Beastie Boys‘ Mike D und Ad-Rock: „Wir haben eine Karriere daraus gemacht, uns selbst zu unterhalten“
Die zwei verbliebenen Beastie Boys, Mike D und Ad-Rock, waren für ihre schlicht „Beastie Boys Buch“ betitelte Biographie auf ihrer vielleicht letzten großen (Promo-)Tour – auf der sie auch die ME-Redakteure Stephan Rehm Rozanes und Annett Scheffel zum Gespräch trafen.
2012 verlor Mastermind Adam „MCA“ Yauch einen dreijährigen Kampf gegen den Krebs. Zwei Jahre später verkündeten die verbliebenen Beastie Boys, dass es ohne MCA keine Zukunft für die erfolgreichste HipHop-Band der Musikgeschichte geben kann. Als Schlussstrich haben Michael „Mike D“ Diamond und Adam „King Ad-Rock“ Horovitz nun ein Buch veröffentlicht: 600 Seiten stark, schlicht und konsequent „Beastie Boys Buch“ benannt. „Uns ist nichts Besseres eingefallen“, sagen die Zwei auf ihrer wahrscheinlich letzten großen Promotour um die Welt.
AmazonInterviews laufen meistens nicht so ab, wie man sie als Journalist vorbereitet hat. Sie entwickeln eine Eigendynamik, lassen Gegenfragen zu, ein Gespräch mit offenem Ausgang entsteht. Was die Beastie Boys aber mit ihrem Gegenüber machen, ist ein einziger Irrsinn. Sie drehen den Spieß um, der Fragesteller wird zum Stichwortgeber. Die Beastie Boys interviewen lieber einander, früher zu dritt, jetzt zu zweit. Weil man das vorher weiß, denkt man über Strategien nach, geht schließlich sogar zu zweit hin, in die Hotelsuite in Berlin-Mitte. Natürlich hat man trotzdem keine Chance. Ad-Rock und Mike D tun einfach das, was sie am Besten können: was sie wollen. Ein professionelles Interview ist was anderes, aber bestimmt nicht so ein Riesenspaß. Lesen (und hören) Sie selbst!
Musikexpress: Wir kennen einander sogar schon – wenn auch sehr indirekt. Ihr erwähnt den Musikexpress in eurem Buch. Im Kapitel „HELLO NASTY ist unser bestes Album“ dient euch zur Beweisführung, dass die Platte 1998 Platz 22 in unserer Jahresbestenliste erreicht hat. Sehr ironisch! Dass ihr mit dem Album auf Platz zwei von international weitaus einflussreicheren Magazinen wie „NME“ oder dem „Melody Maker“ wart, wird verschwiegen.
Mike D: Ach, ihr seid das! Na, das ist doch wichtig für die Statistik.
Wir haben nachgeschaut, was bitte schön diese Liste angeführt hat, wenn euer bestes Album in dem Jahr nur Platz 22 war.
Ad-Rock: Ich habe das auch versucht, im Internet zu finden…
Mike D: Ich sage: Phil Collins.
Ad-Rock: Ich sage: Muse waren Top Ten – nein, Top Five.
Es war Fatboy Slim. Der hatte ja einen irren Lauf, für euch remixte er damals „Body Movin‘“.
Mike D: Eben, allein aus Respektgründen sollte er deswegen die Plätze mit uns tauschen.
Ad-Rock: Fatboy Slim hatte drei Hits – und einer davon war unserer.
Spike Jonze hat damals seine bahnbrechenden Clips zu „Praise You“ und „Weapon Of Choice“ gedreht. Für euch zuvor schon den Video-Meilenstein „Sabotage“.
Mike D: Fatboy Slim hatte ein paar gute Videos damals – das ist viel mehr als die meisten Leute haben.
Ad-Rock: Viel mehr als die Smithereens zum Beispiel.
Platz zwei war MECHANICAL ANIMALS. Man kann sagen, was man will, aber das ist ein ordentliches Album.
Ad-Rock: Ich will dazu überhaupt nichts sagen.
Mike D: My lips are sealed.
Und Platz drei: MOON SAFARI. Insgesamt ein gutes Musikjahr. Platz 22 ist zwar immer noch lächerlich, aber …
Ad-Rock: Na ja, könnte schlechter sein. Platz 23 zum Beispiel.
