Das Jahr Im Rock


1996. Wer war wichtig? Wer machte sich wichtig? Wer wurde wichtig? Bei gut 10.000 neuen CDs nicht eben einfach zu beantworten. Sicher ist aber, daß R.E.M. auch anno ’96 ihren Status als Ausnahme-Act behaupten konnten. Zum Teil wohl auch, weil U2 ihre neue CD erst im März ’97 abliefern. Fleißiger waren da schon die neuen Rhythmiker aus England. Sie machten dem Rock Beine und sorgten für frischen Wind.

ist, schwanger ist und sein Kind im Frühjahr 1997 zur Welt bringen wird. Die Berichte spekulieren über eine künstliche Befruchtung und daß ihre Verbindung wirtschaftliche Hintergründe habe, was schlicht falsch und darüber hinaus unverantwortlich ist. Michael bedauert, daß die Neuigkeit von Debbies Schwangerschaft von diversen falschen und verdrehten Meldungen und Spekulationen begleitet wurde und bittet dringend die Medien, sein und Debbies Privatleben zu respektieren.“ Machen wir. Auch wenn es nicht ganz einfach ist, sich den gekonnt kopulierenden Michael (mit Mundschutz) vorzustellen.

Ganz anders bei Madonna. Ihr, der Unverheirateten, hat man den amtlichen Vollzug der Ehe schon immer zugetraut. Zu Recht, wie Tochter Lourdes, das Baby des Jahres, beweist.

Für Furore sorgten Michael Stipe und die Seinen aber nicht nur mit ihren ‚New Adventures In Hi-Fi‘, sondern auch und ganz besonders durch den vorangegangenen Mega-Deal. Für fünf Alben, abzuliefern bei Warner Brothers, sicherten sich R.E.M. 120 Millionen Mark und verwiesen so bisherige Rekordhalter wie Janet (105 Mio.) oder Michael Jackson (90 Mio.) auf die Plätze. Daß gerade ]acko nicht darben muß, ist gut zu wissen. Immerhin muß Michael ja demnächst für Frau und Kind sorgen. Jacksons Plattenfirma ließ nach Bekanntwerden von Jackos anstehender Vaterschaft folgendes verlauten: „Um unkorrekte Berichte in der Presse richtigzustellen, hat Michael Jackson am 5. November bekanntgegeben, daß seine langjährige Freundin Debbie Rowe, mit der er seit 15 Jahren befreundet

Einen Beweis trat auch der Wahlschweizer Phil Collins an. Nämlich den, daß er der jungen Konkurrenz durchaus die hohe Stirn bieten kann und auch heute noch für vorderste Chartplazierungen gut ist. Phil Collins? Da weiß man, was man hat — ahnt jedoch zugleich, was man selbst bei viel Collins nicht haben kann. Di Toten Hosen etwa oder Fettes Brot, die sixties- und

psychedelik-verliebten Newcomer Kula Shaker und ganz sicher nicht Metallica. Dabei haben James Hetfield und seine lautstarke Horde das Kunststück vollbracht, das metallverarbeitende Musikgewerbe mit einer dröhnenden aber massenkompatiblen Soundlegierung in den geschmacklichen Mainstream zu überführen.

