Der Patriarch
WESTMINSTER IST EINES JENER LONDONER VIERTEL, WO ZWISCHEN ehrwürdigen Backstein-Straßenzügen noch Perlen behangene alte Damen im Fond von Rolls Royces herumkutschiert werden. Hier, am Portman Square, steht das Home House. Kein Schild weist das alte Gebäude als noblen PrivatcJub aus, als das Brokat bestücke, Vorhang verhängte, Samt gepolsterte Labyrinth aus Rauch- stuben, Bars, Kaminzimmern und Suiten, das sich hinter der unscheinbaren Ein- gangstür auftut. Hier hält er also Hof, David Gilmour, Gitarrist und seit dem Zerwürfnis mit Roger Waters patriarchalischer Vorstand des Llntemehmens Pink Floyd. Später wird Gilmour sagen, dass er kein Mitglied im Home House ist, hier noch nie war. Der Pressetag ist ein Arrangement der Plattenfirma. Aber es passt
Seit 15 Jahren Ihr Ansprechpartner in Floyd-Fragen:
einfach zu schön zu dem gesetzten Country Gentleman, der da dem Taxi entsteigt, die Aktentasche unterm Arm. So, stellt man sich vor, tritt Lord Grundbesitzer auf, wenn ihn mal wieder eine Sitzung im Oberhaus vom Landsitz in die Hauptstadt fuhrt. Wenn einem Gilmour dann in all seiner Massigkeit gegenüber sitzt – legeres, doch nicht nachlässiges Tweed-Jackett über Strickpullover über ansehnlichem Wohlstandsbauch -, fällt die Vorstellung schwer, es hier mit einem Rockmusiker zu tun zu haben. So gar nichts Berufsjugendliches haftet diesem Herren an, der zwar entschlosMr. Gilmour, warum gerade jetzt eine Live-Version von „The Wall“?
Nun, anfangs, als wir „The Wall“ rausbrachten, wollten wir nicht sofort eine Live-Version nachschieben. Dann kam das nächste Album, und Roger stieg aus. Dazwischen war also viel Zeit, und wir haben es irgendwie vergessen. Wir hatten da nicht wirklich einen Plan. Es stand im Raum, und jetzt scheint ein guter Zeitpunkt, das Album herauszubringen.
Wer hatte die Idee?
Ich kann mich nicht erinnern. Ich glaube, wir kamen darauf, als wir Material mit den Leuten durchsahen, die sich um den Pompeji-Film kümmern, den wir auf DVD veröffentlichen wollen. Der „WaH“-Filrn selbst kommt auch auf DVD heraus.
Gibt es eine Filmaufnahme der „Wall -Show?
Die Show wurde gefilmt, der Film hat aber keine sehr gute Qualität, weil das Licht nicht richtig war. Ob es möglich ist, da etwas mit digitaler Nachbehandlung zu machen, weiß ich jetzt noch nicht. Das ist eine Sache der Zukunft. Es gab da Streitereien zwischen den Filmleuten und unserem Beleuchter, der die Show nicht dadurch verderben wollte, dass er sie zu hell ausleuchtete. Die brauchten aber mehr Licht für ihre Videokameras. Ich glaube, da wurden einige falsche Entscheidungen getroffen. Die Show hätte richtig gefilmt werden sollen, mit richtigen Filmkameras, nicht mit Videokameras, weil die damals noch viel mehr Licht brauchten. Das haben wir in den Sand gesetzt.
Haben Sie von Roger Waters‘ Plänen gehört, ein Musical aus „The Wall“ zu machen?
Ich habe davon gehört, daß e, eine Art Broadway-Produktion daraus machen will. Mehr weiß ich darüber gar nicht… Broadway-Musicals sind auch nicht wirklich mein Ding.
