„Citizen Kane“: Alles zum Film, der die Geschichte in „Mank“ inspirierte
David Finchers Netflix-Film erzählt von der Entstehungsgeschichte hinter dem Drehbuch zu „Citizen Kane“. Das Regiedebüt von Orson Welles gilt als einflussreicher Meilenstein der Filmgeschichte. Worum es darin geht, wie der Film in „Mank“ thematisiert wird und warum das Werk auf dem Jahr 1941 immer noch relevant ist, erfahrt Ihr hier.
Worum es in „Citizen Kane“ geht: Im Jahr 1941 stirbt der steinreiche Medienmogul Charles Foster Kane (gespielt von Orson Welles) auf seinem riesigen Anwesen Xanadu in Florida. Sein letztes Wort lautet „Rosebud“ – und das sorgt für einige Spekulationen, auch bei dem Journalisten Thompson (William Alland), der sich prompt auf die Suche nach der Bedeutung hinter diesem ominösen Wort begibt. Er befragt alte Weggefährten des Tycoons, zum Beispiel Jedediah Leland (Joseph Cotten), einen ehemaligen „Inquirer“-Reporter und Kanes früherer bester Freund, oder auch Kanes zweite Frau, Susan Alexander Kane (Dorothy Comingore). Durch Thompson, der im Film quasi als Stellvertreter für das ebenfalls neugierige Publikum fungiert, erfahren wir nach und nach mehr Details aus dem Leben des verstorbenen Verlegers. Seht hier noch mal den Trailer zum Klassiker.
Was den Film so revolutionär macht, ist dessen fortschrittliche Erzählstruktur: In Rückblenden erfahren wir mehr über die Lebensgeschichte von Charles Foster Kane. Diese Flashbacks sind jedoch nicht künstlich an die jeweilige Stelle gesetzt, sie werden stattdessen als tatsächliche Erinnerungen der Befragten dargestellt. Man wird gewissermaßen aus erster Hand auf den neuen Stand der Recherchen gebracht und in die jeweilige Zeit – sprich Kanes Kindheit, Kanes frühe Zeit als Verleger, Kane erste Ehe – mitgenommen. Das ist jedoch nie dröge, wie in so manchem Biopic, sondern stets lebhaft erzählt, passiert doch alles recht situativ, je nachdem, wer gerade der Interviewpartner des Reporters ist. Vor allem durch diese erfrischende Art des Erzählens wirkt „Citizen Kane“ – auch wenn er schon vor mehr als einem dreiviertel Jahrhundert veröffentlicht wurde – immer noch modern. Das liegt auch an der progressiven Kameraführung von Gregg Toland, dessen Kamera sich immer zu bewegen scheint und mit experimentellen Einstellungen auftrumpft.
Der Film aus dem Jahr 1941 war jedenfalls kein gewöhnliches Regiedebüt: Regisseur, Hauptdarsteller und Autor Welles wurde mit dem Oscar für das beste Original-Drehbuch ausgezeichnet (auch Herman Mankiewicz erhielt die Trophäe als Co-Autor). Zudem ist „Citizen Kane“ auf zahlreichen Listen der besten Filme aller Zeiten zu finden; nicht wenige davon führt er sogar an.
Verbindungen zur Handlung von „Mank“
Doch inwieweit wird das Meisterwerk von Orson Welles in David Finchers neuem Netflix-Film „Mank“ thematisiert? Zunächst einmal ist es so, dass das Werk unterschwellig den Plot bestimmt, ja überhaupt erst in Gang bringt: Herman Mankiewicz (gespielt von Gary Oldman) erhält den Auftrag für das Drehbuch und zieht sich auf die Ranch zurück, um es dort – fristgerecht – für Orson Welles zu schreiben. Während er also sich ans Verfassen macht, erinnert er sich an einige Episoden aus seinem eigenen Leben – und prompt springt die Handlung zwischen der Hauptzeitebene (das Jahr 1940) zu ausgewählten Situationen in den 1930ern. Rein narrativ gesehen schaut sich Fincher hier eben jenen Kniff von „Citizen Kane“ ab, der den Film so besonders machte.