Mike D: Könntet ihr euren Vorgängern in dieser Sache bitte einen Brief schreiben – in unserem Namen? Was war damals nur los?
Wir sind übrigens etwas nervös …
Ad-Rock: (Ohne eine Miene zu verziehen) Das solltet ihr auch!
Ihr seid dafür berühmt, in Interviews nur Quatsch zu erzählen und die Fragen zu ignorieren.
Ad-Rock: Wir sind Entertainer, wir sind hier, um zu unterhalten.
Mike D: Wir haben Infotainment quasi erfunden. Wir waren unserer Zeit voraus. Advertorials – geht alles auf uns zurück.
In erster Linie wollt ihr euch doch selbst unterhalten.
Ad-Rock: Absolut. Und daraus haben wir sogar eine Karriere gemacht.
Habt ihr euch den Nonsens in den Interviews immer spontan ausgedacht? Ging es sogar um eine Wette: Wer die Kollegen mit dem größtmöglichen Stuss aus der Fassung bringt? Ich erinnere mich an ein Interview, in dem Mike D erzählt hat, ihr wärt zur Vorbereitung von HOT SAUCE COMMITTEE PART TWO in Nordalaska gewesen, um dort Recherche in einem U-Boot zu betreiben, und die anderen beiden verziehen keine Miene.
Ad-Rock: DIE Story stimmte sogar!
Mike D: Viele Menschen wissen gar nicht, wie viel Arbeit wir investiert haben, um die verlorene Stadt Atlantis zu finden.
Ad-Rock: Paul Allen, dieser Geschäftsmann, also der hatte diese Riesenyacht mit einem eigenen kleinen U-Boot. Adam Yauch und er sind in das U-Boot und dann … keine Ahnung, ich war nicht dabei. Aber im Ernst: Ist das doof, dass wir das machen? Ich finde nicht. Ich meine, ich verstehe schon, dass das nervt. Also: Wenn euch wirklich was auf der Seele brennt, dann reden wir auch darüber. Und in der restlichen Zeit unterhalten wir.
Um mal nach den Ursprüngen eures Humors zu suchen: Monty Python hatten angeblich einen ebenso großen Einfluss auf euch wie Punkrock.
Beide: Oh ja!
Habt ihr einen Lieblingssketch?
Ad-Rock: Lange her … „Das Ministerium für alberne Gänge“ war sehr prägend. Wir ahmen das ständig nach.
Mike D: Das „Killer-Kaninchen (von Caerbannog“ – Anm. d. Red.) hat als Kind großen Eindruck gemacht. (Der Zimmerservice bringt das Frühstück) Oh, da kommt mein Frühstück.
Ad-Rock: Eier Benedict – oder sind das Eier Florentine?
Mike D: Florentine.
Ad-Rock: Was ist die Geschichte dahinter?
Mike D: Das geht auf die Zeit zurück, als die Türken Florenz erobert hatten …
Ad-Rock: … was voll Kacke für Florenz war.
Mike D: Schweinefleisch war jedenfalls erst mal verboten, also musste es mit Spinat ersetzt werden. Eier Benedict gehen übrigens auf die Benediktinermönche zurück.
„Während der LICENSED TO ILL-Phase wurden wir allerdings zu sehr üblen Charakteren, richtig wilde Spinner.“ – Ad-Rock
Wir hatten ja keine Ahnung.
Ad-Rock: Mike auch nicht.
Wieso scheint es eigentlich so schwer als Künstler, Humor und Ernsthaftigkeit zu verbinden? Ihr seid eine große Ausnahme, aber üblicherweise scheint das Publikum eindimensionale Popstars zu bevorzugen, die entweder stets superseriös sind oder immer herumblödeln. Lemmy musste zum Beispiel immer Lemmy sein.
Mike D: Lemmy war auch immer Lemmy. Ich bin ihm mal in London begegnet, der stand da an so einem Daddelautomaten und kippte seine Drinks. Lenny Kravitz ist doch auch immer ein Rockstar, oder? Der steht doch schon mit Federboa auf.
Ad-Rock: Und geht mit 30 Schals ins Bett.
Mike D: Wir schlafen mit gar keinem Schal.
Ad-Rock: Das wäre auch gefährlich …
Mike D: … und eklig. Wenn du damit schläfst, ist der Schal ja nie richtig sauber. Wie macht Steven Tyler das denn? Hat der einen Extra-Schal-Bediensteten?
