Clem Snide – München, Atomic Cafe
Liebe deinen Nächsten, auch wenn er dran schuld ist, daß Clem Snide vielleicht nie mehr nach Deutschland kommen.
„This has been the best Oktoberfest ever“, sagt Eef Barzelay mit trockenem Lächeln und schiebt geschäftsmäßig seine Buddy-Holly-BriUe hoch. „Here’s another song about death.“ Wenn jetzt, gegen Ende des Konzertes, immernoch jemand nicht hin und weg wäre im schändlich schlecht gefüllten Atomic -aber es sind eh alle hin und weg.
Daß dies kein gewöhnlicher Abend werden würde, deutete sich schon an, als die vier New Yorker in ziemlich schlimmen weiden Show-Anzügen mit individuellen Hirschmotiven auf den Jacketrücken aus der Garderobe kamen. Und spätestens, als der glorreiche Pete Fitzpatrick im dritten Song, dem in den Spuren von Nick Caves „Red Right Hand“ dahin staksenden (Autolaggressions-Lovesong „Something Beautiful“ („you make me wanna breok something beautiful“) sein Banjo zum Mund hob und ein Solo über den Tonabnehmer durch die Verzerrer heulte, daß einem die Nackenhaare ausfielen, war diesem Korrespondenten alles klar. Wie es gekommen war. daß diese Band ihn damals in Nürnberg im K4 blödsinnig vor Begeisterung hinterließ. Und daß es heute wieder so enden würde. Diese unfaßbare Band! Mit diesen Texten fast ohne Konkurrenz, diesem Geist aus Ironie und Herzensbildung. Der Musikalität bis in die Haarspitzen und der abseitigen Kunst-Biege, den herzschmelzenden Harmonien und lustvoll irren Ausbrüchen. In der Zwischenzeit sang Barzelay – immer die Augen halb geschlossen und mit einem rätselhaften Schmunzeln auf den Lippen – Zeilen wie „now thot Im found I miss beinglost‘ und, zum Beispiel, die „Ballad Of Bitter Honey“, ein Lied aus der Sicht einer der Arschwacklerinnen aus HipHop-Videos, das inder ersten Strophe für Lacher sorgte und einem dann die Tränen in die Augenwinkel trieb. Komödie und Tragödie, Süße und Bitternis, Oktobertest und Tod gibt’s bei Clem Snide, wie im Leben, eben nur im Set.
Fitzpatrick hat derweil als eine Art LoFi-Jonny-Greenwood mit Syd-Barrett.
Schlimmer Anzug, guter Mann: Eef Barzelay
Spieltrieb an Gitarren, Elektrokistchen, Synthharfe hantiert, mit dem Geigenbogen sein Banjo behandelt, seine Tuba durch deren Tonabnehmer getratet. Und der heilige Zorn des Korrespondenten auf die Nixchecker die schuld daran sind, wenn dies nun wirklich die letzte Deutschland-Tour von Clem Snide ist, denn wie soll sich das rechnen für eine Band aus New York, hier in Ignoreland Jahr und Tag vor 40 zahlenden Zuschauern zu spielen? – ist minütlich mehr in Mitleid umgeschlagen für die, die wieder mal eines der tollsten Konzerte des Jahres verpassen. Ja. wir haben sogar schon gebetet für die Ungläubigen. „Pray For The Non-Believers“ hieß das Mantra, das uns Barzelay singen hieß und in das alle gemütlichst einfielen. Wir sind ja nicht nachtragend. Aber wehe …
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