Viel bemerkenswerter aber ist mit Blick auf das Musikjahr 1996 folgendes: Im Gegensatz zu 1995, als Denkmäler wie die Beatles, Queen oder die Rolling Stones vom Sockel stiegen, um dem stagnierenden Musikmarkt mit alten Tönen neue Impulse zu verleihen, war 1996 das Jahr, in dem zum erstenmal seit langer Zeit wieder grundlegende musikalische Innovationen auch kommerziell durchzuschlagen begannen. Dance Music im weitesten Sinne, prophezeiten Trend-Auguren schon vor Jahren, werde der Pop der späten Neunziger sein. Sie sollten recht behalten. Klar, Musiker wie Westernhagen oder Phil Collins, Joe Cocker oder Sting, Bryan Adams oder die Pet Shop Boys konnten auch anno ’96 ihre jeweils aktuelle Scheibe schon allein aufgrund ihres Namens gut verkaufen. Ähnlich positiv verlief das Jahr für vielversprechende Newcomer wie Alanis Morissette oder Joan Osborne. Wer jedoch nicht mit melodisch einfallsreichen oder zeitlos schönen Songs überzeugen konnte, der mußte sich vor allem rhythmisch einiges einfallen lassen. Frische Zutaten für den völlig vercrossoverten Klangbrei der letzten Jahre wuchsen 1996 bevorzugt auf den britischen Inseln. Zunächst jedoch wurden die zarten Pflänzlein der Kreativität noch vom Wildwuchs des Britpop überwuchert. Die meisten jungen Bands, denen dieses angeblich verkaufsfördernde Etikett aufgepappt worden war, verschwanden allerdings ebensoschnell von der Bildfläche, wie sie aufgetaucht waren. Andere Acts wie Cast, Shed Seven oder die Bluetones machten allenfalls in England von sich reden. Was blieb, war der grenzüberschreitende Erfolg von Oasis inklusive des medienwirksamen Dauerstreits der Gebrüder Gallagher. Mehr oder weniger öffentlich fielen Liam und Noel, die Gebrüder Grimmig des Pop, übereinander her und vergaßen darüber manches Mal die Musik. Wozu auch, so fragt man sich, sollten die Gallaghers ihren Fans auf anstrengenden Tourneen eine Freude machen? Der Rubel rollt doch auch ohne den leidigen Tourstress. So sicherte sich Noel gerade erst 4,6 Millionen Mark allein dafür, daß er die Verlagsrechte an seinen Songs für die Dauer von drei Jahren einen britisch-japanischen Firmenkonsortium überließ. Und manches spricht dafür, daß Noel und die Seinen das viele Geld auch einspielen werden. Immerhin wurden Oasis bei den diesjährigen MTV Europe Music Awards zur besten Band des )ahres gekürt. Zur Enttäuschung von Fans und Veranstalter glänzten Liam und Noel zwar durch Abwesenheit, eine sichere Bank für die, die sie vermarkten, bleiben sie trotzdem.

Gleiches gilt für US-Größen wie Pearl Jam, Rage Against The Machine oder Soundgarden. Doch anders als ihre englischen Kollegen machen Eddie Vedder, Chris Corneü und Zack de la Rocha nicht durch öffentlich ausgetragene Streitereien von sich reden, sondern ausschließlich durch die gleichbleibend hohe Qualität ihrer Platten. Musikalische Innovationen aber sucht man bei ihnen vergeblich.

Völlig anders liegt der Fall bei den kreativen Rhythmikern aus England. Dancefloor-Hörgewohnheiten jeglicher Couleur haben auf ihren diversen Rock- und Pop-Produktionen deutliche Spuren hinterlassen. Und so wächst beim Crossover des Jahrgangs 1996 denn auch in den Hitparaden zusammen, was in den Hirnen einiger Trendsetter ohnehin schon lange zusammengehörte: Techno und Trash, Garage und Club, Breakbeat und Blues, DJ und Drummer, Trip und Hop, Dub und Rock, Rap und Pop, Jungle und Punk. The Prodigy zum Beispiel, von MTV gerade erst als bester Dance-Act des Jahres mit einem der begehrten Awards ausgezeichnet, verheiraten knalligen Punk mit unberechenbaren Breakbeats. Eher kopflastig aber nicht minder aufsehenerregend: die Rockers HiFi aus Birmingham. Skrupellos experimentierfreudig verbinden Dick Whittingham und Glyn Bush das verhaltene ‚Ave Maria‘ mit dröhnendem Dub-Reggae. Und mit ihren ebenso gewagten wie kreativen Konzepten stehen Prodigy und die Rockers HiFi keineswegs allein auf weiter Flur. Faithless zum Beispiel verknüpfen Gospel mit Techno und Acid Jazz. Little Axe liieren Delta-Blues mit Trip Hop, und Underworld rücken die Rockpose geschickt in die Nähe des D)-Kults. Gemeinsam ist ihnen dabei neben der bedingungslosen Ablehnung jeglichen Reinheitsgebots, daß ihre klanglichen Konzepte auch in der klassischen Konzertsituation funktionieren. Club-Feeling und Live-Ereignis in einem? Kein Problem.

Aber nicht nur vergleichsweise anspruchsvolle Stilübungen wie die der Rockers HiFi schöpfen aus dem reichen Dancefloor-Fundus. Auch der normale Hitparadenpop bedient sich weitgehend im großen Angebot clubkompatibler Klänge. So waren Tracey Thorn und Ben Watt, besser bekannt als Everything But The Girl, mit ihrem kaschmirflauschigen Popjazz so lange keinen Pfifferling mehr wert, bis sie ‚Missing‘ (eine gut abgehangene Nummer aus dem Archiv) triphopmäßig aufmöbelten und damit einen internationalen Hit landeten. Da ist es kein Wunder, daß Madonna, die ohnehin von jeher die angesagtesten Producer ins Studio bittet, nun auf der Warteliste von Massive Attacks Nellee Hooper steht. Bereits 1995 brachte Hooper zwei Nummern von Madonnas Balladen-Werkschau ‚Something To Remember‘ klanglich auf den Stand der mittneunziger Jahre.

