Die 40 besten Platten des Deutschrap – Teil 3
Von Bushido bis Huss & Hodn: Teil 3 unserer großen Liste der „40 besten Platten des Deutschrap“ - jetzt online!
Die folgende 10er-Liste ist chronologisch sortiert und zuerst im Deutschrap-Special der November-Ausgabe des Musikexpress erschienen. Inklusive Deutschrap-Quartett! Darin verraten wir Euch die 30 weiteren besten Deutschrap-Platten. Nach und nach aber auch online.
- Die 40 besten Platten des Deutschrap – Teil 1
- Die 40 besten Platten des Deutschrap – Teil 2
- Die 40 besten Platten des Deutschrap – Teil 3
- Die 40 besten Platten des Deutschrap – Teil 4
Curse
Von innen nach außen (2001)
FEUERWASSER (2000) hatten wir alle gefeiert, der junge Mindener Rapper changierte darauf jedoch noch etwas zu unentschlossen zwischen unsicherem Prolltum und erwachseneren Ansätzen. Erst auf seinem zweiten Album schöpfte er sein Potenzial voll aus, weil er gemerkt hatte, dass seine Stärke in der Aufarbeitung von Themen seines Gefühlslebens liegt: Damit erfand Curse zehn Jahre vor Casper den Emo-Rap und prägte eine Generation von MCs. VON INNEN … lebte auch von den mächtigen Soul-Beats, die im Nas-Stil von den besten Producern Deutschlands (Iman, Busy, Roey Marquis II., Stieber Twins, PeerBee usw.) herangekarrt wurden. Der größte Moment in der Karriere von Curse und gleichzeitig der Anfang vom Ende einer Deutschrap-Ära: Nur zwei Jahre später wurden brachiale Synthie-Beats und düstere Hood-Stories zum neuen Standard, während der inhaltliche Entwurf von Curse belächelt wurde. Zu Unrecht. (Stephan Szillus)
https://www.youtube.com/watch?v=193CBQXE63g&list=PLsGdhgXd1Shqg4D6awCU7vn9GJRoPx5H_
Kool Savas
Der beste Tag meines Lebens (2002)
Nach postpubertärem Zwangsvulgarismus („LMS“), Selbstinitiation als Vorsteher der hiesigen HipHop-Szene („King of Rap“) und eindrucksvollem MTV-Mainstream-Einstand („Haus & Boot“) signte Kool Savas 2002 beim Sony-Rap-Sublabel Subword und veröffentlichte hiermit eines der beeindruckendsten (Solo-)Debütalben des Deutschrap. Beeindruckend, weil es so eigen und ehrgeizig daherkam. Die Raps: angriffslustig, aber nie aggressiv. Die Beats: weit abseits von zeitgeistigen Strömungen oder US-Soundvorbildern und von einer Frau, Savas’ damaliger Freundin Melbeatz, produziert. So pointiert, kraftvoll und hungrig wie während dieser 46 Minuten klang Kool Savas nie wieder. (Jan Wehn)
Bushido
Vom Bordstein bis zur Skyline (2003)
Rapper waren ab jetzt nicht mehr die Jungs in Baggyjeans, sondern hatten Picaldi-Jeans, Lederjacken und Boxerschnitt zu tragen. Und statt Joints lag der Koksbeutel auf dem Tisch. Das Aggro-Berlin-Debüt von Bushido markierte den Paradigmenwechsel. Musikalisch in Form von dumpfen Bässen, Synthies, Hydraulik-Drums und (vorläufig) ungeklärten Samples von Darkwave-Bands und aus Anime-Filmen. Andererseits textlich: Bushido berichtete aus der POV-Perspektive vom Dealerkrieg („Eine Kugel reicht“), stürmte die Major-Chefetage („Renn“), verband die Songs mit Hilfe von gefährlichen Gangster-Dialogen zu einer beeindruckenden Montage des Alltags im Berliner Großstadtdschungel. Deutscher Gangsterrap erobert den Mainstream. (Jan Wehn)
Manges
Regenzeit in der Wüste (2003)
Damals sprach die ganze deutsche Rap-Welt über Kool Savas, Aggro Berlin und Bushido, doch aus Darmstadt kam ein Tune auf Whitelabel-Vinyl, der mit seiner tiefergelegten Bassline über unsere Köpfe hinwegrollte. Manges, ein griechischstämmiger Rapper und Produzent, veröffentlichte noch im selben Jahr mit REGENZEIT IN DER WÜSTE eine Art Talent-Werkschau mit Demos, Songfragmenten, Beats, Skits und Interludes, die in der Summe tatsächlich so etwas ähnliches wie ein repräsentatives Debütalbum ergaben. Seine versetzte Delivery und sein hessischer Akzent waren auf Swag-Level außer Kontrolle und kamen ganz ohne Ghettoromantik oder Gangster-Attitüde aus. Leider konnte Manges nicht richtig nachlegen. (Stephan Szillus)
Sido
Maske (2004)
