Banned in the USA


Vier Schwarze lassen Amerikas Moralapostel Rot sehen. Aufrechte Bürger ziehen gegen den gerappten Schweinkram der 2 Live Crew vor Gericht.

Das ging dem wohlerzogenen Rechtsanwalt Jack Thompson dann doch zu weit. In einer landesweiten Kampagne rief der „leidenschaftliche Gegner von pornographischen Erzeugnissen“ Floridas Staatsanwälte dazu auf, den „Angriffen gegen das, was Amerika groß gemacht hat“ de: 2 Live Crew ein Ende zu bereiten. Ihr letztjähriges Album AS NASTY AS THEY WANNA BE, so der aufrechte Jurist, sei in höchstem Maße obszön und gehöre verboten. Klar – die vier Rapper nehmen Dinge in den Mund, die ein ehrenhafter US-Bürger noch nicht einmal in die Hand nehmen würde. Ficken, Bumsen, Blasen, – das habe im amerikanischen Liedgut nichts zu suchen. Einen Gesinnungsgenossen fand Thompson in Jose Gonzalez, der in Fort Lauderdale als Distrikt-Richter Dienst tut. Gonzalez untersagte zwar nicht der Verkauf der Platte (die seit ihrer Veröffentlichung im vergangenen Jahr trotz zensiertem Cover schon zweimillionenmal über die Ladentische gegangen war), brandmarkte die LP aber Kraft seines Amtes als „obszön und verabscheuungswürdig“. Grund genug für County Sheriff Nick Navarro, den Verkauf von AS NASTY AS THEY WANNA BE in seinem Bezirk bei Strafe zu verbieten. Bisheriger Höhepunkt der Hatz auf die hemmungslosen Freunde fleischlicher Genüsse: Nach einem Konzert in Florida wurden Bandleader Luther „Luke“ Campbell und sein Kompagnon Chris Wongwon wegen Vortragens obszöner Texte vorläufig festgenommen. Derweil ist in den USA eine heiße Diskussion über den Rap im allgemeinen und die sexistischen Songtexte der 2 Live Crew im besonderen entbrannt. Bruce Springsteen erlaubte der Crew, seinen Hit für die 2-Live-Version „Banned In The USA“ zu entfremden, viele seiner Pop-Kollegen ergreifen das Wort und fordern Redefreiheit für die Rapper. Hier nun einige prominente Stimmen:

Frank Zappa: „AS NASTY AS THEY WANNA BE soll obszön sein, weil das Album die Leute zu schmutzigen Gedanken verleitet. Dabei ist es harmloser als die meisten Geburtstags-Postkarten.“

Axl Rose: „Ich finde die 2 Live Crew spaßig. Bei denen geht’s doch wirklich nur um Sex, bei dem man auch ein bißchen ins Schwitzen kommt. Und das paßt einigen Leuten nicht. Deshalb versuchen sie, bestimmte Äußerungen zu zensieren. Jeder, der es privat gerne treibt, muß diesen verklemmten Moral-Heinis Paroli bieten.“

Sinead O’Connor: „Im allgemeinen ist die Rapmusik sehr ehrlich. Da wird nichts beschönigt. Momentan ist es wohl die Musik mit der größten Power überhaupt – und die einzige, die Schwarze und Weiße eint.“

Steven Tyler (Aerosmith): „Es gibt einige Texte der 2 Live Crew, die mir wirklich auf den Geist gehen. Aber das ist mein Problem. Generell ist es doch so, daß die Rapmusik vielen überhaupt erst zeigt, was draußen so abgeht. Manche sagen dann: ‚Ach du Scheiße, daß ist ja grauenvoll. Das halte ich einfach nicht aus.‘ Diese Leute sind deshalb so aufgeschreckt, weil sie merken, daß sich mit diesen Songs die Straße in ihre heile Welt einschleicht.“

