Dave Mason – Ein Eremit im Popbusiness


Der ehemalige Roadie, Mitbegründer der Traffic und excellente Songwriter von Titeln wie „Hole In My Shoe“ oder „Feelin‘ Alright“ versucht schon seit fünf Jahren, sich als Solostar zu etablieren. Doch auch nach sechs Alben, von denen nur drei (Alone Together, It’s Like You Never Left, Dave Mason) seine volle Zustimmung finden, scheint das Eremitendasein für Dave kein Ende zu nehmen. Will er es nicht anders – oder ist er einfach unfähig, aus den musikalischen Isolation herauszufinden?

„Ich bin nicht der Großte!“

„Ich hab mich nie als großartiger Popstar gefühlt, wenn ich auf der Bühne stand. Weißt Du, ich selber seh‘ in mir nicht den Größten, auch wenn das jede Menge Leute von mir behaupten. Was ich bin? Ein Musiker! Nicht mehr und nicht weniger.“ Das sagte Dave Mason im Februar 1969 auf dem Londoner Flughafen Heathrow, als er den planmäßigen Flug BEA 0043 bestieg, der ihn fort von England in die neue Welt nach San Franzisko bringen sollte. Für Dave war es ein Abschied, den er schon lange geplant hatte. „Ich fühlte mich von England betrogen. Von den Musikern und dem ganzen Drumherum. Meine Hoffnung hieß Amerika, hieß San Franzisko, hieß einen anderen Weg für mich finden.“

Der ruhelose Einzelgänger trat die Flucht nach vorn an. Was er hinter sich ließ, waren acht Jahre Auf und Ab im britischen Musikgeschäft und der Traum, sich in der dortigen Szenerie zu etablieren. Dabei waren die Voraussetzungen des heute 29jährigen nicht übel. Als 14-jähriger versuchte er, sich auf der Gitarre zu profilieren – orientiert an bekanntem Shadows-Material. Er wurde auf den Bassisten Elmore James aufmerksam und entdeckte zugleich seine Liebe zum Blues. In der Folgezeit gründete er mehrere lokale Gruppen mit so abenteuerlichen Namen wie zum Beispiel „The Jaguars“ – dort lernte er Jim Capaldi und Luther Grosvenor kennen oder The Hellions, mit denen er 1964 im Hamburger Star-Club debütierte. Dave: „Allmählich kam es mir sinnlos vor, immer wieder Gruppen ins Leben zu rufen, denen nur ein kurzes Dasein beschieden war.“

Eine kopflose Supergroup.

Dave Mason zog aber nicht die richtigen Konsequenzen aus dieser Feststellung. Er gammelte in London rum, bot seine Dienste als Studiomusiker an und hatte überhaupt für ein Jahr völlig die Orientierung verloren. Zwar war seine Selbsteinschätzung, ein talentierter Musiker zu sein, nicht geringer geworden, aber er hatte das Gefühl, daß man ihn daran hindere, seine vielseitigen Fähigkeiten zu beweisen.

1965 meldete er sich bei der Spencer Davis Group – und wuchtete von nun an als Roadie die Klamotten auf die Bühne! Ein Jahr später ließ er musikalisch von sich hören. Zusammen mit seinem früheren Kollegen Jim Capaldi schlägt er das Tamburin in dem Davis-Titel „I’m A Man“. Und noch einer ist als Perkussionist dabei. Sein Name: Chris Wood. Die drei treffen sich kurze Zeit später in einem Landhaus in Berkshire und beschließen gemeinsam mit Steve Winwood Traffic zu gründen.