Ad-Rock: Die meisten Schals sind aus Wolle, aber die von Steven sind aus Seide.
Mike D: Und die von Lenny sind vermutlich aus feinster Alpaka-Wolle.
Ad-Rock: Um auf die Frage zurückzukommen, wir sind einfach ganz normale Leute. Wir tragen dieselbe Unterwäsche wie gestern – wie jeder eben. Während der LICENSED TO ILL-Phase wurden wir allerdings zu sehr üblen Charakteren, richtig wilde Spinner. Das waren Karikaturen, aber wir haben sie so ernsthaft betrieben, bis sie real wurden.
Mike D: Anfangs war das ein Riesenspaß, wurde aber schnell zum Riesen-Nichtspaß.
In einem Essay in eurem Buch macht eure Ex-Bandkollegin Kate Schellenbach vor allem euren damaligen Produzenten Rick Rubin für die Verwandlung in Party-Machos verantwortlich.
Ad-Rock: Rick fand das in jedem Fall gut. Aber wir dürfen es uns nicht so leicht machen und einen Schuldigen suchen. Wir sind alle Menschen und wir machen Fehler.
Mike D: Wir tragen die Verantwortung dafür. Wir waren aber auch einfach sehr jung.
Ad-Rock: Du bekommst einen Haufen Geld für diese Rolle gezahlt, also nimmst du sie an.
Mike D: Dir gibt ja niemand ein Handbuch für das richtige Benehmen.
Ad-Rock: Na, das sollte eigentlich der Job deiner Eltern sein.
Mike D: Ja, aber wenn du ein Teenager bist, klingen solche Belehrungen bloß wie Lärm.
„Welche andere Band klingt denn bitte schön wie die Beastie Boys?“ – Ad-Rock
Euer Partyproll-Gehabe hat auch viele Partyprolls zu den Konzerten gezogen. War das ganz bewusst die Zielgruppe eures Managements?
Mike D: Niemand wusste, wo das hinführen würde. Russell (Simmons, zusammen mit Rick Rubin Gründer des Def-Jam-Labels – Anm. d. Red.) war damals Manager von Run-DMC und die hatten ein ganz anderes Publikum. Wir brachten einfach 12-Inch nach 12-Inch raus, waren auf Tour mit Madonna und dann hatten wir die Gelegenheit zum Video für „(You Gotta) Fight For Your Right (To Party!)“ im Loft einer Bekannten. Wir wollten das so machen wie eines dieser Hardrock-Videos, die damals auf MTV liefen – und dann liefen wir auf einmal selbst auf MTV. Und als wir unser erstes Headliner-Konzert in Missoula, Montana gaben, standen wir plötzlich vor so einem Publikum.
Ad-Rock: Noch so ein Beispiel: Bei unserem ersten Berlin-Konzert sind wir in Stars-and-Stripes-Bademänteln aufgelaufen, wie Rocky – eigentlich, um zu provozieren. Aber das Publikum bestand größtenteils aus in Deutschland stationierten Army-Soldaten. Und die fanden das großartig. Der Gag ging voll nach hinten los.
Wir haben euch was mitgebracht: Das ist die „Gustav Gans“-Single der Beginner, einer der größten deutschen HipHop-Bands. Auf dem Cover stellen sie euer CHECK YOUR HEAD nach. Und erst kürzlich hat Eminem mit dem Cover von KAMIKAZE auf LICENSED TO ILL angespielt. Passiert euch das nicht wahnsinnig oft, dass ihr euch selbst oder eurem Einfluss auf Musik ständig begegnet?
Ad-Rock: Eigentlich nie. Nicht so wie The Strokes. Nach deren Debüt klang ja jeder wie sie.
Mike D: Aber wenn ich mir die Strokes anhöre, weiß ich wiederum auch genau, wo die ihre Ideen herhatten.
Ad-Rock: Vielleicht ist das bei unseren Platten genauso. Aber welche andere Band klingt denn bitte schön wie die Beastie Boys?
Wie schwierig war es, nach Adam Yauchs Tod, plötzlich kein Beastie Boy mehr zu sein? Nachdem ihr so jung wart, als es losging und dann mehr als 30 Jahre in dieser Band verbracht habt, hattet ihr vermutlich nicht wirklich ein anderes Leben, auf das ihr zurückgreifen konntet.