In einem Interview sagten sie kürzlich auf die Frage nach Streitereien zwischen Ihnen und Roger Waters, es sei nie zu Handgreiflichkeiten gekommen, aber Sie beide seien nahe dran gewesen. Das lässt ja Übles vermuten. Immer wieder liest und hört man die schrecklichsten Geschichten über diese Zeit und die Arbeit an „The Wall“…
Die Arbeit an „The Wall war nicht schrecklich. Wir hatten Meinungsverschiedenheiten über künstlerische Entscheidungen bei „The Wall“. Und einige von diesen Meinungsverschiedenheiten wurden ziemlich hitzig. Aber keine Rede von Schlägereien. Wir hatten ein gutes Arbeitsverhältnis. Und unser gutes Arbeitsverhältnis blieb die Arbeit an „The Wall“ über bestehen. Wir hatten ein, zwei… ziemlich massive Auseinandersetzungen. Aber das würde ich als normal ansehen. Absolut normal: Ich habe diese Ansicht, er hat jene, fr will das Beste für das Album, ich will das Beste für das Album. Aber wir sind uns nicht darüber einig, was das ist. Das ist normal. Der Vorfall, den ich da ansprach – mehr im Scherz – über diese Angelegenheit mit der Prügelei, ereignete sich während der Arbeit an „The Final Cut“. Bei der Arbeit an „The Final Cut“ erreichten wir einen Punkt, wo man nicht mehr von einem guten Arbeitsverhältnis sprechen konnte. Wir hatten überhaupt kein Arbeitsverhältnis mehr. Roger wollte alles exakt nach seinen Vorstellungen machen. Und ich war nicht der Ansicht, dass das eine gute Voraussetzung für die Arbeit an einer Pink Floyd-Platte sei. Und da gab es in der Tat ein Meeting, wo ich ihn am liebsten geschlagen hätte.Abereskam nicht dazu. Während der Arbeit am „The WaH“-Film war es häufig zu wirklich heftigen Auseinandersetzungen gekommen; er bestand auf einer Sache und ich – im Interesse von uns anderen – auf etwas anderem. Das hatte unser Verhältnis so vergiftet, dass die Arbeit an „The Final Cut“ nahezu unmöglich war. Das war dann auch in etwa die Periode der Auflösung. Und letztendlich ging Roger.
Das war Ihr Verhältnis zu Roger Waters. Die anderen zwei – Rick Wright und Nick Mason – müssen eine ziemlich schlechte Zeit verlebt haben.
Wir alle hatten schwierige Phasen. Als wir The Wall machten, arbeitete Nick sehr gut und sehr hart mit Bob Ezrin. Es gab einen Riesenhaufen Arbeit für ihn, verschiedene Drum-Techniken, währenddessen lernte er auch noch, Noten zu lesen. Ich denke, Nick kam mit der ganzen Sache dann auch sehr gut zurecht. Rick kam nicht sehr gut zurecht. Er unternahm auch keine großen Anstrengungen. Er hatte private Probleme, machte eine schwierige Periode durch, und er und Roger gingen sich ständig an die Gurgel. Das war zum Teil Ricks eigene Schuld. Und zum Teil war es Rogers Drang, der Boss zu sein, das Alpha-Tier, wenn Sie so wollen. Niemand ist perfekt. Er ist ganz bestimmt nicht perfekt. Und machmal weiß auch er nicht, was das Beste ist. Aber er ist sich immer absolut sicher, dass er es doch tut.
Roger Waters ist der Ansicht, Sie und der Rest der Band waren nicht in der Lage oder willens, allzu viel zu „The Wall“ beizutragen. Wie hoch würden Sie Ihren Beitrag einschätzen?
Nun, wissen Sie, Ich war Produzent bei „The Wall“. Ich war Musiker auf „The Wall“. Ich habe zwei der besten Tracks auf „The Wall“ geschrieben. Während der 70er habe ich meine Rolle bei Pink Floyd nicht darin gesehen, mich groß über Rogers Texte zu äußern, die Ideen und Inhalte, die er vermitteln wollte. Und ich habe mit ihm auch nicht viel über den lyrischen Gehalt von“TheWall“diskutiert.
I Ich sehe meine Rolle darin, mich um die Musik zu kümmern. Meine Arbeit als Produzent und meine kompositorischen Beiträge sind meines Erachtens essenziell für „The Wall“. Das Album, wie man es kennt, ist auch überhaupt kein Vergleich zu den Demos, die Roger gemacht hatte. Es ist hundertmal besser. Und das wäre es nicht ohne meinen Beitrag – so einfach ist das (lächelt süffisant). Aber wir hatten verschiedene Ansichten. Ansichten. Ändern sich. Über die Jahre. Rogers Ansicht hat sich über die Jahre insofern verändert, dass er jetzt denkt, ich hätte keinen Beitrag geleistet. Damals, am Ende der Arbeit an „The Wall“, sagte er noch zu mir, dass wir immer zusammenarbeiten sollten. Dazu kam’s dann zwar nicht… (zuckt lächelnd die Schultern) aber er sagte: „Du und ich, wir sind ein tolles Team. Wir sollten immer zusammenarbeiten.“
Wann war das?
