Die Glücks- produzenten


Was wurden Van-Halen Brüder durch den Blätterwald geprügelt - egal, ob mit KasperRoth oder Megaröhre Hagar im Sturm. Und dennoch ist dies die Geschichte einer Band, die hinter ihren Megahits immer wieder Erstaunliches schuf.

Für die einen sind sie seit Anbeginn, seit Erschaffung der Band Van Haien, die einzigen Götter unter uns, singuläre Genies, unübertroffen. Vor allem der Mann an der Gitarre sei unantastbar der Größte: Edward „Eddie“ Van Haien. Für die anderen ist Van Haien der Inbegriff des nicht ganz zu Unrecht gescholtenen bis verfemten „Rockismus“, die Schweinerock- und Stadionrockband par excellence, eine Mainstreamtruppe, geschaffen für, so erklärte ein Rezensent, „ordinäre Rocksongs mit allerlei Power-Chords und schick gespielten Gitarrensoli, die allesamt klingen, als wiehere ein urplötzlich erschrecktes Pferd, dessen man zuvor nicht gewahr geworden ist“.

Gewahr wurde der Kritiker beim Hören des 1995er Albums BALANCE aber zudem der Tatsache, dass Van Haien „Zuhältenriusik“ mache, mit eminenten Folgen: „Wer Van Halen hört, schlägt auch Frauen.“

Daran mag zumindest zweifeln, wer die erstaunliche öffentliche Präsenz zahlloser Van-Halen-Songs zur Kenntnis nimmt – etwa beim Eisschnellaufweltcup, was dann wenigstens Keilereien zwischen den Schnallenstars Anni Friesinger und Claudia Pechstein hätte zur Folge haben müssen. Was nicht war, kann freilich noch werden. Es ist ja wahr, dass sich US -Kampfbomberpiloten, bevor sie in die Luft steigen, mit Van Haien dopen. Andererseits gibt eine Frankfurter Musikwissenschaftlerin zu verstehen, Van Haien sei „Kindermusik“, also ein folgenlos spaßiges, gelöstes, zweckfreies Spiel mit Harmonien, Melodien, Sounds und technischen Fertigkeiten. Wie aUCh immer. Wenn das Lexikon der Rockgitarristen (Berlin 1999) Eddie Van Haien als „Zauberer auf einem Kindergeburtstag“beschieibt, ist das nicht bloß schön beobachtet, sondern es bezeugt dessen und der ganzen Band schier überbordende und bisweilen ziellos sich verströmende Laune, die mal enthusiasmiert, mal zum kalifornischen Kitsch verkommt. Perfekt ist Van Haien daher nicht, doch wer soll und muss das schon sein. Groß (gewesen) ist die „bestbezahlte Band“ (Guinness Buch der Rekorde, 1984) allerdings unbestreitbar, und sei’s nur gemessen an Plattenverkaufs- und Konzertbesucherzahlen, die nicht mal die Spartennachbarn Aerosmith erreichten. Jedes der 13 Van-Halen-Alben – das bis dato letzte, das gründlich missratene van halen 3 (1998) ausgenommen (da wollten die vier, nach dem Rauswurf des ehemaligen Monöose-Sängers Sammy Hagar, mit dem Ex-Extreme-Mann Gary Cherone plötzlich „komplex“ komponieren und klingen) – erzielte mindestens einfachen Platinstatus, und im Oktober 1988 wurde Van Haien mit dem „Golden Ticket“ für mehr als 100 000 Zuschauer im Madison Square Garden behängt. Gar nicht zu reden davon, dass Van Haien drei Alben in Folge auf die Pole Position der US-Charts hievte. Madonna und die Rolling Stones packten nur zwei.

Begonnen hatte alles vor 25 Jahren. 1978 erschien das bis heute Über acht Millionen Mal verkaufte Debütalbum van halen. Aus einem Guss war die dämonisch dröhnende und seraphisch glitzernde Mixtur aus irrwirzigen Legates, brüllend-jauchzenden Tremoloeffekten und den beidhändigen Turbo-Tapping-Kaskaden nicht, aber nach der Rock’n’Roll-Revolte der 50er Jahre und nach Hendrix‘ noch recht archaischem Geräuschchaos eroberte Eddie Van Haien durch Spielfreude und Kalkulation ein unbekanntes Terrain der E-Gitarre, weil er die „Schnörkellosigkeit und Härte“ (Frankfurter Rundschau) und die zwischen Pein und Ekstase changierenden Ausdrucksmöglichkeiten um die Eleganz und Noblesse des lachenden Magiers erweiterte. Neid war da nicht ausgeschlossen. Der versierte Fusion-Gitarrist AI di Meola moserte, der fixe King Edward sei ein Trickser, und Ritchie Blackmore äußerte sich schwer genervt. Verhindern konnten beide nicht, dass Eddie Van Haien „einen Virus freisetzte“, der dazu fuhren sollte, dass sich die gesamte Gitarrenszene neu erfand. „Kein Gitarrist war wichtiger für die Entwicklung der modernen E-Gitarre ‚ (www.guitarfreaks.de).

