Dicke Dollars


Vom illegalen Hilfsarbeiter zum Manager, der Millionen umsetzt — eine Karriere, wie sie auch heute noch nur in den USA vorstellbar ist. Für den 36jährigen Schweizer Charles Stettier, seines Zeichens FAT BOYS-Manager, ist die amerikanische Tellerwäscher-Legende über Nacht Wirklichkeit geworden.

Mit 20 kam er als abgerissener Ex-Fußballprofi in New York an (um gleich in seiner ersten Nacht in Central Park ausgeraubt zu werden, trotz der „Peace“- und „Fuck Nixon“-Aufkleber auf dem Rucksack). Sieben Jahre lang schlug er sich erst mal ohne offizielle Arbeitserlaubnis mit verschiedenen Gelegenheits-Jobs durch und machte schließlich rechtzeitig zum großen Rollschuh-Boom der 70er Jahre eine der erfolgreichsten Roller-Discos von New York auf.

Und dann kam der Glückstreffer: Bei einem von ihm veranstalteten Rap-und Breakdance-Wettbewerb entdeckte Charles Stettler drei beleibte Ghetto-Kids aus Brooklyn. Die benannte er kurzerhand von „Disco 3“ in „Fat Boys“ um und baute sie mit Witz und Einfallsreichtum zu einem der heißesten Acts der US-Rap-Szene auf.

Heute ist er ein gefragter Manager, Filmproduzent und Besitzer seines eigenen Platten-Labels, dessen Vertriebsrechte er für eine Millionensumme an eine Weltfirma verkaufen konnte. „It’s a great country!“, meint Schlitzohr Stettler mit einem breiten Grinsen über seine Wahlheimat Amerika.

Wer im hart umkämpften New Yorker Markt Karriere machen will, darf nicht zimperlich sein. „Ich bin ein guter Verkäufer“, lautet die Sclbsteinschätzung von Stettler, der einst höchstpersönlich in einem Gorilla-Kostüm durch Manhattan marschierte, um für seine erste ausgeklinkte Idee —- eine Tonbandcassette mit sechs Minuten New Yorker Straßenlärm -— die Werbetrommel zu rühren. Mit Erfolg: Rund 100.000 Tapes sollen über die Ladentische gegangen sein.

Für die Fat Boys heckte der findige Schweizer zunächst ein Preisausschreiben aus, bei dem die New Yorker das vereinte Gewicht der drei Rapper erraten sollten. Als Gewinn winkten 200 Dollar — und eine Dose Diät-Cola pro Pfund Lebendgewicht (woraufhin dem verdutzten Sieger, einem Teenager aus Harlem, eines Tages 758 Dosen vor die Wohnungstür gekarrt wurden).

In diesem Stil ging’s Schlag auf Schlag weiter. „Als in New York die große Michael Jackson-Manie herrschte, gab ich eine Presseerklärung heraus, daß die Fat Boys beim Konzert der Jacksons im Madison Square Garden als Vorgruppe auftreten würden. Zu meiner großen Überraschung wurden wir innerhalb von zwei Tagen zu zwei landesweiten Fernseh-Shows eingeladen! Erst weitere zwei Tage später erhielt ich ein Telegramm der Jacksons-Plattenfirma, in dem man mir unter Androhung rechtlicher Schritte mitteilte, ich müsse sofort mit diesem Unsinn aufhören. Schließlich war meine Ankündigung erstunken und erlogen …“

Kurz nach den beiden erschwindelten Fernsehauftritten konnten sich die Fat Boys auch in amerikanischen Konzerthalien vor einem Massenpublikum zeigen. Stettler schwatzte einer Schweizer Uhrenfirma einen 350.OOO Dollar-Werbeetat ab, trommelte neben seinen Fat Boys so angesagte Rapper wie Run-D.M.C. und Whodini zusammen und machte einem Tourneeveranstalter ein Angebot, das dieser nicht ausschlagen konnte: „Ich besorge dir einen mächtigen Sponsoren, und du setzt dafür in allen Städten die Fat-Boys für die Tourwerbung ein!“ Das Swatch-Watch Fresh-Fest war geboren — wieder ein Riesenerfolg.

Zwischenbilanz nach zwei Jahren Fat Boys: 2.5 Millionen verkaufte Schallplatten, eine Platin- und zwei Gold-LPs und ein Vertrag mit einem der Hollywood-Majors über drei Filme mit Stettiers Rap-Komikern. Keine schlechte Leistung für einen Business-Neuling, der vor drei Jahren noch nicht einmal die amerikanische Branchen-Bibel Billboard kannte.

Aber Stettier hat seine Lektionen schnell gelernt. Als die Fat-Boys-Single „Jail House Rap“ veröffentlicht wurde, lud er die New Yorker Presse zu einem Benefizauftritt seiner Jungs in einem Frauengefängnis ein. Die versammelten Schreiberlinge wurden in einen Gefangenentransporter verfrachtet und gleich zu Beginn der Fahrt an ihren Sitzen angekettet —- sie würden erst dann freigelassen, verkündete Reiseleiter Stettler, wenn sie versprächen, positive Stories über die Jail-House-Aktion zu verfassen.

„Vielleicht denke ich mir auch bei Laura Hunter am Anfang ein paar ,crazy things‘ aus, aber dann will ich mich erst mal zurücklehnen. Das hoffe ich jedenfalls —- aber vielleicht läuft es ja auch wieder ganz anders!“