Computersounds à la MTV lassen sie kalt. Die Walkabouts lieben es bodenständig. Und das schon seit zwölf Jahren.


Wenn Du eine Geschichte in einem Song erzählen willst, mußt du die Dinge auf den Punkt bringen. Denn du hast nur drei Minuten Zeit dafür. Deshalb müssen Musiker auch manchmal übertreiben, wenn sie ihre Gefühle ausdrücken wollen“, sagt Chris Eckman, Sänger und Gitarrist der Walkabouts. Was seine eigene Band betrifft, hat Eckman absolut recht. Die Walkabouts neigen bisweilen zur Übertreibung. Vor allem dann, wenn Carla Torgerson — die nicht nur beruflich mit Eckman verbandelt ist — zum Mikrofon greift, um aus voller Kehle zu singen. Dann trifft der Vergleich mit einer Heilsarmeesängerin am besten zu. Die Walkabouts beherrschen die Kunst, große Gefühle in einen Song zu packen, perfekt. Und das schon seit zwölf Jahren. Mit gefühlvollen, halb-akustischen Balladen zwischen Folk und Country begann die Band bereits 1984 in ihrer Heimatstadt Seattle. 1988 bekamen die Walkabouts dann einen Plattenvertrag beim renommierten Label Sub Pop, für das sie in den folgenden sechs Jahren ebensoviele Platten aufnahmen. Damit wurde die Band prompt zum bestverkaufenden Act des legendären Labels, bei dem immerhin auch das erste, heute schon historische Nirvana-Album herauskam.

‚Devil’s Road‘, das neue Album der Walkabouts, erscheint bei einer großen Plattenfirma. Und zum ersten Mal hat die Band die Songs nicht in Seattle eingespielt, sondern in Conny Planks Studio bei Köln. Die Wahl des Aufnahmeortes, in dem die größten Alben von Krautrock-Bands wie Kraftwerk und Can entstanden sind, geschah nicht zufällig. „Ich möchte nicht zu esoterisch klingen“, erklärt Chris Eckman, „aber es gibt einige Gebäude, die einen ganz speziellen Charakter haben — und Conny Planks Studio gehört ganz einfach dazu. Die Geschichte, die dieser Ort erlebt hat, hat sich positiv auf uns ausgewirkt.“ Und außerdem konnte die Band im Studio wohnen und übernachten. „Andere Musiker wählen große Studios in großen Städten. Dann können sie bis spätabends in Nightclubs abhängen. Wir konnten uns im Studio besaufen. Wir mußten nirgends mehr hingehen.“ Das klingt reichlich bieder. In der Tat: „Wir sind hoffnungslos altmodisch“, erklärt Chris. Und Carla bestätigt die Aussage: „Es ist oft so, wenn Du MTV einschaltest: irgendein Video läuft gerade und du weißt nicht, ob Du am Ende eines Songs bist, oder am Anfang — weil sich im Verlauf der Stücke kaum etwas verändert.“ Ja, gibt es in dieser kalten, technisierten Welt —- neben Chris und Carla, versteht sich —- überhaupt noch richtig bodenständige Musiker? „Peter Buck“, antwortet Chris Eckman spontan. Der R.E.M.-Gitarrist, ein alter Kumpel der Walkabouts, hat schon diverse Platten der Band mit seinem Gitarrenspiel veredelt. Und das für einen warmen Händedruck. Buck ist eben Vollblutmusiker. „Wenn sich R.E.M. heute trennen würden, würde Peter trotzdem jeden Tag in seinen Keiler steigen, um neue Songs zu schreiben und zwei Stunden lang Gitarre zu spielen. Und wenn es R.E.M. nie gegeben hätte und Peter in einem Buchladen oder so arbeiten würde – er würde trotzdem jeden abend in seinen Keller gehen, um Songs zuschreiben.“