Es ist vor allem eine Person, die laut „Mank“ die Figur des Charles Foster Kane inspirierte, nämlich William Randolph Hearst (gespielt von Charles Dance). Genau wie Kane ist Hearst ein Medientycoon, ihm gehören zahlreiche Klatschblätter. Im Film entwickelt Mankiewicz vor allem eine Abneigung gegen Hearst, da er seine gesellschaftlich privilegierte Situation ausnutzt und seine Kontakte in die Chefetagen der Politik sowie die Filmbranche ausspielt und zu seinem eigenen Profit ausnutzt.
„Mank“ nimmt sich hier einen gewissen interpretatorischen Freiraum, hat Autor und Regisseur Welles doch selbst bestätigt, dass Hearst zwar Inspiration für die Figur war, aber eben auch viele andere Menschen. Das untermauerte er beispielsweise in einem empfehlenswerten Interview mit Dick Cavett Anfang der 1970er-Jahre.
Nichtsdestotrotz war es vor allem die Hearst-Familie, die wollte, dass der Film nicht nur nicht aufgeführt, sondern auch zerstört wird. Ein weiterer Grund hierfür war, dass Hearst Welles verdächtigte, die weibliche Hauptrolle der Susan Alexander Kane auf Hearts Ehefrau, der ehemaligen Schauspielerin Marion Davies (in „Mank“ von Amanda Seyfried verkörpert), basiert zu haben. Welles widersprach dieser These. Woher Susan Alexander Kane ihren Nachnamen hat, ist jedenfalls bestätigt: Er stammt von Herman Mankiewicz‘ Sekretärin Rita Alexander, die in „Mank“ von Lily Collins gespielt wird.
Auch seitens Louis B. Mayers, dem damaligen Studio-Boss von MGM, der in „Mank“ von Arliss Howard gemimt wird, gab es ein Angebot an RKO – die Produktionsfirma von „Citizen Kane“ – um den Film und alle dazugehörigen Negative zu zerstören. Es belief sich auf 805.000 US-Dollar. Diskreditieren konnten all die Attacken „Citizen Kane“ jedenfalls nicht. Unter Expert*innen gilt er bis heute als unumstrittenes Meisterwerk.
Einfluss und Rezeption in der Popkultur
Der Einfluss von „Citizen Kane“ auf folgende Filmproduktionen ist spürbar und gleichzeitig kaum nachzumessen. Sowohl der Inhalt des Films – es ist ein Abgesang auf den amerikanischen Traum – wie auch die Erzähltechnik waren mustergültig und ebneten den Weg für komplexe Narrative, die sich vom konventionellen linearen Erzählen lösen.
Auch modernere Werke der Popkultur hat der Film inspiriert: So orientiert sich der Film „Velvet Goldmine“ mit Ewan McGregor sehr direkt an der damaligen Filmstruktur. In Todd Haynes‘ Film aus dem Jahr 1998 wird die Geschichte des fiktiven 70er-Jahre-Glam-Rockstars Brian Slade (Jonathan Rhys Meyers) erzählt, aber aus der Perspektive des Journalisten Arthur Stuart (Christian Bale), der, Jahre nach Slades gr0ßer Zeit, einen Artikel über ihn schreibt.
Doch „Citizen Kane“ wurde auch vielfach parodiert, so etwa mehrfach bei den „Simpsons“. Am prominentesten passiert es aber sich is in einer Folge der beliebten Zeichentrickserie, in der zwei besonders ikonographische Szene haargenau auf die Schippe genommen werden, unter anderem die berühmte Eröffnungsszene mit der zerbrochenen Schneekugel: Hier heißt der Protagonist allerdings nicht Kane, sondern Montgomery Burns. Wer es nachschauen will: Es ist die vierte Episode, der fünften Staffel. Titel der Folge? „Rosebud“.