„Oh Mann, es war so außergewöhnlich. Wir Vier paßten gut zusammen und hatten dieses Cottage in Berkshire gemietet. Ohne Licht, ohne Wasser. Es war total leer, bis auf den schönen Steinfußboden. Wir hatten uns vorgenommen, einen musikalischen Weg zu finden, der allen die gleichen Chancen einräumte. Jeder von uns sollte sein Ich schaffen können.“ Und in der Tat: „Mr. Fantasy“, die erste LP des Quartetts, 1967 in England veröffentlicht, schien wenigstens zum Teil das zu verkörpern, wonach Dave seit sechs Jahren suchte. Aber die Titel, die von ihm stammten, zeigten auch seine Unsicherheit. In „House For Everyone“, auf der A-Seite, dokumentiert er, wie man ihn eigentlich sehen müßte: offen für jedermann und bereit, sich zu äußern, auch wenn es manchmal schmerzhaft ist. Auf der B-Seite gibt er in dem Titel „Hope I Never Find Me There“ die Hoffnung auf, sich jemals zu entdecken. Er zweifelt an sich selbst und der Hörer empfindet mit ihm.

Dies erste Produkt wird ein voller Erfolg. Die britische Presse jubelt die Band hoch, obwohl für die Vier klar ist, daß sie noch nicht die nötige Reife besitzen. Traffic stellten bald fest, daß sich das Prinzip der Eigenverwirklichung in der Gruppe schlecht praktizieren ließ. Steve Winwood, von Journalisten als das musikalische Wunderkind gefeiert und somit in die Rolle des Leaders gedrängt, wird mit dieser Position nicht fertig. Denn eigentlich sollte die ganze Band zusammen führen. Steve sagte einmal: „Wir sind eine Band. Das genügt doch, oder?“ Es gelang ihm nur während der LP-Aufnahmen, die auseinanderstrebenden Aktivitäten zu koordinieren und der Band so etwas wie inneren Zusammenhalt zu vermitteln. Auf Her Bühne jedoch wurden die Spannungen, unter denen das Quartett litt, sogar für den letzten Deppen spürbar.

Traffic? Da gab’s keine Basis mehr.

Das zweite Produkt, das die Gruppe ein Jahr später aus der Taufe hob, „Traffic“, festigte Dave Mason’s Ruf als verläßlicher Songschreiber. „Feelin‘ Allright “ wurde unter anderem von Joe Cocker, Grand Funk Railroad und Three Dog Night interpretiert. Es war sein Feeling, das man spürte, als die Band das Album im Spätherbst 67 in den Island Studios einspielte. Mason hatte die Hoffnung, mit der Gruppe über das Weltall hinaus zu segeln, und das Verständnis untereinander gab ihm recht. Er entdeckte ganz neue Eigenschaften an sich. „Don’t Be Sad“ gibt in etwa seine neue Lebenseinstellung wieder. Er ist nicht mehr der Zweifler, den schon die einfachsten Dinge aus dem Gleis werfen. Was heißt das schon, „wenn man ein Loch im Schuh hat“? Die zweite LP wurde von der Presse enthusiastisch aufgenommen. Obwohl fast alles stimmte, kündigte Dave kurz nach Beendigung der LP seinen Job bei Traffic. Warum? „Ich war ziemlich geschockt, als Steve mir sagte, daß meine Konzeption keinen Wert mehr habe. Von da ab gab es für mich keine Basis mehr. Eine der Begründungen war, was ich mache, sei zu kommerziell. Das habe ich überhaupt nicht verstanden. Sie waren es doch, die kommerziell dachten, wenn sie mit ihren Ferraris in ihre schnuckeligen Landhäuser donnerten. Differenzen können stimulieren. Denk mal an Lennon und McCartney. Die haben ihre eigenen Dinge geschrieben, aber die Summe kam als ungeheurer Output bei den Fans an. Ich habe daraus die Konsequenz gezogen: Ich kann nur etwas großartig machen, wenn ich bei den anderen Unterstützung finde“.