Ad-Rock: Na ja, du kannst mit Mitte 40 kein Zwölfjähriger mehr sein.
Mike D: Du vielleicht nicht.
Ad-Rock: Stimmt, Mike entwickelt sich in erstaunlicher Geschwindigkeit zurück. Seine Ärzte sind sehr besorgt. (Deutet auf Mikes Teller) Hey, willst du eigentlich beide English Muffins essen?
Mike D: Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich mit denen tun soll. Gehört das Ei da dazwischen, wie in einem Sandwich? Das wäre eine ganz schöne Sauerei.
Ad-Rock: Okay, zurück zum Thema. Adams Tod war mehr als der Verlust eines Jobs für uns. Das hat einfach alles verändert. Wir waren so lange zusammen, haben so viel miteinander erlebt …
Mike D: Noch dazu, wenn du jemanden so geliebt hast. Deswegen war das Buch eine gute Gelegenheit, wieder etwas zusammen zu machen und Yauch dabeizuhaben. Seine Stimme ist überall im Buch zu hören.
Wieso habt ihr überhaupt ein Buch gemacht? Yauch hatte die Idee einer Dokumentation über die Beastie Boys.
Mike D: Es gab schon viele Bücher über uns, aber mit unserem eigenen hatten wir eben die Chance, unsere Geschichte selbst zu erzählen.
Ad-Rock: Und es ist greifbar, ich kann es lesen und dann weitergeben. Wie eine Platte.
Ein bisschen fühlt es sich wie ein neues Beastie-Boys-Album an. Es ist genauso vielseitig, kreativ, unterhaltsam, emotional.
Ad-Rock: Sehr gut, das war auch unser Plan. Vielleicht ist so etwas einfach nie nach außen gedrungen, aber ihr scheint nicht die üblichen Schattenseiten frühen Ruhms erlebt zu haben. So wie im Leben vieler Kinderstars irgendwann der Moment kommt, in dem sie verrückt werden und sich die Haare abrasieren wie Britney Spears.
Ad-Rock: Was ist daran eigentlich so verrückt? Die meisten meiner Freunde haben sich schon mal die Haare rasiert … Aber es stimmt schon, nach dem ganzen Zerwürfnis mit Def Jam hätten wir auch einfach untergehen können. Wir haben weitergemacht und uns verändert.
Mike D: Wären wir zu Beginn nicht so gescheitert, hätten wir unserer Freundschaft wohl auch nie die Bedeutung beigemessen.
Ad-Rock: Der Scheiß, den wir damals mitmachen mussten, hat uns zu einer besseren Band gemacht.
Mike D: Dieser großen Lust auf grundlegende Veränderung sind wir dann auch bei jeder Platte nachgegangen. Es ist wie Adam gerade schon gesagt hat: Wäre es damals nicht zum Bruch mit Def Jam gekommen, hätten wir wahrscheinlich noch eine Platte wie LICENSED TO ILL gemacht, irgendwann gemerkt, dass das nicht unser Ding ist, aufgehört und in einer Autowaschanlage angefangen. Nichts gegen Autowaschanlagen, aber …
Ad-Rock: Du wärst voll gefloppt in einer Autowaschanlage.
Mike D: Ich bin der Ansicht, dass ich mich eigentlich ziemlich gut um meine Autos kümmere.
Ad-Rock: Okay, sorry. Ich meinte eigentlich auch mich selbst. Ich wäre ein Desaster.
So eine Situation wie jetzt belegt doch, wie sehr ihr immer noch eine Einheit seid, wenn ihr einander sogar verwechselt. Oder gab es gewisse Rollen innerhalb der Gruppe?
Mike D: Ich war der Möglichmacher. Ich habe es Adam ermöglicht, das Beste aus sich herauszuholen.
Ad-Rock: Ich hatte die Looks. Kennt ihr Dwayne „The Rock“ Johnson?
Ja.
Ad-Rock: Der wäre nichts ohne mich.
Was wir unbedingt noch wissen wollen: Hast du wirklich mit Madonna rumgemacht, wie sie’s bei Jimmy Fallon behauptet hat?
Ad-Rock: Nein, habe ich nicht. Ich habe den Clip gesehen und mich gefragt: „Das soll ich getan haben?“ Okay, aber wenn sie’s sagt, will ich das gerne so stehenlassen.