Die nächste CD aber soll er komplett produzieren. Auch andere Superstars nehmen Hoopers Hilfe in Anspruch. Soeben teilte er Mischpult und Guinness-Faß mit Bono. Monatelang werkelten die beiden zusammen mit Howie B. an der neuen U2-Platte. Und siehe da: Mit Blick auf die für März 1997 anstehende Veröffentlichung der CD sprechen Tonspione in Dublin hinter vorgehaltener Hand bereits von einer „DancefloorÜberraschung“. Dabei deuteten doch schon ‚Zooropa‘ und auch das ‚Passengers‘-Projekt unüberhörbar an, wohin die Reise gehen soll: Grooves aus dem Club, Hooklines aus dem Pub.

Dort, in der Kneipe nämlich, kann man derzeit auch am ehesten Guns N‘ Roses hören — auf alten Platten aus der Jukebox. Neues Material dagegen dürfte weiter auf sich warten lassen. Und das um so mehr, als Gitarrist Slash seinem besten Feind Axl Rose erst mal den Rücken gekehrt hat. Von einer Trennung in gegenseitigem Einvernehmen war die Rede und davon, daß es zwischen den beiden Top-Gunnern unüberbrückbare Differenzen gebe. Zwar hieß es von Seiten der Plattenfirma, die Trennung bedeute nicht, daß Axl und Slash nie mehr miteinander arbeiten würden, nur momentan fehle den beiden dazu die gemeinsame Basis.

Eine gemeinsame Ebene lassen auch einige US-Rapper schmerzlich vermissen — bisweilen sogar mit tödlichen Folgen. Prominentestes Opfer im Krieg der rivalisierenden Gangster-Rapper war im September der 25jährige Tupac Shakur, der mitten in Las Vegas auf dem Beifahrersitz eines schwarzen BMW aus einem anderen Wagen heraus unter Feuer genommen wurde. Zwei Kugeln waren in seinen Brustkorb eingedrungen, eine in seine rechte Hand, eine in seinen rechten Oberschenkel. Die Ärzte des University Medical Center von Nevada operierten Shakur in den folgenden Tag zweimal und entfernten dabei seinen rechten Lungenflügel. Doch alle Mühe blieb vergeblich. Am 13. September erlag Tupac seinen Verletzungen. Der Mord, so jedenfalls Chuck

Cassell von der Polizei in Las Vegas, sei möglicherweise eine Folge der Auseinandersetzungen zwischen Bloods und Crips. Dabei handelt es sich um zwei verfeindete Gangs, die seit den 8oer Jahren für ihren brutalen Bandenkrieg berüchtigt sind und sich ihre jeweiligen Helden beziehungsweise Opfer häufig im Umfeld des Gangster-Rap suchen.

Ganz anders und dazu auch noch durchgehend friedlich: die Stone Roses aus England. Groß geworden im Zuge der Begeisterung für Musik aus Manchester, zählten die Roses über aufstrebende Talente für das Leben zwischen Studiokeller und Konzertbühne entscheiden. Skunk Anansie beispielsweise oder Garbage, die Fugees oder auch Richard Melville Hall alias Moby. Doch auch die alte Garde kann’s nicht lassen. Den Vogel schießt dabei der 64jährige Country-König Johnny Cash ab. In einem Alter, in dem anderere den Ruhestand genießen, nimmt Cash mit Rockproducer Rick Rubin lieber neue Platten auf und geht, die aktuellen Songs im Gepäck, natürlich auch noch auf eine kräftezehrende Tournee.

