Der Dandy gibt den Cat Stevens
Jean-Benoit Dunckel von Air nennt sich solo Darkel, verläuft sich aber leider nicht in der Dunkelheit.
Jean-Benoit Dunckel glaubt an sein Publikum. Oder genauer: Er macht sich davon abhängig, ob sein Publikum an ihn glaubt. Die Frage an die eine Hälfte von Air, ob er nach seinem in diesen Tagen erscheinenden Solodebüt darkel auch in Zukunft solo arbeiten wird, beantwortet er zurückhaltend: „Das hängt von den Reaktionen auf die Platte ab. Schließlich ist es das Publikum, das einen zum Künstler macht.“ Einmal mussten sich Dunckel und sein Partner Nicolas Godin dieses Publikum auch schon zurückerobern. Mit dem letzten Air-Album TALKIEWALKIE versöhnten sie vor rund zwei Jahren jene, die sie mit dem Vorgänger 10.000 HZ legend (2001) vor den Kopf gestoßen hatten.
10.000 HZ legend war düstere Heroinmusik gewesen, die an manchen Stellen nach Prog-Rock klang. Damals erklärten Dunckel und Godin, das sei eben Musik erwachsener Männer. Doch Air werden für die Leichtigkeit geschätzt, die ihr Name verspricht.
So dockten die beiden mit der nächsten Platte wieder beim sphärisch-melancholischen Pop ihres Erfolgsdebüts MOON SAFARI an. Eigentlich zweitrangig, ob die Rückkehr zum Wohlklang Verkaufsstrategie war oder aus der Einsicht resultierte, dass man als bekennender Dandy eben vor allem für die schönen Dinge zuständig ist. TALKIE WALKIE war ein hübsches, verspieltes Album, mit genug Doppelbödigkeit, dass man es auch ein fünftes oder zehntes Mal hören wollte.
Auch als Darkel will sich Jean-Benoit Dunckel auf Kernkompetenzen konzentrieren. Ziel sei, die Songs „einfach zu halten , die „Pop-Essenz ‚herauszuarbeiten. Leider hat Dunckel die Schraube zu weit zurückgedreht – und klingt wie ein eher lauer Abklatsch seines Hauptprojekts. Die latente Abgründigkeit von Air fehlt Darkel. Düster, wie Dunckels Pseudonym suggeriert, ist an seiner Musik nichts, zu dem Namen ließ er sich aber tatsächlich von der deutschen Bedeutung seines Nachnamens inspirieren. Dass die Arbeit an der Platte eine nächtliche Angelegenheit gewesen sein soll, merkt man nicht. Eher klingen die Songs nach frühem Morgen. „Some Men“ etwa ist ein Synthie-Gospel, leider ohne Schwung. So könnte Cat Stevens in den ooer Jahren klingen. „Pearl“ geht in eine ähnliche Richtung – der dahinplätschernde Soundtrack zu einem Familiendrama, in dem vor dem Abspann alle Konflikte zugekleistert werden. Schnellere Stücke wie „My Own Sun“, „Beauriful Women“ und das zappelige „TV Desrxoy“ funktionieren besser. Wenigstens ist das Pop.
Was Dunckel an seiner Soloarbeit am meisten befriedigt hat: einen Ausdruck für seine Ideen über ,.Religion, Gott und das Leben im Allgemeinen „zu suchen und sich mit niemanden abzustimmen. Der Impuls ist nachvollziehbar, schließlich herrscht Hochbetrieb im Hause Air. Neben der Arbeit am neuen Album – es soll Anfang 2007 erscheinen, „orientalisch“ klingen und mit verschiedenen Gastauftritten aufwarten, über die Dunckel noch nichts sagen darf- schrieb er mit Godin Songs und Texte für Charlotte Gainsbourgs Album 5:55. „5.55 ist der Zeitpunkt in einer schlaflosen Nacht, an dem man weiß, dass man nicht mehr schlafen wird. Charlotte und ich kennen dieses Problem.“
Ihr Debütalbum hatte die Tochter von Serge Gainsbourg und Jane Birkin bereits vor 20 Jahren veröffentlicht, mit 16. Zwischenzeitlich mehrte sie ihren Ruhm als Schauspielerin, demnächst bekommt man sie z. B. in Michel Gondrys charmanter Liebesspinnerei „The Science Of Sleep“ zu sehen. Für ihr spätes zweites Album holte Gainsbourg neben AiT u.a. Jarvis Cocker, Neil Hannon (The Divine Comedy) und den Produzenten Nigel Godrich ins Boot: „Es wargroßarflg. Wir sechs waren wie eine Band. Manchmal war es aber auch schwierig-zum Beispiel, sich beim Texten in ein Mädchens zu versetzen „, erzählt D unckel.
Wenn Dunckel für sich selbst schreibt, kann das hingegen so klingen: „Some men waitforjesus andgod/ some men haue stopped waiting/I’ve been waiting/for ijoufor so long. „Er habe einen modernen christlichen Song schreiben wollen, erklärt Darkel. Ob er gläubig ist, das weiß Dunckel nicht so genau: „Die Worte kommen zu mir, und zweiTage später sieht die Weh ganz anders aus. Wenn man einen Song singt, ist man immer auch Schauspieler.“ Möglichweise krankt Dunckels Soloprojekt genau daran: dass er nicht so recht weiß, ob er sich auf Sinnsuche begeben oder mit Identitäten spielen will. Vielleicht hilft ihm sein Publikum bei der Entscheidung.
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