Die Geschichte der Adele H.
Halifax, eine romantisch verklärte Garnisonstadt an der Ostküste Kanadas, im Jahre 1863: Eine wunderschöne, aber traurige junge Frau kommt auf der „Great Eastern“ aus dem alten Europa in die Neue Welt. Sie ist Adele Hugo, Tochter des damals im Weltruhm glänzenden französichen Dichters Victor Hugo (wir kennen ihn durch den „Glöckner von Notre Dame“), der zu der Zeit aber im Exil auf der Kanalinsel Guernsey lebt; die Feindschaft zu Napoleon III. trieb ihn dorthin.
Adele kommt ohne Wissen ihres berühmten Vaters nach Kanada, um dort ihren Geliebten, den Leutnant Pinson, für sich wiederzugewinnen. Sie stellt ihm regelrecht nach, steigert sich immer mehr in ihre verrückte Und aussichtslose Liebe zu einem Mann, der von ihr nichts wissen will. Adeles Lebensgeister schwinden in dem Maß, wie ihr einst so starker Stolz abbröckelt. Am Ende ist sie die verlassene Geliebte, folgt dem Ungetreuen sogar nach Barbados, schon so geistig verwirrt, daß sie Pinson nicht mehr erkennt.
Truffaut erzählt diese recht altmodisch anmutende Geschichte einer unerfüllten Liebe auf eine mitfühlende Weise, die auch manchem härter gesottenen Zeitgenossen das Herz aufgehen läßt. Er faßte diese Frau in ihren Ängsten und ihrem Wahn, ihrem unbändigen Gefühl mit einer Zartheit und filmischen Delikatesse an, die heute im Kino selten ist. Man merkt: der Regisseur liebt diese Frau, diese Figur, die in der ergreifenden Isabelle Adjani eine überzeugende Darstellerin hat. Von Truffaut klug geführt, wandelt sie durch dunkle Innenräume, durch schwaches Licht und zartfarbige Schatten. Ein durchaus romantisches 19. Jahrhundert wird hier von der Kamera entwickelt, in das man sich glatt zurückwünschen möchte — wäre da nicht Adeles trauriges Ende: Sie stirbt nach 43 Jahren geistiger Umnachtung 1915 als 85jährige Greisin in einer heilanstalt ihrer Heimat Frankreich.