Der Rechtfertiger


Sagt James Mercer nicht, dass er auf dem Boden bleiben soll! Da achten er und The Shins schon selbst drauf. Wie nur was.

James Mercer, er ist der Sänger, Songschreiber und Kopf der Band The Shins aus Albuquerque, ist ein freundlicher, etwas schüchterner Mann. Seine größte Angst, so stellt sich im Gespräch heraus, ist es offenbar, den gesunden Blick auf sich selbstzu verlieren. „Es ist seltsam, wiesehr sich Dinge verändern, wenn man Erfolg hat. „Dieser Satz klingt eher wie ein laut ausgesprochener Gedanke denn wie ein zur Diskussion gestelltes Statement. „Mirfällt auf, dass einige meiner Freunde geradezu überkritisch sind, weil sie sich dafür verantwortlich fühlen, dafür zu sorgen, dass ich nicht abhebe.“ Er lächelt, ein bisschen traurig. „Ich glaube nicht, dass ich durch den kommerziellen Erfolg plötzlich zum Arschloch mutiere. Doch es ist nett von ihnen, sich überhaupt Gedanken zu machen. Ich kann nur damit manchmal nicht adäquat umgehen.“

chutes too Narrow, das Vorgängeralbum der Shins von 2003, verkaufte mehr, als die Band je erwartet hätte. Und durch die Fernsehserie „O.C. California“, in der Shins-Songs zu den Soundtrack-Basics gehören, stiegen auch die Verkäufe des Vorgängers OH, IN verted WORLD (2002) im Nachhinein beachtlich. Nun kommt mit W1NC1NG THE NIGHT AWAY das dritte Album, und alle Zeichen stehen auf Sieg. Vielseitig und verspielt ist das neue Werk, Indiepop mit Mut zur gToßen kleinen Geste.

„Sea Legs“, der wohl schönste Song der Platte, bietetso viel Abwechslung und Detailreichtum, dass andere daraus mindestens drei Stücke machen wurden. Mercer ist mit Recht zufrieden. „Bei diesem Song stelle ich mir gerne vor, dass er vielleicht irgendwann in Europa in einem schwulen Klub gespielt wird. Für reguläre Indieklubs hat er zu wenig Hitpotenzial. Aber es ist schön, sich auszumalen, dass irgendwo auf der Welt Menschen dazu tanzen könnten.“

Wie er da SO redet … James Mercer wird wohl nie seinen sehr romantischen Bezug zur Popmusik verlieren, auch wenn das Musikmachen für ihn inzwischen ein professioneller Job geworden ist. „Ach, natürlich muss man sich Gedanken um das Geschäftliche machen „, sagt er und seuzft. „Wenn man Songs für Filme, Serien oder Werbung freigibt, hat man ja fast automatisch ein schlechtes Gewissen. Ichfinde jedoch, dass, solange der Film, die Serie, das Produkt okay ist, nichts dagegen einzuwenden ist.“

Er rechtfertigt sich. Immer wieder. Automatisch. Mercer ist es gewohnt, sich schon im Vorfeld zu entschuldigen. Er wirkt trotz seiner Schüchternheit keineswegs unsicher, er denkt nur laufend drei Schritte voraus. „Ich habe offenbar generell ein großes Bedürfnis, michpermanentzu erklären.“ Und dann lächelt er, er lächelt seine nächste Entschuldigung.

Die Musik ist ihm allerdings eine große Hilfe, sich der Welt zu erklären. „VieleSongs auf dem neuen Album handeln von den Dingen, die m ir in den Monaten zuvor passiert sind“, erklärt eT. „Und ich kann sagen: Das war eine verdammt beschissene Zeit. Wenn ich Songs darüberschreibe, kann ich meine Gefühle allerdings in Metaphern paejeen. Das ist eine Möglichkeit, mich mitzuteilen, ohneallzu viel von mir preiszugeben.“

Alle Strategien, sich selbst durch Reflexion und Selbstüberwachung auf dem Boden und dort möglichst in Sicherheit zu halten, haben jedoch ihre Grenzen. Du brauchst andere Menschen. Bei denen du dich gut aufgehoben und verstanden fühlst. Für James Mercer ist so jemand Isaac Brock, Kopf von Modest Mouse, auf deren neuem, im März erscheinendem Album er drei Songs mit seiner Stimme veredelt. „Isaac kennt den ganzen Zirkus allzu gut“, sagt Mercer. „Er versteht mich, ohne dass ich viel erklären muss. Außerdem ist Isaac vielpragmatischeralsich, wasmich manchmal sehr beruhigt. Ich wohnte beispielsweise in einer ziemlich üblen Gegend. In derWohnung neben meiner wurde im großen Stil Crack verkauft. Als der Drogenring hochgenommen wurde, verdächtigten die Leute mich, sie angezeigt zu haben. Meine Freundin und ich hatten Angst um unser Leben. Wir konnten bei Isaac und seiner Freundin bleiben, bis wir etwas Neues gefunden hatten.“

Wenn eine solche Freundschaft auch noch zur kreativen Befruchtung beiträgt – perfekt!

„Ich weiß, dass die Shins ohne Modest Mouse nicht da wären, wo sie jetzt sind.“ Zudem ihnen Brock damals den Sub-Pop-Deal eingefädelt hatte. Doch Mercer weiß auch, dass er selbst ein gutes Stück des Weges allein zurückgelegt hat.

„Klar, hätten wir schlechte Musik gemacht, hätte Isaac uns noch so superfinden können. Die Leute beiSub Pop sind ja auch nicht blöd.“

Ist hier noch Platz für eine Moral von der Geschichte? Sie ist auch nur kurz – und geht so: Wir alle brauchen Freunde! Und wenn die gerade nicht da sind, tut es ab und zu auch ein Lied wie „Sleeping Lessons“. Das hat jemand getextet, der weiß, wie schwierig es manchmal ist, einfach nur einzuschlafen. James Mercer hat das getan. Es ist ein Song, der einem gibt, wonach Menschen wie du und ich und er verlangen – das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. »www.theshins.com —