Clash of the Titans
Auf dem Programm stand der Kampf der Metal-Titanen — Teilnehmer: Suicidal Tendencies, Testament, Megadeth und Slayer. Das wurde ein denkwürdiges Ereignis, weil die vier amerikanischen Ultras bei ihren Auftritten zwar jede Menge Aggressionen im Publikum freisetzen, das von manch biederem Verwaltungsbeamten befürchtete Inferno aber schließlich doch in durchweg friedlichen Kanälen versikkerte. Großen Verdienst daran hatten ausgerechnet die Mannen von Suicidal Tendencies, die als Einheizer den 6000 Zuschauern in der Halle von der akrobatischen Seite kamen. Genüßlich exerzierten die Fünf — allen voran Sänger und Hupfdohie Mike Muir — in lockerem Beach-Outfit ihr Verständnis von heiterem West-Coast-Metal und nutzten so die 30 Minuten ihres Auftritts dazu, die gespannte Stimmung gleich von vornherein in eher unterhaltsame Bahnen zu lenken.
„How Will I Laugh Tomorrow“ — dieser sarkastische Song der Suicidal Tendencies hätte als Motto über der dürftigen Leistung von Testament stehen können. Die fünf Speed-Metaller verstrickten sich so sehr in ausgelutschte Metal-Klischees, daß ihre Noise-Attacken schließlich nur noch im Phonbrei erstickten.
Auch die hochgelobten Haudegen von Megadeth, die sich um den bärtigen Gitarristen und Sänger Dave Mustaine scharten, mußten ganz gehörig Federn lassen. Obwohl gerade Mustaine gerne den aufgeweckten Prototyp des Metal-Heroen für die 90er Jahre verkörpern möchte, erwies sich die Doppel-Belastung durch Gitarre und Gesang doch als Handicap. Zudem legte er eine hypercoole Art an den Tag, die seine drei Mitstreiter zur reinen Begleitcombo degradierte. Damit läßt sich auf Dauer kein Thrash-Blumentopf gewinnen.
Um so gespannter durfte man auf die Orgie der bösen Buben aus New York sein. Und Slayer enttäuschten die Erwartungen nicht. Wie aus einem Guß fegten die Vier alle Zweifel mit ihrem kerosinhaltigen Mega-Metal von der Bühne. Hin- und hergerissen zwischen Amok und Koma, geriet das Publikum angesichts der kompakten Frontal-Angriffe von Slayer, die im gesamten Genre momentan ihresgleichen suchen, gewaltig ins Taumeln. Ohne jemals die soziale Ordnung zu gefährden, paukten sich die Slayer-Kämpen durch ihre umstrittenen Songs. Gitarrist Kerry King, der mit der Stachelmanschette am Unterarm, hämmerte auf sein Instrument ein. daß die Saiten nur so stöhnten.
Im Vergleich dazu sind Abräumer wie Metallica lediglich lammfromme Biedermänner. Dabei gefielen sich die Musiker von Slayer keineswegs in der Rolle musikalischer Anarchos, die alles nur in Schutt und Asche legen wollen — sie läuten mit ihren Thrash- und Speed-Orgien nur das Ende des konventionellen Heavy Metal ein. Das Volk war schwer beeindruckt; der Sieger im Kampf der Titanen stand fest.