So im Juli ’79-Als wir mit dem mit Großteil der Aufnahmen in Frankreich fertig waren.
Was, glauben Sie, hat die Ansichten von Waters derart geändert?
Verschiedene Dinge, die sich während der Produktion des „The WaN“-Filmes und in der Folge davon zutrugen. Ich glaube nicht, dass es irgendetwas während der Produktion des „The WaH“-Albums war. Die historischen Perspektiven von Leuten verändern sich.
Wie spielt man Konzerte mit solchen Spannungen in der Band?
Ich versuchte die ganze Zeit, Ihnen klarzumachen, dass die Spannungen in der Band während der Aufnahmen zu“TheWaH“und während der Tour nicht so schlimm waren. Das waren normale Spannungen, wie sie entstehen, wenn Leute zusammen arbeiten. Gut: Roger hatte sich denkbar heftig mit Rick zerstritten. Er hatte Rick gezwungen, aus
der Band auszusteigen. Und Rick war zurückgekommen, um bei den „Wall -Shows mitzuspielen. Aber das war Rick. Ganz speziell. Es war sehr, sehr schwierig für Rick, aber ich glaube, er wurde irgendwie damit fertig. Ich meine, er hatte die Situation auch zum großen Teil selbst zu verantworten… Aber wir arbeiteten damals immer noch zusammen, für das Wohl dieses Projektes „Thi Wall“. Der Punkt, an dem es unmöglich wurde, zusammen zu arbeiten, war irgendwann während der Arbeit am Film erreicht.
Dann kam „The Final Cut und im Dezember 85 verließ Roger die Band. Sie waren damals nicht in Kontakt. Wie ging der Ausstieg vonstatten? Rief er an, „ich bin draußen?“
Nein. Er rief uns nicht an und sagte auch sonst niemandem etwas. Er schickte einen Brief an die Plattenfirma, der besagte, er sei kein Mitglied von Pink Floyd mehr und würde nicht mehr mit Pink Floyd aufnehmen. Wir erfuhren es dann von der Firma, nicht von ihm. Aber uns war schon klar, dass so etwas kommen würde. Er hatte seit zwei oder drei Jahren, seit „The Final Cut, versucht uns zum Aufhören zu überreden. Er sagte „lasst uns die Sache an den Nagel hängen und getrennte Wege gehen“. Und wir sagten „nein, Wir wollen nicht. Vielen Dank“, (lacht) Es heißt immer, Roger Waters habe die Band aufgelost…
Hat er nicht! Kann er ja gar nicht. Er ging. Wie… wie… (leicht erregt) wie kann man eine Band auflösen? Eine Band ist eine Band! Da kann nicht einer sagen:
„Ihr seid aufgelöst. Ich bin ‚raus.“ So funktioniert das nicht, nicht im wirklichen Leben. Das ist die Legende, die Roger gern verbreitet. Er hätte gern, dass es so gewesen wäre. Er wollte, dass wir aufhören, aber ich habe immer gesagt: Nein, das tun wir nicht.
Ich mache weiter, mit oder ohne dich.
Wie war Ihre Reaktion auf Rogers Weggang?
Es war eine Erleichterung. Weil das bedeutete, dass das Leben klarer wurde. Wenn er nicht ausgestiegen wäre, wäre es schwierig geworden, weil es dann unmöglich gewesen wäre, ein neues Projekt anzugehen, zu sagen: Lasst uns was ausprobieren! Lasst uns ins Studio gehen. Wenn Roger sagt „Nein, ich komme nicht, aber ich steige auch nicht aus der Band aus“, dann macht das alles sehr schwierig. Jetzt konnten wir uns hinsetzen, diskutieren: Sollen wir etwas machen? – Wie machen wir es? – Lasst es uns so machen! Klare Verhältnisse. Rogers Ausstieg erlaubte uns, uns vorwärts zu bewegen.
Könnten Sie sich vorstellen, je wieder mit Waters zu arbeiten?
Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.
Wenn er reinkäme und sagte „Lass uns das alles begraben und was Neues machen ?
Nun, das Problem ist, dass Sie sagen „wenn er reinkäme und sagte’Wie wär’s?'“. Mein Verstand erlaubt mir diese Vorstellung nicht. Das wird einfach nicht passieren. Ich kann mich nicht in diese hypothetische Situation hineinversetzen.
Schon gut. Ich habe so eine Antwort erwartet.
