Die Schöne Und Die Stehaufmänner


Was lange währt, wird endlich gut: nach zehn Jahren voller Höhen und Tiefen lassen No Doubt alle Zweifler verstummen

Ein tragischer Fall von schlechtem Tirrting: nachdem man fünf Jahre lang als Partyband die pogolaunige Dorfjugend von Anaheim, Kalifornien ins Schwitzen gebracht hatte, schien 1991 für No Doubt erstmals Größeres ins Rollen zu kommen: das damals frischgegründete Label Interscope hatte ein Ohr auf die Band um das quirlige Proto-Girlie Gwen Stefani und ihren fröhlichen Ska-Punk-Pop geworfen und finanzierte den hoffnungsfrohen Newcomern ein professionell eingespieltes Album. Doch zur gleichen Zeit braute sich im verregneten Nordwesten der USA ein dräuendes Gewitter aus verstimmten Gitarren und archaischem Trübsinn zusammen, das bald die gesamte rockende Welt überziehen sollte: ab 1992 wehte der Teen Spirit aus Seattle, und kein halbwegs trend- und standesbewußter Teenager bzw. Twentysomething wollte noch mit einer Band zu tun haben, auf deren Fahnen nur eines stand: F-U-N. Da saß man nun, mit einem Sound, den keiner wollte, einem zum Einstampfen freigegebenen Album und einer Plattenfirma, die den Geldhahn zudrehte…

Anaheim, 1987: John Spence, anglophiler Musikfreak und Ska-Fan, überredet zwei High School-Freunde, die Geschwister Eric und Gwen Stefani, ebenfalls 2-Tone-Maniacs und Madness-Verehrer, mit ihm eine Ska-Punk-Band zu gründen. Mit wechselnden Mitmusikern hat man sich bald eine Kult-Gemeinde erspielt. „Wir waren ziemlich scheiße, aber aus irgendeinem Grund hatten wir sofort Fans“, erinnert sich Gwen Stefani. Doch schon Ende des )ahres fällt die junge Band in ein tiefes Loch: Gründer und Sänger Spence nimmt sich das Leben. Aber No Doubt geben nicht auf. Mit einer Beharrlichkeit, die sich in noch bevorstehenden Krisen als wichtige Tugend der Stehauf-Männer um die jetzt alleinige Vokalistin Stefani erweisen soll, arbeitet man sich aus der Krise.

So auch 1992. Nach dem Floppen des Debüts zog sich die mit Tony Kanal (bg), Tom Dumont (git), Adrian Young (dr), Eric (keys) und Gwen Stefani längst konsolidierte Band wieder in ihre Garage in Anaheim, eine Straßenecke vom „Magic Kingdom“ Disneyland entfernt, zurück. „Wir sind eine Live-Band. Unsere Live-Energie im Studio einzufangen, war für uns immer ein ziemlicher Kampf“, bekennt Tony Kanal. Ein Kampf, dem man sich jetzt unerschrocken stellte: im selbstausgebauten Studio entstanden „Millionen von Demo-Tapes“ (Gwen), No Doubt verfeinerten ihren Sound – und ihre Zeit sollte kommen: 1994 brach an, und mit dem Erfolg dreier Rüpel namens Green Day durfte auf Konzerten plötzlich wieder blöd gegrinst und Pogo getanzt werden. No Doubt bekamen ihre zweite Chance, doch erst nach quälend langen Verzögerungen brachte Interscope Ende 1995 den Zweitling ‚Tragic Kingdom‘ heraus. Einem war die Warterei inzwischen zuviel geworden: Keyboarder Eric Stefani verabschiedete sich in Richtung gesicherte Existenz – als Zeichner im Produktionsteam von ‚The Simpsons‘.

Mit seiner alten Band ging’s seither stetig bergauf: die Singles ‚Spiderwebs‘ und ‚Just A Girl‘ kletterten in die Charts, No Doubts Qualitäten als Live-Act machten sie zu Abräumern auf Alternative Rock-Festivals, und seit ‚Don’t Speak‘ besteht auch in Europa kein Zweifel mehr: No Doubt sind Stars. Oder besser: drei Monde, die um das strahlende Gestirn Gwen Stefani kreisen. Die einnehmende Blondine mit dem entwaffnenden Charme eines frühreifen Görs ist die neue Heroine aller Nachwuchs-Powergirlies – und Liebling der Medien. Eben daraus erwächst die bisher größte Zerreißprobe für die Bandgemeinschaft: „Das Interesse fokussiert sich nur auf mich, das Mädchen“, räumt Gwen in einem Interview mit dem US-Magazin SPIN (von dessen Titelblatt sie dann folgerichtig allein herunterlächelte) ein, „das erzeugt Spannungen. Aber wir kriegen das schon in den Griff.“ „Wir wollen als Band angesehen werden“, fordert Tony Kanal. Der gebürtige Inder steht auf besonders delikatem Posten in Band und Öffentlichkeit. Hatte er doch vor zwei Jahren eine achtjährige Beziehung mit seiner Sängerin beendet. Ein Umstand, den die hyperemotionale Gwen in einer Art Wenn-Frauen-zu-sehr-lieben-Szenario nie so richtig verwunden hat, dies wiederum ein Umstand, der jetzt von den Medien zum zentralen Konflikt der Band hochstilisiert wird mit Kanal in der Rolle des Buhmanns. Jeden Abend hängen tausende Fans an Gwens Lippen, wenn sie in Songs wie ‚Don’t Speak‘ oder ‚Happy Now?‘ ihr Liebesleid klagt oder ihren Herzensbrecher verbal zum Teufel jagt. Und der, an den sich all diese Texte indirekt richten, muß danebenstehen und guten Baß zum bösen Spiel zupfen. „Es ist schon verdammt seltsam“, sagt Kanal. „Du stehst da auf der Bühne und spielst Songs, die dein ganz privates Leben berühren – und kannst dich nicht wehren.“ Aber No Doubt wären nicht No Doubt, würden sie nicht auch solche Widrigkeiten in ein weiteres Bausteinchen ihres Erfolges ummünzen: ihrer Live-Performance verleiht der bandinterne Herzschmerz nur zusätzlichen Pfeffer. Nachzuprüfen auf No Doubts jetzt anstehender Deutschland-Tour.