Johnny Cash (64) will’s noch mal wissen. Aber die neuen Helden heißen Tricky oder Garbage Jahre hinweg zu den beliebtesten britischen Bands – bis zum 29. Oktober 1996. Just an diesem denkwürdigen Tag nämlich gab Sänger lan Brown mit einem überliefernswerten Statement die Auflösung seiner Band bekannt: „Nach zehn Jahren im schmutzigsten Business des Universums ist es ein Vergnügen, das Ende der Stone Roses bekanntzugeben.“ Erstaunlich nur bei so viel Abneigung der Musikwelt gegenüber, daß Brown auch weiterhin auf die Bühne klettern will. Und zwar mit den (fast) kompletten Stone Roses. Nur einen anderen Namen möchte man sich zulegen. So dreckig, wie lan Brown der Welt weismachen will, scheint das Musikbusiness demnach doch nicht zu sein. Wie sonst würden sich immer wieder neue, Mit schlappen 39 zwar erheblich jünger als sein nimmermüder US-Kollege Cash aber zeitweise zumindest der Gesichtsälteste unter den musikalischen Größen dieser Welt, wurde 1996 auch Robert Smith noch mal von der Reiselust gepackt. Nach dreijähriger Abstinenz von deutschen Bühnen spielten Smith und The Cure noch einmal in good old Germany auf und trommelten lautstark für den Verkauf ihrer aktuellen Platte.

Getrommelt wurde aber auch anderenorts – im italienischen Modena ebenso wie in den Paisley Park Studios von Minneapolis. In Modena ließ Startenor Luciano Pavarotti Rock- und Popgiganten wie Eric ) Clapton und Elton John zugunsten bosnischer Kriegskinder singen, und in Minneapolis musizierte Prince vor einer kleinen aber feinen Gästeschar, um sein aktuelles Album zu promoten. Eine Produktion, die im nicht immer prosperienden Paisley Park mal wieder die Kasse klingeln lassen könnte. Daß sich aber auch mit Produktionen Made in Germany eine goldene Nase verdienen läßt, auch das ist eine der Lektionen des Jahres. In

den Charts jedenfalls ist der Anteil der nationalen Produktionen (dazu zählen auch englischsprachige Platten, die in Deutschland von deutschen Firmen produziert werden) seit Ende 1995 steigend. Bei Redaktionsschluß lag er bei gut 30 Prozent. Der Grund: Mehr und mehr vielversprechende Acts werden hierzulande unter Vertrag genommen und erst dann weltweit vermarktet. Was mit Snap begann, setzte sich mit Eurodance-Produktionen wie La Bouche, Fun Faceine Absatzzahl in Millionenhöhe. Immens erfolgreich auch Die Toten Hosen. In der Rangliste der Albumverkäufe des 1. Halbjahres 1996 stand ‚Opium fürs Volk‘ an dritter Stelle, geschlagen nur noch von den absatzmäßig ohnehin kaum zu übertreffenden ‚Bravo Hits‘-Samplern.

Die Toten Hosen hatten im zurückliegenden Jahr mit Blick auf ihre Plattenveröffentlichungen gleich mehrfach Grund zur Freude. Nicht nur, daß ihr’Opium fürs Volk’vom selbigen beImmer mehr Acts starten von Deutschland aus ihre Karriere auf dem internationalen Markt tory oder Scatman John fort. 1996 wurde sogar erstmals die internationale Karriere einer Boy-Group von Deutschland aus geplant. Die Jungs von N Sync stammen zwar aus Orlando, haben jedoch einen Plattenvertrag mit der Münchner Ariola.

Aber auch die Verkaufszahlen deutschsprachiger Produktionen können sich sehen lassen. Zählten bislang nur Leute wie Westernhagen, Maffay, Grönemeyer oder Bap zu den wenigen Topsellern, die es mit der anglo-amerikanischen Konkurrenz aufnehmen konnten, so erreichen nun auch Newcomer wie Fettes Brot sechsstellige Absatzzahlen. Ein arrivierter Act wie Die Fantastischen Vier bringt es in der Summe seiner Plattenverkäufe sogar locker auf geistert konsumiert wurde, auch die Live-CD Mm Auftrag des Herrn‘ ging weg wie warme Semmeln. Am schönsten aber für die erfolgsverwöhnten Punkrocker: Zum erstenmal in ihrer 15jährigen Karriere erreichte eine Single der Düsseldorfer Bande Platz 1 der Single-Charts. Der Erfolg von ‚Zehn kleine Jägermeister‘ erklärt sich zum Teil durch das neue, computergestützte Ermittlungssystem der deutschen Charts. Seit Mitte des Jahres werden die Hitparaden zu 80 Prozent aus tatsächlichen Verkaufszahlen und nur noch zu 20 Prozent aus Fragebögen des Plattenhandels ermittelt. Wenn sich bestimmte Songs (wie zum Beispiel die ‚Jägermeister‘) gut verkaufen, dann können sie nun nicht mehr von den Geschmacksfiltern der Plattenhändler in den Charts kleingehalten werden. Die

Folge: vom fröhlichen Punk bis hin zu Wolfgang Petry, vom Böhsen Onkel bis hin zu Roger Whittaker hat jeder die Chance, die Spitze der Verkaufshitparade zu erklimmen.