Als wir 94″Dark Side Of The Moon im Earls Court gespielt haben, haben wir Roger gefragt, ob er Lust hätte, an einem der Abende mitzuspielen. Ich dachte, das könnte Spaß machen, wenn er käme und mitspielen würde.
Haben Sie wirklich erwartet, er wurde das machen?
Ich habe erwartet, dass er nein sagt und er sagte nein. Ziemlich normal. Aber da hätte er nur zu ein paar Proben kommen müssen,es hätte nicht erfordert, dass man sich allzu sehr nahe kommt. Er hätte nicht mal mit einem von uns reden müssen. Aber das ist eine Sache. Richtig zusammen zu arbeiten, an einer Platte, ist eine andere. Das könnte ich mir nicht mehr vorstellen.
Rick Wnght war bei einer von Waters Shows in Amerika und hat ihn getroffen. Wie steht’s da mit ihnen?
Wenn er in London spielen würde, würde ich mir das wohl anschauen. Gern sogar.ja. Er ist ein talentierter Mann. Ein intelligenter, talentierter Mann. Ich würde gern seine Show sehen. Aber…ich bin mir nicht sicher, ob ich backstage gehen würde. Mich von Roger beschimpfen zu lassen, hat für mich nichts Spaßiges an sich.
Sie glauben, er würde Sie beschimpfen?
Nun, er hat Rick beschimpft.
Hat er?
Nach allem, was ich gehört habe…
Ich habe gehört, es sei sehr formell und freundlich abgelaufen.
(hebt erstaunt-amüsiert die Augenbrauen) Ah, wirklich. Soso. Nun ich… ich war nicht dabei. (räuspert sich gekünstelt) Formell: ja, freundlich: nein. Das habe ich gehört. Ich weiß nicht.
War es schwer, plötzlich der Kopf einer Band zu sein, für die nicht wenige Menschen eine geradezu religiöse Verehrung hegen, diese Leute zufrieden zu stellen?
Es ist nicht mein Job, andere Leute zufrieden zu stellen. Es ist nicht mein Job, anderer Leute religiösen Eifer im Bezug auf Pink Floyd zu befriedigen. Pink Floyd existiert nicht, das ist nur ein Name, ein Arbeitstitel. Ein Schirm. Einige von uns haben viele Jahre daran gearbeitet. Aber ich habe keinen religiösen Respekt dafür übrig. Ich weiß, dass ich ein guter Musiker bin, das reicht mir. Ja, die Vorstellung, weiterzumachen, war schwierig. Ich wusste, da würde viel Arbeit auf uns zukommen, dass es hart würde. Während der Arbeit an „A Momentary Lapse Of Reason“ hatte ich natürlich die ganze Zeit über die Option, zu sagen: Ich mache das nicht unter Pink Floyd, ich lasse es unter David Gilmour laufen. Aber ich wollte das nicht. Wir arbeiteten sehr hart an einigen Stücken, die ich geschrieben hatte. Und dann kam ein Punkt-ich glaube es war um Weihnachten 1986-wo mir klarwurde, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Und ich hörte auf, mir Sorgen zu machen.
Roger Waters sagt, David Gilmour verkauft den Leuten ein nostalgisches Pink Floyd-Gefühl.
(lange Pause) Ich weiß nicht, was das heißen soll, wissen Sie… (leicht angesäuert) Überhaupt nicht. Bei der ’87er-Tour hatten wir ein neues Album und… wieviele auch immer… ein Dutzend schöner alter Pink Floyd-Alben, mit denen wir arbeiten konnten. Wir haben fast das ganze „A Momentary Lapse Of Reason“-Album gespielt. Und einige alte Pink Floyd-Songs, unsere liebsten. Wir konnten keine Pink Floyd-Show konzipieren, wie wir sie früher gemacht hätten. Damals spielten wir ein Pink Floyd-Album in der ersten und ein zweites Pink Floyd-Album in der zweiten Hälfte der Show. Das war damals normal. Das letzte Mal, dass wir eine Show dieser Art gespielt hatten, war 1977, zu „Animals“. Jetzt war 1987! Wir wollten nicht mit einer altmodischen Show touren, also war diese Art von wenn man es denn so nennen möchte-„Best Of Pink Floyd“-Show die einzige Option, die uns blieb, die uns sinnvoll erschien. Und diese alten Songs waren genausoviel meine Arbeit wie die von irgendjemand sonst.
Glauben Sie, eine bestimmte Gruppe von Fans verloren zu haben?