Dave Mason entdeckt Family

Dave Mason entdeckte Family und den ausgeflippten Roger Chapman. Er ist von der Band überzeugt und produzierte deren Debüt-LP „Music From A Doll’s House“. Traffic ist für ihn gestorben. Um so überraschender ist für viele sein Entschluß, zusammen mit der Band im Sommer 1968 noch eine Amerika-Tournee zu absolvieren. Danach ist der Ofen endgültig aus. Der kleine musikalische Seufzer bei der Reunion des Quartetts anläßlich eines Benefizkonzertes für die Londoner Zeitung OZ 1970 ist sogar für Historiker ohne Bedeutung. Traffic ist tot. Ende 1968 platzt die Gruppe wie ein Milchbeutel auseinander. Winwood stößt zu Ginger Baker und Eric Clapton, die ihrerseits Cream sterben ließen. Zusammen mit dem ehemaligen Family-Bassisten Rick Grech machen sie die Formation Blind Faith auf. Mason will nicht untätig sein. Er steigt mit Jim Capaldi und Chris Wood unter dem Namen Frog auf die Bühne. Aber Frog wurde behandelt wie viele Newcomer-Gruppen: kurze Notiz, sonst nichts.

Blue Thumb haut Mason in die Pfanne.

Im Februar 69 bestieg Mason das Flugzeug in die Staaten. Er hat resigniert, aber auch zu wenig gekämpft. Die Typen vom „Blue Thumb“-Label hatten ihm während der Traffic-Tour in Amerika goldene Berge versprochen. Und die erste LP „Alone Together“ strahlt den wiedergewonnenen Optimismus aus. Mason präsentierte sich damit als der Sonnyboy der amerikanischen Popbranche. Für ihn war die Hochstimmung jedoch nicht von langer Dauer. Er wurde von den ausgefuchsten Managern regelrecht verbraten. Die zweite LP „Headkeeper“ auf Blue Thumb wurde schon ärgerlich. Für Dave ist das Album nie fertiggestellt worden. Es waren nur Fragmente, die da von ihm in die Plattenpresse gelangten. Ebenso verlief die Story mit Mama Cass. „Zwischen 69 und 70 hing ich in deren Haus herum. Es waren immer jede Menge Leute da, und wir haben über alles Mögliche gesprochen, auch darüber, zusammen ’ne LP zu machen. Es war eine von vielen Ideen. Die Scheißer von Blue Thumb haben mich bedrängt, und wir alle haben nachgegeben. Das Ergebnis war total beschissen … ich mag nicht darüber reden.“

Wenn man Dave glauben darf, ist auch der Live-Mitschnitt aus dem „Troubadour“ in L.A. schlechter als jede Bootleg-LP.

Es war Clive Davis, mittlerweile gefeuerter Manager der CBS, der Dave aus dem Vertrag mit Blue Thumb herausboxte. Das war im Juni 72. „It’s Like You Never Left“ war als erstes Ergebnis dieser neuen Zusammenarbeit 1973 zu hören. Diese LP hat auch die volle Zustimmung von Dave. „Es ist angenehm, so einen riesigen Apparat wie die CBS hinter sich zu haben. Die machen was für dich. Natürlich sind sie daran interessiert, Kohle zumachen. Aber das ist ihr gutes Recht, solange sie meine Aktivitäten nicht einschränken. Die Sache ist doch so: Ich bin ein Stück von einem Puzzle aus Promotern, Managern, Journalisten, Agenten und Schallplattenfinnen. Und erst wenn alle Elemente zur gleichen Zeit arbeiten, gelingt es, mit einem Minimum an Einsatz, die größte Resonanz zu erzielen.“

Der Eremit Mason ist heute mehr denn je auf äußere Kontakte angewiesen. Er bedauert sein bisheriges Leben nicht, denn dadurch ist er zu der Erkenntnis gekommen, die jetzt für ihn gilt: „Ich will endlich mal ‚was „straight“ durchziehen. Ich hab’s satt, immer nur den halben Weg zu gehen, um dann abzudrehen.“

Er geht straight on. Die zweite LP mit dem schlichten, einfachen Titel „Dave Mason“ beweist es.