DAF
Noch ein Album, dann läuft das D.A.F.-Modell aus. Robert und Gabi werden getrennt an neuen Projekten arbeiten. Für beste Startvoraussetzungen sorgt nicht zuletzt ein clever und professionell inszeniertes Finale.
Für mich geht es jetzt eigentlich erst richtig los. D.A.F. sehe ich eher als gutes Sprungbrett das erste Sprungbrett zu einer Sache, die vielleicht erst richtig zu etwas wird. Möglicherweise sogar noch konkreter als D.A.F.,“ sagt Robert Görl.
Und Gabi Delgado-Lopez:
„Wir finden, das D.A.F.-Bild ist zuende gezeichnet. Es gibt noch eine letzte Platte, mit der die letzten Tupfer gesetzt werden. Wenn irgendetwas am Ende ist, dann muß man nicht noch irgendetwas hineinzeichnen.“ Die Deutsch Amerikanische Freundschaft, populärer unter dem Kürzel D.A.F., hat ihre Grenzen erreicht, wie jeder wohl bemerkte, der GOLD UND LIEBE nach ALLES IST GUT gehört hat. Und daß sich ein Projekt wie DA.F. in gefährliches Umland begibt, wenn es sich in Betoneinheiten wie z.B. der Hamburger Messehalle 8 einem prosaischen, unerotischen Umfeld aussetzt, war eh klar.
Jetzt haben die zwei lobenswerterweise die Konsequenzen gezogen. Von DA.F. wird es im Spätsommer noch ein letztes Album geben, FÜR IMMER betitelt, möglicherweise auch noch ein Abschiedskonzert. Robert und Gabi wollen ein angemessenes Finale, und wir können sicher sein, daß sie diesen Abgang trotz Trane im Knopfloch weidlich genießen.
Die Entscheidung, so ein lukratives Unternehmen zu stoppen, ehe es allzu peinlich wird, schafft natürlich Kredit. Die Norm ist schließlich, daß mindestens noch zwei bis drei Platten nachgeschoben werden, nachdem die Substanz längst aufgebraucht ist.
Nun fiel es dem Team Delgado/Görl allerdings auch nicht schwer, den Schlußstrich zu ziehen. Vielmehr können es beide nicht erwarten, sich endlich ihren neuen Projekten zu widmen. Und da sich natürlich keiner zu sehr in die Karten sehen lassen will, höre ich dauernd: „Ich will natürlich nicht zuviel verraten …“ oder „Verstehst du, was ich meine…?“ Ich verstehe soviel, daß beide vom minimalistischen Konzept erstmal bedient sind. Gerade das aber war ihr Erfolg. Gabi, der übrigens – ganz sympathischer Profi – am wortreichsten zu verschleiern versteht, was kommen soll, will etwas Revue-Ähnliches. Dabei steht er „Marika Rock näher als Flic Flac“. Stellen wir uns vielleicht ein Fred Astaire-Musical vor mit 80er Touch, ethnischen Elementen, überhaupt Farbtupfern aus vielerlei musikalischen Kulturen mit Betonung des Visuellen. Da dieser Revue-Charakter aber auch auf Platte voll zum Tragen kommen soll, muß man da einen Teil der Optik subtrahieren. Aber bitte, faßt das nicht zu konkret auf, es ist nur ein Beispiel.
Und die Mitwirkenden? ,Es wird einen kleinen, festen Stamm geben. Die Leute, die das einspielen, werden wechseln. Es ist weiterhin ein Platten ding. Nur wollte ich auch weiterhin auftreten, und da mußte ich eine neue Form finden.“ Soll man das jetzt noch Rockmusik nennen oder einfach nur Kunst? Gabi: „Lieber Kunst als Rockmusik. Aber es ist keine Performance, sondern eine tolle, schöne Show, die mehr Freiräume läßt als andere.“ Gabi will die LP im Spätsommer produzieren. Namen? Keine. Nur daß er lediglich einen deutschen Musiker verpflichtete, der Rest käme aus England.