Nun geben Instrumentalhistoriker zu bedenken, der Jazzgitarrist Allan Holds worth habe durch seinen fließenden Stil Edward erheblich inspiriert und eigentlich die Tapping-Technik vorweggenommen. Das muss einen aber nicht weiter scheren, van halen war nichtsdestoweniger eine Platte, die Maßstäbe setzte – durch „Runnin’With The Devil“, das unzerstörbare „Ain’t Talkin‘ ‚Bout Love“ und das Kinks-Cover „You Really Got Me“, das den schlichten Riff-Song zelebriert, wie er auf der unterschätzten und besten Van-Halen-Veröffentlichung, diver down (1982), abermals zum Auftakt bläst: dort mit Ray Davies‘ „Where Have All The Good Times Gone?“.

Die guten Zeiten begannen för Edward und Schlagzeugerbruder Alexander Van Haien, als dl 1955 in Nijmwegen und 1953 in Amsterdam geborenen Racker 1967 mit ihren Eltern (der Vater, ein Klarinettist, ernährte die Familie durch Auftritte bei Hochzeiten) ins kalifornische Pasadena übersiedelten. Beide nahmen klassischen Klavierunterricht. Eddie spielte zu- – nächst auch Schlagzeug, Alex Gitarre. Auf der High School tauschten sie die Rollen und gründeten die ; Gruppe Mammoth, zu der Bassist Michael Anthony (von Snake) und der schlechteste Rocksänger der letzten vier Jahrhunderte stießen: der Arzt-Sohn David Lee Roth. Zwischenzeitlich Rat Salade genannt, firmierten sie in der Backyardpartyund Clubszene ab 1975 als Van Haien und wurden, noch immer ohne Manager, Santana, Nils Lofgren und UFO als Support gebucht. 1976 sah Kiss-Bassist Gene Simmons Van Haien im Starwood in Los Angeles und produzierte anschließend ein Demo-Tape mit ihnen – ohne Folgen, weil der Maskenmann dann doch lieber eine Band namens Piper unter seine Fittiche nahm. 1977, „on a rainy Monday night“ (www.classicvanhalen.com), wurden Produzent Ted Templeman und Mo Ostin von Warner im Starwood auf die vier Krawallbrüder aufmerksam. Im Februar 1978 kam van halen, in drei Wochen nahezu ohne Overdubs eingespielt, auf den Markt, stürmte die Charts, und wenig später gewährte Meister Eddie dem Guitar Player sein erstes großes Interview. „Fast Hand“ Eddie unterschied von seinem Saufkollegen und Frontmandarsteller David Lee Roth, dass es ihm an egozentrischem und virilem Gebaren man-1 gelte. Zwar dürften die beiden Brüder und der Familienmensch Anthony bei den legendären Hoteletagen-Demolierorgien der Band nicht gänzlich unbeteiligt gewesen sein; aber auf der Bühne gab Eddie, der bekennende Clapton-Fan (1983 widmete er „Slowhand“ das zusammen mit Brian May realisierte STARFLEET PROJECT), an einer seiner Jackson-Streifen-Gitarren stets das jungenhafte Genie, das, über sechs Bünde greifend, das Publikum mit physikalisch unmöglichen Obertonorgasmen und fickrigen Flageolettfolgen becircte. Eine Gitarre ging da nie zu Bruch, und die Massen wogten in La-ola-Wellen. Van Haien waren zu ihren besten Zeiten, auch nachdem Sammy Hagar 1985 den HochDavid Lee Roths musikalische Qualitäten? Nun, ja, äh…

potenzkasper Roth ersetzt hatte, kunstfertige Glücksproduzenten, deren Musik die Weltzugewandtheit feierte und ab und an melodische Offenbarungen bot, die sprachlos machten, weil die gelungene Hookline, wie Gilbert Adair schreibt, „in unserem Herzen jene unwiderstehlich erhebende Wirkung hervorzurufen vermag“, für die uns die Worte fehlen.

Gemeckert wurde und wird gleichwohl ausgiebig über die banale Monstrosität solcher Megahits wie „Jump“ und „HotForTeacher“, „Why Can’t This Be Love“ und „Love Walks In“. Die Bande von „prachtvollen Kameraden“ (E. Bloch) kam freilich, trotz all den gigantomanischen Tourneen, trotz all dem Zirkus, bisweilen auch ohne Imponiergesten aus. „Little Guitars“ etwa von diver down, einer Platte, die entgegen der blamablen Rockergewohnheit mit einem angenehm schmucklosen Cover aufwartete, ist ein reines Wunder an melodischer Leichtigkeit und unprätentiöser harmonischer Vertracktheit. Ähnlich entspannt und federnd funktioniert das eher unbekannte „Secrets“, und die Miniatur „316“ (von FOR UNLAWFUL CARNAL KNOWLEDGE, 1991) zählt zum Zartesten. Zum vorerst letzten Mal schufen Van Haien mit BALANCE noch einmal ein durch und durch freundliches Werk, das sich nur durch den wüsten Garagenknaller (und Beitragzum ,,Twister“-Soundtrack) „Humans Being“ übertroffen sah. Ende der 90er Jahre erkrankte Eddie Van Haien schwer. Mittlerweile ist er genesen. Möge er schnell wieder zu dem Kind werden, das er durch seine gesamte Karriere hinweg zu bleiben vermochte. Und auch wieder zum Jobvermittler. Denn: „Ich sehe Van Haien als Sozialarbeiter“, hat er mal fallenlassen: „Was wir wirklich tun, ist: Wir schaffen Arbeitsplätze für Rockkritiker.“