Vemon Reid (Living Colour): „Das ist ein richtiger Feldzug gegen Luther Campbell und seine Band. Und der hat vor allem eine starke rassistische Komponente. Die Zensoren verhalten sich ausgesprochen clever. Sie setzen die Plattenhändler unter Druck. Aber glücklicherweise hat der Käufer ja die gleichen Möglichkeiten. Er kann seinem Händler sagen: ,Wenn du dich an dieser Zensur-Geschichte beteiligst, kaufen wir in deinem Laden auch keine anderen Platten mehr.“

Tom Petty: „Ganz generell betrachtet ist Rap vielleicht die einzige Art von Musik, die kontinuierlich etwas zu sagen hat und dabei immer am Ball bleibt. Ich wünschte mir, es gäbe auch im Rock „n‘ Roll solche Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Aber leider kann ich keine ausmachen.“

Kate Pierson (B 52’s): „Als Frau finde ich die 2 Live Crew anstößig und ziemlich bescheuert. Aber als Amerikanerin glaube ich fest daran, daß jeder Amerikaner das Recht hat, bescheuert zu sein.“

Iggy Pop: „Ich finde, es ist ein Beitrag zur Volksaufklärung, wenn man über Sex singt. Ich bin ziemlich wohlbehütet aufgewachsen. Als ich aber erst mal den Sex entdeckt hatte, bin ich plötzlich vogelwild geworden. Ich war‘ sicher besser dran gewesen, wenn ich mich zu einem früheren Zeitpunkt entwickelt hätte. So ging’s mir einfach darum, verlorene Zeit gutzumachen. Ich bekam irgendwas mit und fragte vollkommen naiv: ‚Wow, und das macht ihr wirklich? Los, laßt uns zusammen üben!'“

John Lydon (PIL): „Wir leben in einer Welt, die drauf und dran ist, an ihrem eigenen Dreck zu ersticken. Und da müssen sich einige Leute ausgerechnet über rüde Songtexte aufregen. Mein Gott, so ist Rock ’n‘ Roll nun mal. Eine Platte bringt dich nicht um. Der Text ist doch bloß die Meinung eines anderen. Und kein Mensch zwingt dich zum Zuhören.“

Ozzy Osbourne: „Wenn ich nicht möchte, daß meine Kinder eine bestimmte Art von Musik hören, ein bestimmtes Buch lesen oder ein pornographisches Video sehen, dann sorge ich verdammt noch mal dafür, daß sie es nicht tun. Die Leute sind schnell bei der Hand, den Künstlern für irgendetwas die Schuld zu geben. Statt dessen sollten sie lieber mal in den Spiegel gucken.“

Taylor Dane: „Ich fahr in erster Linie auf melodischen Rap ab. Ganz besonders mag ich Leute wie Young M.C. oder Jazzy Jeff. Ich wünschte nur, die Rapper würden endlich aufhören, sich Goldketten um den Hals zu hängen. Das ist ein schlechtes Vorbild. Du mußt als normaler Mensch schon eine Menge Drogen verkaufen, um dir so dicke Ketten kaufen zu können.“

Andy Bell (Erasure): „Ich verabscheue Zensur. Als Schwuler bin ich jeden Tag damit konfrontiert. Auch wenn ich mit der Einstellung der 2 Live Crew und ihren Platten nicht einverstanden bin, bewundere ich die Band dennoch dafür, daß sie unbeirrt auf die Bühne geht und ihre Show abzieht.“

Nancy Wilson (Heart): „Ganz allgemein betrachtet zeigt der Rap den Weißen, wo die Welt sich hinbewegt. Allerdings ist vieles von dem, was ich so höre, nichts weiter als sinnlose Schwarzmalerei.“

Eric Clapton: „Ich mag Leute wie De La Soul, weil ihre Musik einen bestimmten Humor hat. Was ich am Rap nicht ausstehen kann, ist diese ganze Ego-Geschichte. Sie ist schlicht und einfach langweilig.“

Billy Joel: „Zwischen Kopf und Unterleib fehlt dem Rap irgendwas – vielleicht ist es ja das Herz.“