Die Toten Hosen: Wien, Burgtheater


Düsseldorfer ohne Elektrik an der Donau: Wir schalten um zu unserem Österreich-Korrespondenten (und selbstredend kritischem Fan) Thees Uhlmann. Thees?

Wie fängt man einen Konzertbericht an über Die Toten Hosen? Die häufigste Geste die ich sah, wenn ich von meinem Vorhaben erzählte, waren über Köpfen zusammengeschlagene Hände. Vielleicht so:

Grundsätzlich kann etwas, das so vielen Menschen Freude und Genugtuung und Momente beschert, die harmlos und farbenprächtig sind, nicht schlecht sein. Ich habe Dinge anläßlich der zweitägigen Aufzeichnung des „Die Toten Hosen Unplugged“-Konzertes im Wiener Burgtheater gesehen, die kann niemand glauben. Ich sah Florian Hayler, Chefredakteur von Uncle Sally’s, wie er nur aufgrund seiner Sitzposition in der zweiten Reihe in einen Toten-Hosen-Fantanz verwickelt wurde. Ich sah zwei Reihen vor mir ein Pärchen, das ohne Zweifel in einem Fragebogen unter „einziges Hobby“ angeben würde: „D.T.H.“ Sie trugen identische Tourshirts, und der Boy sang mit. Und immer, wenn er besonders laut wurde und Schlüsselphrasen wie „ist das heute noch scheißegal“ drankamen und er seinen Finger in Richtung Bühne pointete, strich ihm seine Freundin bestätigend und zärtlich über den großen, großen Rücken.

Ich sah, wie die Leute in den ersten Reihen – ja, es gibt Menschen, die immer noch so aussehen wie die Goldenen Zitronen auf dem Cover von Porsche, Genscher, Hallo HSV – in den ersten Rang „tote!“ hinaufschrien, worauf der erste Rang mit „Hosen!“ antwortete.

Ich sah einen Andreas Frege, der aufgrund der ungewohnten Unplugged-Situation so angespannt war, daß man es förmlich riechen konnte, und der bei „Nur zu Besuch“ (dem Song über den Tod seiner Mutter) mit den Tränen kämfen mußte. Nie waren sich Conor Oberst und Campino so nahe.

Je älter ich werde, desto unzynischer (nicht altersmild!) werde ich. Und es kommt mir so vor, als hätten alle Nicht-Hosen-Fans für die Toten Hosen lange schon nur noch Zynismus und Verachtung übrig. Was sehr interessant ist in Anbetracht der Tatsache, daß jede(r) mindestens eine Tote-Hosen-Geschichte am Start hat, die er/sie unter „Eine der zehn erzählenswertesten Geschichten, die ich je erlebt habe“ einsortieren würde. (Woah, Thees, warte mal!; Anm. d. Red.) Ich möchte hier nicht in Abrede stellen, daß das desolate „10 kleine lägermeister“ ein furchtbares Lied ist, das die Hosen viele Sympathien gekostet hat (was ihnen vielleicht sogar egal ist). Und daß mich eine Gänsehaut des Grauens überkommt, wenn Campino in „Frauen dieser Welt“ – man glaubt es kaum „spermageile Luder“ singt. Das ist gräßlich, sei es noch so Funny-van-Dannen-esk ironisch kodiert. Aber:

Letztens kam ich mit einer mir wichtigen Person überein, daß ein Hosen-Konzert eigentlich den Bereich eines normalen Konzertes verläßt. Es ist Event. Ein Ereignis, auf das sich so viele Emotionen gebündelt gefreut haben. Ein Tote-Hosen-Konzert bestärkt einen einmal mehr in dem Glauben, daß viele dieser Lieder eines Tages in den Bereich der Volksmusik hinübergleiten werden. Volksmusik im Sinne von Folk-Musik. Ein Hosen-Konzert ist 90 Minuten Deutschland gucken mit allem drum und dran! Und das ist ambivalent gemeint! Die Toten Hosen mit Verachtung strafen, ist 50% aller Leute zwischen 15 und 42 in diesem Land mit Verachtung strafen. Ich verstehe, daß man das machen kann. Ich kann das nur nicht mehr, und unter uns: Ich will das auch nicht mehr. Es langweilt mich.

Ach ja, das Konzert. Die Band spielte sich durch eine Mischung von Hits aus den letzten 50 Jahre Bandgeschichte, verzichtete aber auf das von mir lautstark geforderte „Ülüsü“, das immer noch beste Lied über Ausländerfeindlichkeit, das bis dato geschrieben wurde. Neben der Band waren noch zwei Externe mit auf der Bühne: Eine Dame aus Schweden am Flügel und ein Cellist aus der Schweiz begleiteten gekonnt, aber nicht opulent. Und Mann, natürlich gibt’s nach so einer Sache noch eine Aftershowparty. Die fand statt in der Kantine des Burgtheaters, die ungefähr zweimal edler ist als der Buckingham Palast. Hier mischte sich alles. Die Hosenfanatiker, die Journalistenhorde, die Plattenfirmenmenschen. Und dazwischen, im besten Sinne erschreckend normal: die Hosen. Ich kenne Menschen, die verkaufen ein Fünfzigstel der Platten und sind wesentlich eitler als diese Typen.

Da durfte dann jeder seine 30 Sekunden mit Breiti und Vom haben. Es menschelte, und das war nicht nur gut, es war ganz wundervoll so! Und dann kam das Düsseldorfer Lutschbonbon noch auf mich zu und meinte:

„Eh, du bist doch Marcus Wiebusch! Cool, daß du hier bist!“ Und schob nach, gerade als ich mich aufplustern wollte: „Guter Witz, ne? Ich weiß schon, wer du bist. Find ich gut. was ihr da oben mit der Firma macht!“ Mit so was kriegt man mich natürlich. Mal wieder.

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