Big Macs


In einem Frankfurter Studio wird nicht nur die neue Snap-LP produziert, sondern auch die technologische Zukunft eingeläutert.

Alles was Michael Münzing und Luca Anzelotti anfassen, machen sie zu Gold. Einmal, vor nicht ganz anderthalb Jahren, zauberten die modernen Alchemisten in ihrer Soundküche sogar Platin: Der Rohstoff hieß Snap -— und „I’ve Got The Power“ das erste erfolgreiche Werkstück daraus. Mehr als 1.5 Millionen Exemplare der Maxi wurden verkauft, der Nachfolge-Hit „Cult Of Snap“ ging in ähnlichen Stückzahlen über die Ladentische, und vom Album „World Power“ schließlich wurden rund um den Globus rund drei Millionen abgesetzt.

Ein Alchemistentraum — aber einer, der den Frankfurter Soundköchen auch Kopfzerbrechen bereitet. Spätestens seit dem Supercoup mit Snap wissen sich Anzelotti und Münzing ständig in der Gefahr, von Alchemisten zu Zauberlehrlingen degradiert zu werden, die der Geister nicht mehr Herr werden, die sie da so wirkungsvoll gerufen haben. „Seit wir vor drei Jahren hier eingezogen sind, bauen wir ständig an und um“, stöhnt Münzing denn auch, als er mich durch das Logic-Hauptquartier an der Grenze zwischen Frankfurt und Offenbach führt, wo Studio, Label und Verlag untergebracht sind. Das Team, das Anzelotti, Münzing und ihr fürs Administrative zuständige Partner Mathias Martinson hier dirigieren, umfaßt inzwischen fast 30 Leute, vom Toningenieur bis zur hauseigenen Graphik-Abteilung.

„Wir versuchen, von den Plattenfirmen so unabhängig wie möglich zu operieren, bis auf den Vertrieb so gut wie alles möglichst selbst im Griff zu behalten, damit die Leute auch wirklich das Produkt kriegen, das wir uns vorstellen. Seit dem Erfolg mit Snap ist das alles natürlich noch schwerer geworden, weil noch mehr von uns verlangt wird. „

Der Weg aus der Zwickmühle führt für die Logic-Masterminds über modernste Technologie. Die Alchemisten von heute arbeiten nicht mehr mit Destillierkolben und grünen Dämpfen — hypermoderne Computertechnologie ist angesagt. Im Falle von Logic heißt das nicht nur, daß schon seit Jahren mit vollcomputerisierten Studios gearbeitet wird, in denen das gute alte Masterband nur noch eine Nebenrolle als Träger für menschliche Stimmen und gelegentlich eingesetzte „Naturinstrumente“ spielt: mit der Produktion des neuen Snap-Albums wird diesmal ein Schritt in die technologische Zukunft getan. Dafür haben die Logic-Leute ihr Studio von den bisher üblichen Atari-Computern gänzlich auf Apple umgestellt. Das mächtige Zauberwort dabei heißt „Total Recall Computerfreak Münzing erklärt stolz: „Alle, wirklich alle Vorgänge laufen hier über einen zentralen Rechner, Alles wird von ihm gesteuert, vor allem aber kann er sich auch alles merken. All die vielen Einstellungen die nötig sind, um einen wirklich ausgefallenen Sound zu kreieren, können hier per Knopfdruck sofort abgespeichert und ebenso prompt auch wieder aus diesem Supergedächtnis abgerufen werden. Das spart nicht nur enorm viel Zeit, weil das lästige lange Suchen nach den Klängen und Mischungen des Vortages wegfällt, sondern hält einem den Kopf auch für die wirklich kreativen Gedanken frei -und das ist der absolute Traum eines jedes Toningenieurs.“

Anzelotti strahlt: „Hier sind Geräte im Einsatz, die noch gar nicht auf dem Markt sind, und Software in Betatest-Versionen, die uns die Entwickler der jeweiligen Firmen geschickt haben!“

Es ist schwer, Anzeiotti und Münzing zu bremsen, wenn sie von den Vorzügen ihrer futuristischen Goldmacherwerkzeuge schwärmen, von der Optik-Disc, auf der schließlich das komplette Album gespeichert und aufbewahrt werden wird (ein Masterband gibt’s nicht mehr), bis hin zu den Sounds, die problemlos verändert werden können, während die Aufnahme in Echtzeit weiterläuft. Mit Hilfe der Technologie schließlich wollen sie auch das Zauberlehrlings-Problem im Griff behalten. „Nach dem Erfolg von Snap war es fast soweit, daß wir selber überhaupt nicht mehr zum kreativen Arbeiten kamen, weil ständig einer unserer Mitarbeiter irgendetwas von uns wissen oder irgendwelche Entscheidungen von uns erfragen wollte. Das wollten wir abstellen, ohne deshalb die Kontrolle über unser Produkt zu verlieren“, erzählt Münzing. „Deshalb haben wir unsere ganze Firma voll über Apple vernetzt. Im Grunde ist es so, daß jetzt der Rechner alles Administrative übernimmt und die Leute den Kopf fürs Kreative frei haben.“

Voraussetzung ist, daß alle Mitarbeiter den jeweiligen Stand ihrer Arbeit immer brav in den hausinternen Datenlauf eingeben, „dann hat jeder Mitarbeiter stets den Zugriff auf alle wichtigen aktuellen Vorgänge. Wenn das klappt, ist auch die Gefahr gebannt, daß uns unser Erfolg und Arbeit über den Kopf wächst.“