MASKE war ein Klassiker mit Ansage. Als Sidos Solodebüt im April 2004 über Aggro Berlin erschien, war nämlich zumindest der hiesigen Rap-Szene schon längst klar, was hier passieren sollte: Das Hype-Label der Stunde würde nach dem stilprägenden Bushido-Debüt die nächste umstrittene Deutschrap-Marke im Mainstream platzieren. Das programmatische „Mein Block“ lief schon ein gutes Quartal lang heiß, den rotzfrechen Kiffer aus dem Berliner Hochhausviertel liebte oder hasste jeder wegen seiner unverblümten Texte, seine Totenkopfmaske war Gegenstand zahlreicher Realness-Debatten. Mit MASKE wurde das Ganze auch außerhalb der HipHop-Blase ein Aufreger: Deutschland, hier haste das „super-intelligente Drogenopfer“ in seiner vollen Pracht, empöre dich! Die Reaktionen? Goldauszeichnung ohne Sellout-Reue, Indizierung wegen Drogenverherrlichung – und deutscher Rap kam ab da offiziell aus dem Ghetto. (Marc Leopoldseder)
Marsimoto
Halloziehnation (2006)
Eine Platte aus dem Nichts. Als Marteria seine Version des dauerdichten Fantasiewesens Quasimoto einführte, gab es im Deutschrap kaum noch eine Alternative zu den zahllosen Plagiatsplagiaten von Aggro Berlin. Marsimoto aber kam „vom Keller ganz nach oben wie Arthur Spooner“ und begründete eine neue Offenheit. Quäkende Heliumstimme. Textliche Referenzen vom letzten Bundesliga-Spieltag bis zum nächsten Rave-Exzess. Ein Sound zwischen UK Bass und Stolperbeats im Stil des Sample-Sonderlings Madlib. Nicht unbedingt der Stoff, aus dem Platin-Karrieren sind. Es folgte dennoch eine. Wunder, wie sie Marsis Alter Ego Marteria Jahre später besang, gibt es manchmal eben wirklich. (Davide Bortot)
Snaga & Pillath
Eine Frage der Ehre (2006)
Snaga & Pillath aus dem Ruhrgebiet machten mit ihrem zweiten Mixtape genau dort weiter, wo ihr über Moses Pelhams Label 3P veröffentlichtes DIE LINKE UND DIE RECHTE HAND GOTTES aufgehört hatte. Mit US-Rap-Instrumentals und ein paar an die Originale angelehnte Eigenproduktionen, jede Menge Mutterwitz, ignorante Amirap-Adaptionen, eine gehörige Portion Pott-Patriotismus, das Einführen von durch Regiolekt und Rapnerdismen gleichermaßen gespeiste Slangbegriffe und kraftvolle Punchlines a la „Mit mir ficken ist gefährlich wie bei Durchfall husten“. Ein Jahr später versuchten Snaga & Pillath sich auf ihrem Debütalbum AUS LIEBE ZUM SPIEL an mehr Ernsthaftigkeit und scheiterten kläglich. (Jan Wehn)
Huss & Hodn
Jetzt schämst du dich (2007)
Handbeschrifteter Rohling, Presseinfo auf Schreibblock-Ausriss: So trudelte damals das Debütalbum dieses Kölner HipHop-Duos in den HipHop-Redaktionen ein. Was Kurt Hustle (später Retrogott) hier auf staubig-jazzigen MPC-Loops von Hulk Hodn präsentierte, war eine eigensinnige Mischung aus Westberliner Battlerap-Attitüde, klassischem 90er-HipHop und einem Bildungsbürgervokabular, das den Huss-&-Hodn-Sound prophylaktisch von all dem Entertainment-Rap absetzte, der in den nächsten Jahren das Spiel definieren sollte. Das Album statuierte die Wackness dieser gerade erst aufkommenden Industrie schon mal in weiser Vorausahnung. Ein Untergrund-Klassiker. (Stephan Szillus)
K.I.Z.
Hahnenkampf (2007)
K.I.Z. sind heute Konsensrapper. Musikkritiker, Moneyboy, Mütter – es gibt niemanden, der Maxim, Nico, Tarek und Craft nicht liebt. Die letzten Jahre waren ein Homerun: HURRA DIE WELT GEHT UNTER ging auf eins, der 2014er-Splash-Auftritt war einer der besten der Festival-Geschichte und der Song „Adolf Hitler“ eine der größten Provokationen im BRD-Pop. Bis dahin war es ein weiter Weg und das Album HAHNENKAMPF der entscheidende Schritt: 2007 haben K.I.Z. deutschen Humor neu erfunden. Dank frisch eingezogener Metaebene machte Mutterficken jetzt allen Spaß. HAHNENKAMPF ist nicht nur das lustigste Werk der deutschen Rapgeschichte, es verfügt zudem über eine Hitdichte wie ein Best Of. (Ayke Süthoff)
Marteria
Zum Glück in die Zukunft (2010)
Jan Delay hat Marteria einmal den „Torch der neuen Generation“ genannt. Wenn das so stimmt (Ja, es stimmt!), dann ist ZUM GLÜCK … der Albumklassiker, für den Advanced Chemistry zu früh dran waren. Die zwölf Songs sind ultimativ persönlich und gleichzeitig repräsentativ für eine ganze Generation; von den Krauts nach allen Regeln des Pop ausproduziert, aber eigen und kantig wie der Polygonkopf, mit dem Marteria seine Bühne schmückte. Die Lebensgeschichte des Rostockers wird im Intro abgehandelt, danach führt er den Hörer durch das schillernde Paralleluniversum namens echtes Leben, mal verstrahlt, mal glasklar. Dazu: ein irrwitziger Part von Casper und ein Ritterschlag von Peter Fox. So perfekt. (Davide Bortot)
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Die 30 weiteren besten Deutschrap-Platten verraten wir Euch im Deutschrap-Special des neuen Musikexpress. Nach und nach aber auch online in vier Teilen: