Die Reklamation


"Das könnte dir gefallen."

Es ist nur eine kleine Unachtsamkeit meiner Kollegen und eigentlich kaum der Rede wert. Da ich mich für einen vergleichsweise ausgeglichenen Menschen halte, will mein Ärger über diese Nebensächlichkeit auch ganz und gar nicht in das mit liebevoller Parteilichkeit gezeichnete Bild passen, das ich mir über die Jahre von mir selbst gemacht habe. Bevor jedoch das Verdrängen meines Grolls zu einem kanzerogenen Unruheherd werden kann, der mein Gewebe zerstört und einen Keil zwischen mich und meine wohlwollenden Mitarbeiter treibt, werde ich der Tatsache in die Augen sehen, dass meine buddhistische Gelassenheit dahin ist – mir es also tierisch auf den Sack geht -, wenn mir ein Mitarbeiter eine CD mit den Worten „Das könnte dir gefallen“ in die Hand drückt. Ist mein Musikgeschmack wirklich so vorhersehbar? Gibt es ein nur für mich unsichtbares, für alle anderen aber klar erkennbares Muster hinter meinen Lieblingsplatten von TV On The Radio, Kris Kristofferson, Third Eye Foundation, Public Enemy und Tori Arnos, das meine geschätzten Büronachbarn geradezu animiert, mir den ganzen langen Tag mit diesen gönnerhaften Worten Tonträger zu empfehlen? Was soll das überhaupt heißen, „Das könnte dir gefallen?“ Impliziert das, dass es der väterliche Überbringer selbst für gut befunden hat? Oder verbietet ihm nur die Höflichkeit, das „dir“ zu betonen, was die Verachtung verraten würde, die hinter diesem scheinbar gut gemeinten Akt verborgen ist?

Natürlich kann mir aus Prinzip nichts von dem gefallen, was mir mit diesem Satz empfohlen wird. Im besten Falle wenn die Platte also keine Katastrophe ist und, hätte ich sie beispielsweise mit den Worten „Das finde ich genial – hör dir das doch mal an“ erhalten, mir tatsächlich gefallen könnte fühle ich mich unmündig wie ein kultureller Einfaltspinsel, dem man in der CD-Abteilung eines Kaufhauses die zweite Norah-Jones-Platteans Herz gelegt hat, nachdem er von seiner Begeisterung über ihr Debüt berichtet hatte. Meist aber und das liegt sicher nicht zuletzt an der defensiven Grundhaltung, mit der ich eine Platte in Empfang nehme, die mir gefallen könnte-, bin ich zutiefst erschüttert davon, welche Machwerke beschämender Mittelmäßigkeit von meiner Umwelt als kompatibel mit meinem selbstredend erlesenen Musikgeschmack gesehen werden. „DAS soll mir gefallen können? Herzlichen Dank.“