Die besten US-Rap-Alben der 90er: Wie Mobb Deep mit THE INFAMOUS ihre Karriere retteten
Auf „The Infamous“ transportierte das Duo die bittere Tristesse der Straßen New Yorks rauer und detaillierter als je zuvor.
In den folgenden Wochen wagen wir auf musikexpress.de einen Rückblick. Auch wenn Geschmäcker verschieden sind, nennen wir zehn bahnbrechende HipHop-Alben der Neunziger. Den Anfang unserer Reihe macht Mobb Deep mit THE INFAMOUS aus dem Jahr 1995.
Sünden der Jugend
Mobb Deep verspielten 1993 mit ihrem Debütalbum JUVENILE HELL beinahe ihre Chance auf eine erfolgreiche Musikkarriere. Zuerst verpasste die Platte die Charts. Dann entließ sie das Label. Die Mitglieder Havoc (bürgerlich Kejuan Muchita) und Prodigy (bürgerlich Albert Johnson) waren während der Aufnahme des Albums gerade einmal 17 Jahre alt.
Zwei Jahre zuvor berichtete „The Source“ in ihrer „Unsigned Hype“-Kolumne über Mobb Deep. Prodigy und Havoc nahmen zu diesem Zeitpunkt das Marketing selbst in die Hand: Sie traten in Talent-Wettbewerben auf und verteilten stundenlang ihre Demos an die Radiostationen in und um New York. Infolgedessen fand das Duo auch außerhalb seiner Nachbarschaft in Queensbridge, New York Anklang und wurden mit einem Label-Deal bei 4th & B’way belohnt.
Alles zurück auf Null
Der Stil von JUVENILE HELL erinnerte bereits an die späteren Veröffentlichungen der Crew. Mobb Deep rappten bereits gekonnt über Gewalt, Drogenkonsum und Kriminalität. Jedoch wirkte es noch arg gekünstelt. Zudem fehlte es dem Album an einer roten Linie und der letzten Konsequenz in der Durchsetzung. JUVENILE HELL hinterließ keinen bleibenden Eindruck, floppte und Mobb Deep mussten sich neu orientieren.
Prodigy äußerte sich später über die nach JUVENILE HELL entstandene Suche nach Mobb Deeps Identität: „Wir haben uns neu formiert, sind in die Bude gegangen und haben angefangen, uns wirklich auf die Produktion zu konzentrieren – das kam zuerst. Wie sollte unser Sound sein? Wie wird der Lebensstil, den wir gelebt haben, der Lebensstil, in dem wir aufgewachsen sind, Teil davon? Die Beats kamen ganz natürlich als düsterer, unheimlich klingender Scheiß heraus, sodass die Texte danach einfach waren.“
Der Weg zu „The Infamous“
Statt aufzugeben oder sich dem Kommerz zu widmen, schlossen sich Mobb Deep im Heimstudio im Haus von Havocs Mum ein und überarbeiteten kompromisslos ihr kreatives Rezept. Vor dem Hintergrund einer pointierten lyrischen Raserei auf dreckigen, samplebasierten Beats wich die Verzweiflung des frühen Misserfolgs. Was folgte, war ihr zweites Album THE INFAMOUS, das am 25. April 1995 auf Loud Records erschien.
Im Interview mit dem „XXL Magazine“ äußerte sich Prodigy über die schwierigen Umstände seiner Schulzeit, die ihn während des Schreibprozesses von THE INFAMOUS inspirierten:
„Als ich Ende der Achtziger anfing, ein bisschen Geld zu verdienen, fing ich an, zur Jamaica Ave, Canal Street zu gehen, mir große Ketten zu besorgen und das alles zur Schule zu tragen“, sagte er. Mit der Kohle kam der Ärger: „(Slick)Rick musste seinen Cousin umlegen. Als ich das sah, dachte ich: ,Whoa, ich bin fertig`. Die N***** werden versuchen, mich um meinen Scheiß zu bringen. Außerdem bin ich mit allen Brooklyn-N****** zur Schule gegangen. Wir saßen im Zug mit Gangmitgliedern der Decepticons und der Lo-Lifes. Diese N***** haben jeden Tag N***** aufgeschlitzt. Jeden Tag, wenn ich zur Schule kam, hatte jemand eine neue Wunde im Gesicht. Ich dachte mir: ,Das werden sie mir nicht antun.‘ Ich kaufte mir eine kleine Pistole, und daher kommen solche Texte.“
Dazu passen einige der meist zitierten Zeilen des Albums aus dem Track „Survival of the Fittest“. Sie vermittelten die aufgeheizte Stimmung in Prodigys Nachbarschaft:
„There’s a war goin‘ on outside no man is safe from. You could run, but you can’t hide forever. From these streets that we done took. You walkin‘ with your head down, scared to look. You shook, ‘cause ain’t no such things as halfway crooks. They never around when the beef cooks in my part of town. It’s similar to Vietnam.“