Dave Grohl: Sounds like Eagles
Kaum einer nimmt Dave Grohl die Wandlung zum Arenarock-Onkel übel. Warum eigentlich?
Dave Grohl, da können Sie jeden fragen, ist der netteste Mann im Rock. Und seine Wandlung vom unscheinbaren Nirvana-Drummer zum souveränen Frontmann: ganz erstaunlich. Und erst die ganzen Projekte! Keine Frage: Grohls Verdienste sind groß, und es sind viele; als quasi-heiliger Überlebender des 90er-Alternative-Rock ist er heute fast unantastbar.
Sein musikalisches Erweckungserlebnis erlebt der in Ohio geborene David Eric Grohl angeblich schon mit zwei, als er mit seinem Vater, dem Journalisten James Grohl, die Jackson Five sehen darf. Von höherer Bedeutung für Dave ist die Berufung seiner Mutter, der Lehrerin Virginia Grohl, nach Alexandria, Virginia. Dort verlebt er zunächst eine typische Classic-Rock-Mittelschichtjugend. Als signifikant prägend erweist sich jedoch bald die Nähe seiner Heimstadt zu Washington D.C. Im Untergrund der Hauptstadt ist in den Jahren nach Punk eine von politischem Aktivismus und zahlreichen Dogmen geprägte Szene entstanden – rund um Fugazi, Bad Brians, Minor Thread und die Plattenfirma Dischord. Auch der junge Dave ist dem Hardcore schnell verfallen. Wenngleich ihn die Musik mehr interessiert als die Ideologie. Durch seine instrumentale Begabung wirbelt der Junge bald auch als Drummer Staub auf in dem größtenteils von Dilettanten geprägten Milieu. Nach Anfängen in einer Hand voll Punkrock/Highschool-Bands steigt er als 17-Jähriger bei den HC-Helden Scream ein.
Durch die folgenden Jahre bei einer der beliebcesten Sands der Szene öffnen sich für Dave viele Türen, auch die des Scream-Fans Kurt Cobain. Strenggenommen zehrt sein Ruf bis heute von dieser Zeit. Auf der Foo-Fighters-DVD Skin And Bones erzählt Dave Grohl 20 Jahre später seine Schnurren aus alten Zeiten, und die inzwischen etablierten Ex-Aktivisten im Publikum klopfen sich auf die Schenkel. Eine Gänsehaut kriegt man trotzdem davon. Denn Grohl ist ein Meister der Inszenierung.
Als die eine unwahrscheinliche Geschichte mit Nirvana zu Ende geht, nimmt eine noch viel unwahrscheinlichere ihren Anfang. Denn eigentlich widerspricht der ehemalige Klassensprecher Grohl den gängigen Identifikationsmodellen im Rock. Traditionell ist der Erfolgstyp, der Frauenheld, die Sportskanone hier unterrepräsentiert. Das Publikum schätzt Unterprivilegierte und zu kurz Gekommene – siehe Cobain. Nicht zuletzt deshalb ist jene Häutung Grohls vom Punk-Schlagzeuger zum krediblen und beliebten Songschreiber, guten Gitarristen und A-Liga-Frontmann eine der erstaunlichsten Geschichten des Rock.
Für die ersten Alben der Foo Fighters schreibt Dave Grohl zunächst deutlich von Cobain beeinflussten Popgrunge,dessen Wirkung man sich schwerentziehen kann. Irgendwann tritt eine Wandlung ein. Doch über die Schwächen, das Kalkulierte der neueren Veröffentlichungen, decken Kritiker und die Fans spätestens ab One By One (2002) gnädig den Manntel des Schweigens – und konzentrieren sich auf die Fortschreibung der Legende vom heiligen Dave. Ohnehin ist es schwierig, Grohl seine Mainstreamisierung vorzuwerfen, da er sich dieser Entwicklung voll bewusst ist; „When I was young, my favorite bands were Bad Brains, Void, Minor Thread… and here I am playing music that sounds like the Eagles“, diktiert er dem Biografen Jeff Apter-kurz vor der Produktion des Metal-Tribute-Albums Probot, mit dem er diesbezüglich Boden gutzumachen gedenkt.
Das neue Foo-Fighters-Album ist der vorläufige Endpunkt dieser Entwicklung. Ein vorhersehbares Mainstream-Rock-Werk, das alles in sich vereint, was man dem kreativ weitgehend brachliegenden US-Rock 2007 vorwerfen darf und muss. Die Foo Fighters bieten heute gediegene Familienunterhaltung auf stabilem Niveau. Vielleicht ist er einfach zu glücklich und zu reich, um tieferschürfende Musik zu machen. Vor allem ist Dave Grohl aber älter geworden. Und wir auch.