Mike D: Ob Dwayne „The Rock“ Johnson je mit Madonna rumgemacht hat? Der ist wohl eher ein Familienmensch.
Ad-Rock: Er wirkt so nett.
Mike D: Aber auch so, als ob ihm schnell die Sicherung durchbrennen könnte.
Ad-Rock: Ihr mögt „The Rock“ wohl nicht?
(Stephan Rehm Rozanes:) Für den bin ich zu alt. Als ich mich für Wrestling interessiert habe, war Hulk Hogan der große Held.
Ad-Rock: Aber wir reden von seinen Filmen.
Die kennen wir nicht so.
Ad-Rock: Was? Mike, magst du Dwayne „The Rock“ Johnson?
Mike D: Ich hab’ schon was über für ihn.
Ad-Rock: Ich finde ihn wundervoll. Er ist so gut in Form.
Mike D: Aber ich mache mir seit Kurzem Sorgen um sein Herz … hoffentlich unbegründet.
Als ihr vor 40 Jahren angefangen habt Musik zu machen, hat euch zuerst vor allem der Punk angezogen …
Ad-Rock: Dwayne „The Rock“ Johnson zieht uns an. Wen denn auch nicht?
Nunja…
Ad-Rock: (Reißt die Augen erstaunt auf) Was, ihr findet Dwayne „The Rock“ Johnson nicht attraktiv?
Etwas viele Muskeln vielleicht.
Ad-Rock: Er hat genauso viele Muskeln wie jeder andere, seine sind nur etwas straffer.
Also, damals wart ihr vor allem geprägt durch Punk, weil es in dem Genre um Zugänglichkeit ging. Das war auch was für Nicht-Musiker …
Ad-Rock: Und was haltet ihr von Marky Mark? Hot! Er altert nur irgendwie komisch.
Mike D: Aber er war gut in den „Ted“-Filmen. Schweinerippchen und die „Ted“-Filme …
Ad-Rock: … das könnte ich den ganzen Tag lang machen.
Wo wir eh schon den Faden verlieren: Was haltet ihr von den Spice Girls?
Mike D: Ich bin mir sicher, das sind nette Frauen. Wobei, so sicher bin ich mir gar nicht. Ehrlich gesagt habe ich deren enorme Anziehungskraft nie ganz begriffen. Es gab doch zu jeder Zeit solche fabrizierten Popacts – wie heute von Max Martin oder Dr. Luke. Mir fällt nicht mal mehr ein Spice-Girls-Song ein.
Ad-Rock: Doch, die hatten doch diesen einen … (summt die Melodie von „Wannabe“)
Apropos Girl Power: Von LICENSED TO ILL zu PAUL’S BOUTIQUE habt ihr nicht nur euren Stil, sondern auch ein paar grundsätzliche Einstellungen geändert …
Ad-Rock: Die Spice Girls haben „Girl Power“ vermarktet wie in einer „Burger King“-Werbung. Die eigentliche Botschaft ging dabei verloren. Was übrig blieb, waren Haarspangen und Make-up. Das Resultat hat der vermeintlichen Message sogar widersprochen.
Du denkst an ihre Werbeclips für Pepsi und dieses Deo-Spray.
Ad-Rock: Oh, das wäre was für mich. Ich könnte etwas Deo gebrauchen.
Warum ist es dir eigentlich so wichtig, immer auf deine mangelnde Körperhygiene hinzuweisen?
Mike D: Adams Körperhygiene lässt in der Tat zu wünschen übrig. Ich habe heute Morgen schön lange in Dampf geduscht. Wir können jetzt auch über Bodylotion reden. Mögt ihr Bodylotion?
Benutzen wir von Zeit zu Zeit, sind aber nicht abhängig.
Mike D: Das ist doch mal bewundernswert.
Hygiene ist wichtig, aber nicht das Wichtigste. Was ist für euch wichtig im Leben. Was macht euch glücklich?
Ad-Rock: Familie und Freunde. Es gibt nichts Wichtigeres. Außer Gesundheit vielleicht.
Mike D: Eben, um Spaß an Familie und Freunden zu haben, empfehlt sich eine gute Gesundheit. Was mir noch wichtig ist, ist die Möglichkeit, an Dingen zu arbeiten, die mir Spaß machen. Und – jetzt wird’s etwas abstrakt – Zeit.
