger enthusiastisch: „Ich kann mit diesem Land überhaupt nichts anfangen. Das verkrustete Establishment, die von Angst und falschen Medieninformationen erzeugte euroskeptische Haltung und ein Premierminister, der Amerika den Hintern ableckt, stinken mir gewaltig. „Am liebsten würde er mit seinen Bandfreunden ganz schnellverschwinden – nicht umsonst heißt ein jüngst veröffentlichter Single-Track „Leave This Country“. So unmissverständlich drücken sich die Youngster auf ihrem neuen Album modern apprentice aber nicht immer aus; da muss man den lautstarken Neo-Punkrock manchmal schon kräftig zur Seite drängen, will man die darin enthaltene kritische Bestandaufnahme der Gegenwart im jeweiligen Text wirklich erkennen. „Ich glaube, die Leute haben alles hingeworfen. Sie resignieren, wollen nicht mehr die Welt verändern, sondern nur noch vordem Fernsehersitzen und Reality-Shows gucken. Ich dagegen würde am liebsten mein ganzes Leben lang wütend auf etwas sein. Denn das gibt mir die Energie, um morgens aufstehen zu können.“ Nun sind die Bereitschaft zum Widerstand gegen Unerträglichkeiten und ein kritischer Geist nicht die schlechtesten Eigenschaften für einen künstlerisch tätigen Menschen. Gewähr für musikalische Qualität bieten sie jedoch nicht. Da trifft es sich gut, dass Ikara Colt nach ihrem doch arg hingedroschen wirkenden Erstling chat and Business inzwischen mehr Wert auf Feinarbeit legen. „Damals waren wir zum ersten Mal überhaupt im Studio. Wir hatten zwei Wochen zur Verfügung und schleuderten heraus, was gerade nutzbar war. Jetzt, im zweiten Anlauf, war das Premieren fieber verschwunden, agierten wir sicherer“, sagt Resende. Unter Aufsicht von Produzent Alex Newport (At The Drive-In und The Icarus Line] hat die Band ihren Stil verfeinert und an einigen Stellen zugunsten von mehr Groove verändert. Wenn sie so weitermacht, haben wir bald einen Grund mehr für neidische Blicke nach Großbritannien.