Billy Squier
Ein neues Gesicht am Hardrock-Himmel. Der 30jährige Gitarrist stellt sich in Deutschland erstmals im Vorprogramm von Whitesnake vor.
Die erste LP THE TALE OF THE TAPE deutete es an, mit dem zweiten Album DON’T SAY NO wurde es zur Gewißheit: Led Zeppelin are back! Doch keineswegs in Gestalt der ergrauten Altväter Page, Plant, Jones und Bonham. Die vier Rock-Eminenzen haben sich längst auf’s Altenteil verzogen oder sind in die ewigen Jagdgründe entschwunden. Ihre Jünger hingegen sind herangewachsen und halten den Heavy Metal lautstark in Ehren. Von allen Led-Zeppelin-Plagiaten stach in jüngster Vergangenheit ein Gitarrist ins Auge, der noch am originellsten dem alten Geist und Sound zu neuer Blüte verhilft: Billy Squier, 30, aus Boston/USA.
Anfang September, Interview-Termin in Hamburg. Billy kommt gerade aus England. Vom Reading Festival. Er hat dort „abgeräumt“. Der „beste Gig seit langem“. Der dunkle Lockenkopf wirkt selbstsicher, überzeugend. Und gesprächsbereit. Kein verbohrter, desinteressierter Typ auf dem Star-Trip. Ein Profi, jedoch mit viel Charme und ehrlicher Offenheit. „Just a real normal kinda gvy who knows what he wants“, wie ein amerikanischer Schreiber treffend feststellte.
„In der englischen Presse wirst du sicher andere Dinge über unseren Reading-Auttritt vorfinden“, fügt Billy sicherheitshalber gleich hinzu. „Die machen dich nieder, sobald du erfolgreich bist.“ Das Lamento über die britischen Kollegen sprudelt in letzter Zeit des öfteren englischen/amerikanischen Musikern über die Lippen. Doch das ist ’ne andere Story.
Auf dem Reading-Festival trafen Billy und seine vier Begleiter auf alte Freunde: Whitesnake. Mit ihnen tourten sie im Frühjahr durch die englische Provinz. Damals war das Echo der Musikpresse noch äußerst positiv. Billys Gitarrenkünste wurden hochgelobt. Zusammen mit den Deep-Purple-Rentnern Coverdale und Lord geht’s für die US-Boys im Dezember nun auch auf Rundreise durch deutsche Lande.
Was liegt also näher als die Frage nach der musikalischen Sparte, in der Billy Squier sich zu behaupten wagt. Rock? Pop? Rhythm & Blues? Oder etwa Heavy Metal? Seine Plattenfirma EMI kreierte gar die aberwitzige Wortschöpfung vom „Heavy-Metal-Liedermacher“. Georg Danzer in Lederkluft mit nackter Hühnerbrust, die Gitarre in Ted-Nougat-Kampfpose malträtierend?
„I’m definitely n o t Heavy Metal“, entfährt es Billy. „Ich sag‘ das nicht, weil ich Heavy Metal nicht mag. Ich spiel’s halt nicht. I do not write things to knock people against the wall and keep them there.“ Die alte Mär von den Headbangern. „Meine Musik ist zwar heavy, aber keineswegs Heavy Metal.“ Was dann? „Es liegt irgendwo zwischen allem. Manchmal sag ich, es ist Heavy Rock. Aber was heißt das schon?“ Belichten wir die Geschichte von einer anderen Seite: Seine Kindheit verbrachte Squier in den Vorstädten von Boston. Als Sproß einer recht bürgerlichen Mittelklasse-Familie. Alles geordnet alles sauber, alles rundum paletti. Uni und der hochdotierte akademische Job waren von vorprogrammiert. Schon frühzeitig aber wurde das dröhnende Radio, nicht Baseball oder Rechenschieber, sein wichtigster Lebensgefährte. Patriotismus kannte er ebensowenig. Die Briten hatten die Vormacht in Billys Welt.