Was ist besser: Wie als junger Mensch gar nicht über Zeit nachzudenken oder sich als erwachsener Mensch der noch verbleibenden Zeit bewusster zu werden?
Mike D: Es wäre besser, mehr über die Zeit nachzudenken. So würden wir auch besser auf die Umwelt achten – und einander.
Ad-Rock: Aber man muss das nicht von Anfang an verinnerlichen. Ein kleines Kind, das auf dem Boden liegt, mit den Füßen in der Luft, denkt sich ja nicht: „Oh Shit, ich muss mich beeilen. Ich muss ja noch mit meinen Scheißklötzen und dem Scheißlego spielen.“ Aber um auf eure Frage zurückzukommen – irgendeine, die ihr vorhin gestellt habt: Gleich am Anfang unserer Karriere haben wir alles gegen die Wand gefahren. Und trotzdem sitzen wir jetzt hier in diesem schicken Hotel und genießen den Ausblick. Das ist unser Job! Wir hatten echt Glück.
Ch-check it out! Die B-Boys-Bio
Die Beastie Boys gehen 1981 in Manhattan aus der Hardcore-Punkband The Young Aborigines hervor und bestehen aus Bassist Adam Yauch, Sänger Michael Diamond, Gitarrist John Berry und Kate Schellenbach am Schlagzeug. Berry steigt im Jahr darauf aus und wird von Adam Horovitz ersetzt. 1983 verwandeln sie sich mit der Single „Cooky Puss“ in eine HipHop-Crew und geben sich entsprechende Spitznamen: Aus Yauch wird „MCA“, aus Diamond „Mike D“ und aus Horovitz „King Ad- Rock“.
Ihr DJ Rick Rubin gründet mit seinem Kommilitonen Russell Simmons – der ältere Bruder von Run DMCs Run – das Label Def Jam, nimmt dort die Beasties unter Vertrag und drängt Schellenbach aus der Band. Nach Supportshows für PIL und Madonna entwickelt sich ihr Debütalbum LICENSED TO ILL zum meistverkauften Rapalbum der 80er-Jahre. Dank hydraulischen Penissen auf der Bühne und parodistischen Videos wie dem zu „(You Gotta) Fight For Your Right (To Party!)“ wird das Party-Hooligan-Image der Band Realität.
Das Trio bricht mit Def Jam, siedelt nach L.A. um und nimmt dort ihr Sample-lastiges Meisterwerk PAUL’S BOUTIQUE auf, trotz überragend positiver Kritiken floppt die Platte. Mit CHECK YOUR HEAD gelingt 1992 der Crossover zum Alternative Rock, die Beasties besinnen sich auf ihre Punkwurzeln und spielen ihre Instrumente selbst ein. Mit ILL COMMUNICATION wird’s 1994 politisch: „Sabotage“ gerät zum Moshpit-rockenden Schlachtruf linker Regierungskritiker, auf „Sure Shot“ entschuldigt sich Yauch für frühere Sexismen: „I want to say a little something that’s long overdue: The disrespect to women has got to be through. To all the mothers and sisters and wives and friends, I wanna offer my love and respect to the end.“ Er konvertiert vom Judentum zum Buddhismus und organisiert 1996 das „Tibetan Freedom Concert“, zu dem sich 100.000 Besucher in San Francisco einfinden, um Acts wie Rage Against The Machine, Björk, die Smashing Pumpkins und die Red Hot Chili Peppers live zu sehen. Weitere Konzerte der Art fanden bis 2012 statt.
1998 sind die Beastie Boys Superstars: Ihr enorm vielschichtiges Album HELLO NASTY steigt in den USA, dem UK, in Deutschland, Australien und vielen anderen Ländern auf Platz eins ein. Sechs Jahre später verarbeiten die New Yorker die Terroranschläge vom 11. September 2001 auf TO THE 5 BOROUGHS. Nach der Instrumentalplatte THE MIX-UP erscheint 2011 mit HOT SAUCE COMMITTEE PART TWO ihr letztes Album. MCA stirbt im Jahr darauf an Ohrspeicheldrüsenkrebs. 2013 wird ein Spielplatz in Brooklyn nach ihm benannt. Die Beastie Boys haben in ihrer 31-jährigen Karriere mehr als 50 Millionen Tonträger verkauft.