Damit es dem tanzenden Volk bei all der technischen Perfektion nicht kalt, sondern eher heiß wird, braucht es aber auch heute noch so altmodische Dinge wie Gefühl und Witz — dafür ist bei Snap der schwergewichtige Rapper Turbo B, ein ehemaliger Gl, zuständig. „Ich bringe den ,human touch‘ ins Spiel“, umreißt Turbo seine Aufgabe. „Ich schreibe die Lyrics, von mir kommen die Raps und Slogans, ich bringe die Stimme, den Soul und das Feeling ein.“ In dieser Rolle wird Turbo für Snap immer wichtiger, wie auch Luca Anzelotti einräumt: „Der Turbo hat seine Lehrzeit in Sachen Showbusiness jetzt eindeutig hinter sich, hat sich toll freigeschwommen und vertritt das Projekt Snap jetzt nach außen. Von ihm kam das inhaltliche Konzept für das neue Album, damit verbunden auch der Albumtitel ,Madman Returns‘, und er überlegt sich jetzt schon, wie er das alles wieder in eine tolle Live-Show umsetzen kann. „

Diese Live-Show will Turbo konsequent nach dem Madman-Motiv gestalten: „Auch die Bühne habe ich schon entworfen. Ich nenne sie das ,Madhouse“ Die Texte der neuen Stücke sind, glaubt man ihrem Urheber, diesmal „vieltiefer, gehen viel mehr ins Persönliche. Beim ersten Mal mußte alles so schnell gehen, weil nach dem Erfolg der ersten Single unbedingt das Album fertig werden mußte. Da konnte man dann nur kurze, knappe Slogans machen — diesmal kommt alles mehr von Herzen. “ Damit will Turbo auch bewußt Gegengewichte zu Anzelotti und Münzing setzen, die er als „Scientists“, als Sound-Wissenschaftler ansieht.

Münzing widerspricht da nicht:

„Der Turbo schlägt die Themen vor, kommt mit den Refrains und den Raps, schleppt die Gesangsmädel an — und wir arbeiten halt die Grooves und Melodien aus, entwickeln Sounds, setzen ihm die Basis, auf der er sich entfalten kann.“

Damit das funktioniert, arbeiten die Wissenschaftler mit deutscher Gründlichkeit, um in Sachen Dancefloor auf dem jeweils aktuellsten Wissensstand zu bleiben. Nicht nur in Münzings eigenem Frankfurter In-Club „Omen“ (in dem er auch nach wie vor gelegentlich als Deejay im Einsatz ist) schauen sie dem Dance-Volk auf die Füße, vor allem Anzelotti ist zudem als Dancefloor-Frontberichterstatter immer wieder rund um die Welt unterwegs. „Alle paar Wochen starte ich zu einem Trip nach London, Mailand, in die Staaten oder sonstwohin, um mir anzusehen, was dort in den Clubs abgeht. „

Probleme mit Türstehern werden dabei ganz methodisch im Vorfeld ausgeräumt: „Wenn wir irgendwohin kommen, wo man uns nicht kennt, rufen wir halt vorher an — dann läuft das schon“, grinst Münzing übers ganze Gesicht.

In einem Punkt haben die Logic-Macher dem Zauberlehrlingssyndrom aber doch schon Tribut zollen müssen: Das neue Snap-Werk wird im Gegensatz zum Erstling wohl keine, oder wenn dann nur ganz wenige, Samples enthalten.

„Wir haben die Nase einfach gestrichen voll von all dem juristischen Gedöns, den das nach sich zieht“, gesteht Miinzing. „Nach dem Erfolg unseres Albums ist genau das passiert, was eigentlich immer staltfindet, wenn irgendwo einer erfolgreich ist und Geld verdient; Dann wollen andere mitverdienen.“ Im Klartext: Die Anwälte der Snapper hatten schon bald nach den ersten Chart-Entries alle Hände voll zu tun, weil Künstler, die Münzing/Anzelotti sample-weise zitiert hatten, ihr Stück vom Kuchen haben wollten. „Wir hatten die wirklich immer nur zitiert, immer nur so ganz kleine kurze Samples, wirklich nur Spielereien. Auf Meenklau sind wir nun wirklich nicht angewiesen. “ Münzing mault: „Zum Teil haben da Leute Ansprüche angemeldet, die wir gar nicht gesampelt hatten — einfach so auf gut Glück wohl. „

Und Anzelotti gibt sich sogar ein bißchen beleidigt: „Wir sind selbst doch noch viel mehr gesampelt worden. Mein Gott, wo hat man in den letzten Monaten nicht überall plötzlich Snap-Gitarren und Turbos typische Grunzer auf irgendwelche durchschnittlichen Dance-Scheiben gepackt — wenn wir da auch immer gleich mit Forderungen gekommen wären …“

Zu gerichtlichen Auseinandersetzungen ist es zwar nicht gekommen, man hat sich stets von Anwalt zu Anwalt gütlich geeinigt, aber den Logic-Leuten reicht’s:

„Naturlich kümmern sich darum in erster Linie unsere Anwälte. Aber du mußt ja trotzdem in die ganze Sache eingeschaltet bleiben, mußt dich mit all dem Kram auseinandersetzen und dazu Stellung nehmen — und das ist wieder etwas, was dich nur am kreativen Arbeiten hindert. Deshalb haben wir uns geschworen, diesmal entweder gar keine Fremd-Samples einzubauen, oder, wenn wir uns am Schluß dann doch noch das ein oder andere Zitate leisten wollen, halt jeden gesampelten Pfurz und jeden Piepser ganz brav vorher rechtlich abzuklären.“