„Beatles, Stones, Kinks, Who und Yardbirds waren meine Favoriten. Von Anbeginn stand ich total auf Gitarristen: Peter Green, Keith Richards, Clapton, Jeff Beck, Jimmy Page und Hendrix. Das waren meine Stars.“ Mit zwölf Lenzen hielt Billy die erste Klampfe im Anschlag. Natürlich inspirierten die englischen Idole zum Abkupfern. Mit Freunden gründete der 14jährige seine ersten Rockgruppen – Garagen- und drittklassige Club-Bands, die von den Fab Four bis zu den bluesigen Fleetwood Mac alles runterschrubbten.
Nach der Penne stand die Highschool auf dem Programm das war der unwiderrufliche Wunsch der Eltern. „Dort hob ich’s nur einige Monate ausgeholten. Reine Zeitverschwendung. Ich wollte Musik machen, also haute ich in den Sack.“ Die erste namhafte Rockband hieß Magic Terry and The Universe. Einige Gastspiele in New Yorker Keller-Clubs sprangen dabei heraus, mehr aber auch nicht. Immerhin: Der erste Kontakt mit dem Big Apple, dem Puls der US -Rockszene.
Nächste Station: The Sidewinders. Die Bostoner Popband hatte gerade vor Billys Aufkreuzen ihre erste LP aufgenommen. Produzent: Lenny Kaye. Musikalische Differenzen zwischen Billy und Sänger Andy Paley führten schnell zum Split. „Andy wollte so’ne Art Teeny-Bopper-Bubble-Gum-Hero sein. Das stand nicht aufm einem Zettel. „Billy stieg aus und unterschrieb einen Vertrag mit einer Management-Company. Ergebnis: Binnen kurzer Zeit lag ein Platten-Deal mit A & M für seine neue Band Piper auf dem Tisch. „Piper war eine Weiterentwicklung der Sidewinders-Kiste – etwas rockiger und vor allem mit mehr von meinen eigenen Ideen.“ Trotz zweier LPs blieben Piper erfolglos auf der Strecke.
Für Billy war es dennoch eine wichtige Phase. Er sammelte Erfahrungen, wenn auch meist schlechte. Doch sie stapelten sich als Bausteine, als Fundament für die heutige Karriere. „Ich glaube, die wichtigste Erkenntnis für mich aus all den Jahren ist: Ich bin kein overnight success! Ich hab‘ lange und hart gearbeitet, viele Jahre probiert und experimentiert. 13 Jahre mache ich jetzt professionell Rockmusik. Eine lange Zeit, in der ich mir vieles angeeignet habe. Ich möchte heute voll und ganz in meiner Sache drinstecken, ich schreibe meine eigenen Stücke, singe alles, spiele möglichst alle Gitarrenparts und produziere.“ Der Alleingang hat sich für Billy bezahlt gemacht. Seine LP DON’T SAY NO klebt in den amerikanischen Top 20. Der Dollar rollt. Die Konzertveranstalter lecken sich die Finger nach ihm. Ein befriedigendes Gefühl?
„Klar. Musik war und ist das Einzige, was mich interessiert. Manchmal beängstigt mich das schon. Aber wenn’s für dich nach so langer Zeit losgeht, bist du wahnsinnig happy. Du mußt nur am Ball bleiben. Mußt überall versuchen, die Finger drin zu haben. An allen Knöpfen mußt du selber drehen. Musik ist heute Business. Da kannst du nicht nur ins Studio gehen, eine LP einspielen und diese von einer Firma auf den Markt bringen lassen. Du mußt überall auf der Matte stehen, immer deine Vorstellungen durchdrücken. Es geht um deinen Kopf, um deine Kohle. Neben dem Musiker muß du heute umso mehr auch ein ausgefuchster Business-Typ sein. Sonst haut dich jeder übers Ohr.“