Oh, ziemlich sicher, ja.
Und bedauern sie das?
Ja, natürlich, das bedauere ich. Man geht durchs Leben, und manche Dinge verändern sich. Und dann gibt es da Leute, die Vorbehalte gegenüber jeder Art von Veränderung haben. Dass Roger die Band verließ, war natürlich eine Veränderung, eine nicht zu unterschätzende. Roger ist ein intelligenter, talentierter Mann, und es war eine Schande, ihn zu verlieren. Aber es war seine Entscheidung, nicht meine. Darüber hatte ich keine Kontrolle. Wenn es Leute gibt, die unsere Platten nicht kaufen und nicht zu unseren Konzerten kommen, weil Roger nicht mehr dabei ist… das ist schon in Ordnung. Niemand ist gezwungen, uns zu mögen, irgendetwas von unseren Sachen zu kaufen. Es macht uns Spaß, Musik zu machen.es macht uns Spaß, rauszugehen und zu spielen, und wenn Leute sich das gern anschauen, dann ist das großartig! Der Rest…wissen Sie…hey!, schaut Euch eine Show von Roger an. Oder Genesis oder Bob Dylan. Wen sie auch immer sehen wollen. Wir leben in einer freien Welt.
Was ist Ihrer Meinung nach die Essenz von Pink Floyd?
Es gibt eine bestimmte Art von Pink Floyd-Sound,… hmm… entstanden aus dem ästhetischen Gefühl und den Fähigkeiten einer Gruppe von Leuten. Welches Element dieser Gruppe nun weggefallen ist… (überlegt) …nun: das meiste von dem Sound ist geblieben. Auf den frühen Pink Floyd-Alben setzte sich der Pink Floyd-Sound vor allem aus den Gitarren und den Keyboards zusammen. Der Sound der Bassgitarre macht nicht soo einen großen Unterschied, wissen Sie… (grient) Sie ist nicht der fundamentale Bestandteil des Sounds. Und die Stimme ist ein entscheidendes Element. Nun, ich habe so gut wie alles auf den alten Pink Floyd-Platten gesungen, abgesehen von „Animals“ und „The Wall“ praktisch alles. Also ist da kein Unterschied in der Stimme, weil das immernoch ich bin. Und diese Gitarre, das bin auch immer noch ich, Rick spielt immer noch Keyboards und… nun, in seiner Substanz ist der Sound von Pink Floyd der Alte geblieben.
Gibt es Songs, die Sie aufgrund rechtlicher Arrangements nicht spielen dürfen? Was ist zum Beispiel mit dem „Animals“-Material?
Nein, darüber gibt es keine rechtliche Regelung. Wir haben irgendeine Abmachung unterschrieben, dass wir nicht mehr als drei oder vier Songs von „The Wall“ spielen würden. Und wir versprachen, wir würden keine „Wall“-Show spielen. Was ziemlich vernünftig ist. Ich will gar keine Wall-Show spielen. Ich weiß nicht, warum wir nie etwas von „Animals“ gespielt haben, außer vielleicht, dass ich „Sheep“ eher als einen Roger-Song sehe, „Pigs“ nicht besonders mag und „Dogs“einfach zu lang ist. Wir haben einmal eine gekürzte Version davon versucht. Aber der Song funktioniert nur so, wie er ist, und er ist nunmal über 20 Minuten lang… Er passte einfach nicht zu dem, was wir vorhatten.
Wie steht’s mit der Musik? Zuletzt haben Sie auf Paul McCartneys , Rock’n’Roll-Album gespielt.
Ich sitze zu Hause und spiele jeden Tag Musik, dudle einfach rum, auf Klavier, Gitarre, was auch immer. Und wenn ich finde, dass etwas von dem, was ich da spiele.gut und interessant klingt.dann nehme ich es auf einem kleinen Tape-Rekorder auf. Irgendwann werde ich wohl anfangen, mir alle diese kleinen Stücke Musik, die ich da habe, anzuhören und versuchen, etwas aus ihnen zu machen. Und das wird dann eine Platte. Eines Tages. Ich habe da keine Eile. Es gibt keine Pläne irgendwelcher Art. Definitiv nicht.
Sind Sie in Kontakt mit Nick und Rick?
Nein, nicht wirklich. Rick ist auf seinem Boot irgendwo im Atlantik unterwegs, glaube ich. Ich habe Rick schon lange nicht mehr gesehen.
Was ist ihr Lieblingsalbum von Pink Floyd?