Da Robert sowieso wortkarg ist, bleibt auch seine Schilderung spröde. Vielleicht liegt es auch daran, daß ihm drei völlig unterschiedliche Ideen im Kopf herumschwirren. Herauszufiltern ist nur, daß ihn die synthisch erzeugten Klänge gefangen haben Robert ist „in einer Phase, wo ich mich noch nicht entscheiden kann. Ich habe ja auch Zeit, denn wir machen ja auch erst noch die letzte D.A.F.-Platte. Bei dem einen Projekt bin fast nur ich beteiligt, also fast solomäßig. Bei dem anderen Ding könnte ich fast von einer Gruppe sprechen. Und das dritte kommt wieder in einem anderen Design. Es hat mehr mit Computern, mit Theater und Oper zu tun. Da würde ich dann aber eher die Rolle des Dirigenten übernehmen. Das wäre so eine große Klangwelt, wo ich dann aber kein Instrument mehr spielen würde.
Gabi wird weiterhin singen, aber dann Texte, die zwar nicht in die von ihm gehaßte Geschwätzigkeit münden, dem klassischen Song aber näherkommen. Und Robert plant, selbst zu singen.
Und die Ansprüche? Robert hält sich zurück. Das DA.F.-Publikum war eigentlich okay, sagt er.
„Ich wünsche mir eigentlich kein anderes höchstens mehr Leute. Ich steh auch auf die Kunstszene und auf die Avantgarde, ich kann aber nicht sagen, daß ich speziell diese Clique ansprechen will.“ Und Gabi: „Ich habe nach wie vor den Anspruch, für die Massen dazusein. Aber mein Projekt wird wohl eher Leute ansprechen, die auf etwas Sehen es stehen, etwas Phantastisches als Leute, die auf was Hartes stehen … Ich möchte schon ein wenig Selektion betreiben. Bei der neuen Sache ist das für mich wie mit einem Club – läßt du jetzt alle rein, oder nicht? Wenn nicht, kann man dir vorwerfen, daß du arrogant, elitemäßig drauf bist. Auf der anderen Seite hast du dann natürlich auch einen schönen Club. Aber ich glaube, es gibt Formen, einen Club so einzurichten, daß eben nur bestimmte Leute hingehen. Und genau das ist es, was ich mit m einer Musik versuchen werde.
Ich finde wirklich, wenn man neue Musik macht, dann muß man auch neue Formen der Präsentation finden. Diese Rockmaschine betrügt dich doch irgendwie, nimmt dir die Erotik. Ich bin so weit, daß ich lieber gar nicht auftreten möchte als so.“ Raus aus der sicheren DA..F.-Kiste also in ein neues Risiko? Sie betonen, daß es gerade das Risiko sei, das sie zu neuen Dingen anspornt. Sowas sagt sich natürlich leicht mit einem gut dotierten neuen Schallplattenvertrag im Rücken und vielen Fans und natürlich den Medien, die sich neugierig auf den jetzt schon perfekt und professionell vorbereiteten Neubeginn stürzen werden. Robert wird ein dankbares Publikum finden, wenn er per Computersound Gitarren- oder Bongotöne produziert, die von den echten nicht zu unterscheiden sind. Und auch Gabi, wenn er seinen exotisch/phantastischen Ambitionen freien Lauf laßt. Ins eiskalte Wasser springt keiner von ihnen.
Gabi besteht auf ein Schlußwort: „Ich wollte mich bei den Leuten bedanken, die DA.F. so unterstützt haben. Nicht nur, weil sie uns hochgebracht haben … es sind nur ziemlich viele Veränderungen in der Musiklandschaft eingetreten. Und genauso, wie es ziemlichen Mut verlangt, sowas zu machen, verlangt es auch ziemlich viel Mut, so etwas zu hören.“ Womit noch ein paar Mutige mehr gewonnen sein dürften.