Bittersüßer Neuanfang?


The Verve sind Geschichte. Im Februar 1994 gingen sie zum ersten Mal auf Deutschland-Tour. Damals wollten kaum mehr als 40 bis 50 Leute den exaltierten Richard Ashcroft und seine Band sehen. „Mad Richard“, wie er von den englischen Musikmagazinen bezeichnet wurde, tänzelte barfuß und benebelt auf der Bühne, fern von dieser Welt. Die verspultpsychedelische Musik des Albums „A Storm in 1 leaven‘ war nichts für die breite Masse. Dennoch war jedem im Raum klar: Das da oben ist nicht nur ein musikalischer Maniac, sondern der geborene Popstar. Seine ehemaligen Schulfreunde und Mitbegründer der Band, Simon lones (b), Pete Salisbury (dr) und Nick McCabe (git), mußten damit klarkommen. Kurz nach der Tour der erste Arger: Verve wurden wegen ihres Namens von dem gleichnamigen US-Label verklagt – und setzten vor „Verve“ den Artikel „The“. Mittelmäßig beachtete Auftritte mit Oasis als Support folgten. Noel Gallagher widmete Richard Ashcroft später sogar den Song „Cast No Shadow“ und zog mit seiner Band an The Verve vorbei. Desillusioniert vom großen Traum, die „beste Band der Welt“ zu haben, verirrte sich Ashcroft in tiefen Depressionen. Nachzuhören auf dem zweiten Album, „A Northern Soul“. Die Kluft innerhalb der Band wurde immer größer. Im September 1995 schließlich stieg Ashcroft aus. Hauptgrund war – neben Alkohol- und Drogenexzessen – der ständige Streit zwischen ihm und McCabe. Ashcroft ging schließlich solo mit Oasis auf Tour. Doch er war weiter unzufrieden, versuchte, eine neue Band zu gründen. Doch das entscheidende Element fehlte: Nick McCabe. Er nämlich war der inspirierte Gitarrist, ohne den The Verve nur wie eine gutgemeinte Kopie ihrer selbst klangen. Ashcroft holte ihn schließlich 1996 zurück – das zweite Kapitel in der Bandgeschichte konnte aufgeschlagen werden. Wieder hatte Ashcroft die Möglichkeit, sein Gefühl von Unverstandensein in Songs zu verpacken. Das Resultat sollte dieses Mal alles übertreffen. „Llrban Hymns“ war intensiver und bewegender als alles andere, was bekannte britische Mitbewerber bis dato hervorgebracht hatten. Die Hymne „Bitter Sweet Symphony“ öffnete der Band den Weg zur Massenakzeptanz. Die erste Wiedervereinigungs-Tour durch England wurde wie ein Geschenk Gottes aufgenommen, die Euphorie war kaum zu bremsen. Dann die zweite Tour, die sie auch nach Deutschland führte. Vor dem geplanten Gig in Düsseldorf verabschiedete sich Simon Jones, angeblich wegen Krankheit, von der Band. Alle Deutschland-Konzerte wurden abgesagt. Kurz vor der geplanten Amerika-Tour dann das Desaster: Nick McCabe stieg kommentarlos aus. Wieder begannen die Spekulationen, die sich weniger um die Krankheit einzelner Mitglieder, denn um das kränkelnde Verhältnis innerhalb der Band drehten. Das Ende von The Verve zog sich so zäh, wie ihre nicht enden wollenden, für The Verve zum Markenzeichen gewordenen sphärischen Songs. Anfang dieses Jahres kamen dann Gerüchte auf, daß Ashcroft alleine in einem Londoner Studio Songs aufnähme. Nun ist es offiziell: Er arbeitet mit Pete Salisbury an neuem Material für ein Solo-Album. Immer dabei: Ashcrofts Frau Kate Radley, Sängerin von Spiritualized. Bassist Simon Jones, Gitarrist Nick McCabe und Simon Tong, der seit „Urban Hymns“ dabei war, arbeiten währenddessen an einem eigenen Projekt.