Ich sage immer „Wish You Were here“. Irgendwie ist es auch „Meddle“.“Dark Side‘ ist toll. Und in gewisser Hinsicht ist „The Division Bell“ mein Lieblingsalbum.
Weil Sie sich damit letztendhch emanzipiert haben?
Nun.die ganze Sache, nachdem Roger ausgestiegen war, die rechtlichen Querelen,die Anwälte und die Depression, in der Rick und Nick in gewisser Weise steckten, machte die Arbeit an „A Momentary Lapse Of Reason“ sehr schwierig. All dieses Zeug war nur noch vage in Erinnerung, wie ein schlechter Traum, als wir uns an die Aufnahmen zu „The Division Bell“ machten. Die ersten Sessions, bei der Nick, Rick und ich einfach zusammen gejammt haben, waren toll. Wir funktionierten wieder als die Band, die wir vor Jahren mal waren. Die Rough-Demos von diesem Album klingen super. Sie klingen wie Pink Floyd.
Wird es irgendwann eine Art „Anthology“ mit unveröffentlichtem Material geben?
Wir haben nicht viele Outtakes. Wir haben da eine andere Arbeitsweise.
Aber gäbe es da nicht Aufnahmen von früheren Tourneen, die zu veröffentlichen interessanter gewesen wären? Ich meine, jeder weiß, wie „The Wall“ klingt…
Ja. Aber die Live-Version ist anders. Großartig. Wirklich gut. Aber es gibt andere Aufnahmen. Ich weiß nicht, wie gut die sind. Es gibt komplette Mehrspur-Mitschnitte von ganzen Shows, die wir neu abmischen und ziemlich gut hinkriegen könnten. Es gibt ein oder zwei Live-Mitschnitte von „Dark Side Of The Moon“, damals vor Ort abgemischt.
Sie haben in den 7oern neue Songs live getestet und entwickelt.
Da müssen Sie sich die ßootlegs besorgen. Wir haben davon keine anständigen Aufnahmen. Wir hatten immer diesen vielleicht überperfektionistischen Grundsatz, dass wir nichts veröffentlichen wollten, das nicht genau unseren Vorstellungen entsprach.
Bei den letzten Tourneen hatte man des Gefühl, es tummelten sich immer mehr Leute auf der Pink Floyd-Bühne, das ganze würde immer überladener. Haben sie mal daran gedacht, das wieder zu reduzieren? Als eine Art Experiment?
Wir hatten einen Perkussionisten, einen zweiten Gitarristen, einen zweiten Keyboarder, einen Saxophonisten und Background-Sänger Das ist nicht soviel. Ich singe heutzutage auch mehr als früher. Und da sind all diese komplizierten Gitarrenparts-das ist verdammt schwierig. Wenn ich da den einen oder anderen Teil davon an einen zweiten Gitarristen abgegen und mich aufs Singen konzentrieren kann, ist das nur vorteilhaft. Aber ja: Auf der letzten Tournee haben wir zum Beispiel „Astronomy Domine“ nur zu viert gespielt. Der zweite Keyboarder spielte die Stimmen- und Geräusch-Samples zu, die früher von einem Tape kamen, ansonsten waren das nur wir vier. Und es war toll. Später haben wir das selbe auch ein paarmal bei“ShineOn You Crazy Diamond“gemacht -und das hat auch Spaß gemacht. Vielleicht wäre das wirklich einen Versuch wert, wieder mehr so zu arbeiten. Aber auf jeden Fall hieße das mehr Arbeit. Und einige Dinge leiden darunter.
Hören Sie sich noch aktuelle Rockmusik an?
Nein. Nicht viel. Ich mochte die Lemonheads recht gern, aber die scheinen verschwunden zu sein. Gestern Abend habe ich Travis gesehen. Die waren ganz nett. Nette Songs.
Also gehen Sie auf Konzerte?
Nein, ich habe gestern mit Paul McCartney einen TV-Gig gespielt, sie spielten nebenan.
Ähem… (der Interviewer zieht, den obligaten Autogramm wunsch äußernd, einen Packen Pink Floyd-LP-Hüllen aus der Tasche. Auf allen prangt schon Roger Waters‘ Unterschrift, nur nicht auf,^ Momentary Lapse Of Reason“) (grient) Ich frage mich ja, warum Roger die hier nicht unterschrieben hat…
Mit Verlaub – ich habe sie ihm nicht gegeben.
Ha! Sie haben sich nicht getraut!