Beständig und konsequent sei deine Band
Drei Stunden vor dem München-Livedebüt von The Drums rief der ME die kühlen New Yorker ins Backstage des „Atomic Café“ zum Liederraten. Und alle kamen: Jonathan Pierce, Jacob Graham, Connor Hanwick und der sehr zurückhaltende Adam Kessler (dessen Ausstieg prompt kurz nach unserem Termin mit der Band vermeldet wurde). Die vier mögen es tight und stimmig. Und nur so!
Beach Boys „Surfin‘ Safari“
Jacob: Das sind wohl die Beach Boys. Ich finde das ziemlich schrecklich. Ich glaube nicht, dass sie irgendeinem von uns je viel bedeutet haben.
Wegen eures Songs „Let’s Go Surfing“ werdet ihr aber häufig mit ihnen verglichen.
Jonathan: Aber wenn der heißen würde „Let’s Go Play Basketball“, wäre keiner darauf gekommen. Wir sind besessen von – wie soll man sagen – vintage Americana. Visuell orientieren wir uns sehr an den 50ern und 60ern in Amerika. Und die Beach Boys waren natürlich eine Facette dieser Zeit, aber … Sie waren für mich immer ein totales Novelty-Ding.
The Zombies „I Want Her She Wants Me“
Dafür mögt ihr die hier gern, oder?
Jonathan: Die Zombies. Siehst du: Das klingt nach Herzblut. Aufrichtig.
Connor: Die Zombies hatten ein starkes Konzept und einen starken Charakter als Band. Sie hatten etwas Abseitiges, Exzentrisches. Die Beach Boys waren eher so good clean fun.
Ramones „I Wanna Be Your Boyfriend“
Die hier hatten auch so eine Faszination für die 50er.
Connor: Die sind ein großer Einfluss auf uns. Wir reden hier viel über die Beständigkeit und Konsequenz von Bands, die wir respektieren und bewundern. Bands, die Album um Album rausbringen mit beständig guten Songs, und die nicht abweichen von ihrer ursprünglichen Vision.
Jacob: Diese Band ist – wie die Zombies – konzeptionell sehr stark. Von den Songs über die Namen der Musiker, Look, Artwork, Image und Musik – das war bei denen alles tight und stimmig verknüpft und durchdrang auch alles andere. Das ist uns auch sehr wichtig.
The Smiths „Hand In Glove“
Jonathan: Noch eine konsequente Band, die anderen ihre Welt angeboten hat. Die Album-Artworks der Smiths sehen so aus wie ihre Musik klingt, ihr Style, ihre Videos – alles in sich extrem stimmig.
Jacob: Und sie haben sich nicht ständig irgendwie entwickelt – es sagt ja heute niemand: „Oh, ich mag diese oder jene Smiths-Phase besonders gern.“ Sondern: „Ich mag die Smiths.“ Weil sie beständig waren und sich nicht von Trends haben beirren lassen.
The Cure „Play For Today“
Die hier hatten auf jeden Fall so einige „Phasen“.
Jonathan: Wir werden oft mit denen verglichen, aber wir hören NIE The Cure. Sie waren mir nie direkt genug. PORNOGRAPHY und DISINTEGRATION zusammen reißen für mich nicht so viel wie der eine Song „Boys Don’t Cry“. Wenn sie nur diesen einen Song geschrieben hätten, wären sie eine großartige Band, haha.
Connor: Das ist zu verschiedenartig, zu verwässert.
Jonathan: Ich würde sagen, die Smiths mit The Cure zu vergleichen ist wie mit den Strokes und den Yeah Yeah Yeahs. Die Strokes spielen ihren Rock’n’Roll. Die Yeah Yeah Yeahs probieren so rum, schmeißen die Gitarren raus und benutzen Synthesizer. Ein paar der neueren Songs klingen, als könnte sie auch Gwen Stefani singen. Und ich glaube ehrlich, sie werden in zehn Jahren bereuen, dass sie das getan haben.
The Shangri-Las „Give Him A Great Big Kiss“
Jonathan: Ah! Die Shangri-Las sind ja einer der Hauptgründe, warum es The Drums überhaupt gibt! Ein Freund hat mir genau diesen Song vor zwei Jahren vorgespielt, und Jacob und ich fanden ihn derart cool, dass wir anfingen, alles über diese Band zu lesen, was wir finden konnten, richtig obsessiv.
Man hört öfter, dass jemand auf die Ronettes abgeht …
Jonathan: Die Shangri-Las waren viel düsterer als die Ronettes. Sie waren quasi bad girls, aber diese Bad-Girls-Songs schrieben andere für sie und sie fühlten sich etwas billig dabei. Aber sie waren so cool …
Jacob: Lauter verrücktes Zeug liest man von denen. Sie waren 15, 16. Mary (Weiss, Leadsängerin – Anm. d. Red.) wurde mal verhaftet, weil sie eine Knarre in ihrer Handtasche hatte.
Jonathan: Am Ende waren sie völlig desillusioniert vom Musikgeschäft. Was das für ein seltsames Leben sein muss. Sie waren 15, 16, als sie 1963 anfingen, dann war es in fünf Jahren vorbei. Und dann hast du Jahrzehnt um Jahrzehnt Zeit, darüber nachzudenken: Ich war das – und ich bin es nicht mehr.
Jacob: Und was wäre, wenn man gewisse Dinge anders gemacht hätte? Fast tragisch. Sie waren so talentiert und inspirierend – aber haben wohl nie Zufriedenheit gefunden.
MGMT „Flash Delirium“
(Stille) Jonathan: (nach einer Weile ins Blaue ratend) Young Marble Giants oder so?
MGMT.
Connor: (schnauft) Ah, deshalb.
Deshalb was?
Connor: Deshalb erkennt’s keiner von uns.
Jonathan: (feixend) Bin ich froh, dass wir’s nicht erkannt haben.
Gibt’s irgendwelche Probleme zwischen euch und MGMT?
Jonathan: Nein, nein, wir … wir wissen nur nicht so viel von ihnen. Wir kennen die paar Songs, denen man ja nicht entkommen kann.
Connor: Auf der ersten Platte waren ja ein paar gute Songs.
Jacob: Sie scheinen mir das Gegenteil von all den konzeptionell starken Bands zu sein, über die wir jetzt geredet haben. Ich erkenne sie nicht auf ihren Fotos, ich erkenne sie nicht an ihrem Sound, die Liveshow ist noch mal was völlig anderes …
Jonathan: Ich interessiere mich nicht im Geringsten für MGMT.
Albumkritik ME 6/10
Story ME 7/10
www.thedrums.com