Eine Gruppe aus dem Schwäbischen allerdings avancierte auch ohne die neue Chart-Transparenz zum Topverkäufer. Am 19. August 1996 stand auf jedem vierten in Deutschland gekauften Album ‚Pur Live – die Zweite‘. Doch damit nicht genug: Eine Million Menschen (doppelt so viele, wie im )ahr zuvor zu den Rolling Stones gekommen waren) bejubelte die Tournee der Spätzle-Rocker. Zwei Millionen Plattenkäufer reisten mit Hartmut Engler ins ‚Abenteuerland‘, und EMI-Boss Rupert Perry, der eigens zum Tourauftakt im Düsseldorfer Rheinstadion (65.000 Fans) nach Deutschland eingeflogen war, träumte laut von „großen Chancen auf dem internationalen Markt“ – falls, ja falls sich die Ingersheimer zu englischsprachigen Versionen ihrer gefühligen Lieder durchringen könnten. Wie dem auch sei: Intercord, die deutsche Plattenfirma von Pur, darf sich zufrieden die Hände reiben. Rechnet man den Erfolg der ebenfalls schwäbischen Folkpopper Fool’s Garden hinzu (Platin in Taiwan, Thailand, Malaysia und Indonesien), dann steigerte der Pur-Faktor den Firmenumsatz mit Blick auf den ’95er Vergleichszeitraum im ersten Halbjahr 1996 um 18,39 Prozent – und das in Zeiten eher stagnierender Verkäufe. Auch vor diesem Hintergrund ist es müßig, wenn aufrechte Rocker oder die, die sich dafür halten, für den Geschmack von Puroder Fool’s Garden-Fans nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig haben. Die meisten Musiker – egal welcher Couleur – wissen ohnehin, was in Zeiten wie diesen gefordert ist: Bescheidenheit und Dankbarkeit denjenigen gegenüber, die ihre Platten kaufen. So antwortete Peter Maffay, vom ‚Stern‘ auf den Bildungsgrad seiner Fans angesprochen: „…einfache Leute, sagen Sie’s ruhig, auch wenn das bei uns so einen Beigeschmack hat. Ein Bauer ist auch einfach, aber wenn er von seinen Kartoffeln nix verstünde, hätten wir keine Pommes frites.“ Wer würde dem beliebten Musiker vom Starnberger See da widersprechen wollen? Und überhaupt: Wo würden die Plattenfirmen denn landen, wenn sie statt Kommerz nur noch Kunst oder Krach oder die von vielen Feuilletons bevorzugte Mischform aus beidem veröffentlichen würden? Na, logisch: vor dem Konkursrichter natürlich!

Folgendes also ist völlig klar: DJ Bodo macht sich um den Untergrund verdient, weil er genau jenes Geld in die Kasse seiner Company fließen läßt, das zum Aufbau neuer Acts so dringend benötigt wird. Und Blümchen bewährt sich bestens, wenn’s darum geht, der Plattenfirma Kohle für ein paar coole Breakbeats zu verschaffen.

Neben alten und neuen Top-Seilern bringt nicht zuletzt das boomende Geschäft mit Billigplatten Geld in die Kassen von Industrie und Handel. Zehn-Mark-CDs für mehr als 300 Millionen DM gingen in diesem Jahr über die Ladentische. Steigerungsquoten von mehr als 50 Prozent per anno in diesem Marktsegment sind vor allem auf die finanzielle Enthaltsamkeit der Bürger zurückzuführen. Deutschland spart. Das bekam 1996 auch der platinverwöhnte Westernhagen zu spüren. Sein Konzertfilm ‚Keine Zeit‘ verschwand wegen mangelnden Besuchs frühzeitig aus dem Kinoprogramm und wurde schneller als erwartet als Kaufvideo veröffentlicht.

Doch ob nun Westernhagen oder Pur, Fettes Brot oder Fool’s Garden. Sie alle wissen, daß im schnellebigen Musikbusiness Erfolg nur begrenzt konservierbar ist.