Bad Religion: Glaubensfrage
Bad Religion sind auch nach 20 Jahren im Geschäft noch immer zornig und zynisch. Erst recht, seit Brett Gurewitz wieder dabei ist.
Epitaph Office. Die Sekretärin muss erst mal fragen, ob ihr Boss zu sprechen ist. Ist er. Der heißt Brett Gurewitz und ist seit kurzem wieder Gitarrist bei Bad Religion. Dass der Mann eher wie ein smarter Business-Manager wirkt, ist nicht verwunderlich: Gurewitz hat sich mit seinem Indie-Label Epitaph ein kleines Musikimperium aufgebaut. Da bleibt außer Nostalgie eigentlich keine andere Erklärung, warum der Gitarrist nun wieder mit seinen Kumpels bei schweißtreibenden Shows auf der Bühne herumspringen will: „Ehrlich gesagt bin ich gar nicht scharf, auf Tour zu gehen, aber ich liebe es, mit dieser Band Songs zu schreiben“, gesteht der Mittvierziger. „Deshalb bin ich zurückgekehrt.“
Angefangen haben Bad Religion 1982. „Ist das tatsächlich schon zwanzig Jahre her?“, staunt Gurewitz und rührt zum Jubiläum – ganz der Profi – sofort die Werbetrommel: „Aus meiner Sicht zeigt dieses Album Bad Religion in hervorragender Form.“ Oder: „Wir haben einen guten Job gemacht.“ Oder auch: „Die Band klingt so frisch wie in den ersten Jahren.“ Der Erfolg setzte allerdings erst Mitte der Neunziger ein. Gleichzeitig kam der Abschied für Gurewitz. Freund und Frontmann Graffin hatte die Trennung angeregt, damit sein Gitarrist endlich sein Drogenproblem lösen konnte. „Je größer meine Firma wurde, desto mehr geriet mein Privatleben aus den Fugen. Ich bekam eine Menge Probleme. Und als ich die Band verließ, war ich voll auf Drogen. Ich musste mein Leben völlig neu ordnen. Aber heute bin ich clean“, sagt Gurewitz stolz. Doch es gibt auch Trauriges zu berichten: Drummer Bobby Schayer, der zuletzt unter chronischen Schulterschmerzen litt, musste durch Ex-Suicidal Tendencies-Trommler Brooks Wackermann ersetzt werden. „Wir hatten einige Drummer ausprobiert, bis Fletcher von Pennywise meinte, wir sollten mal Brooks antesten, da er nicht mehr bei Suicidal Tendencies spiele und ohnehin der beste Drummer da draußen sei. Also arrangierten wir eine Session, und nach dem ersten Song war allen klar, dass wir ihn in der Band haben wollten. Er macht gehörig Druck.“ Das hört man den Songs von „The Process Of Belief“ an. Dazu braten jetzt mit Hetson, Baker und Gurewitz drei Gitarristen, und das Job-Charing klappte bestens: „Wir machen jetzt einfach zu dritt Krach“, grinst Gurewitz. „Die Songs für drei Klampfen zu arrangieren war absolut kein Problem. Um genau zu sein waren es nur dreißig Prozent mehr Arbeit!“
Herausgekommen Ist ein Album zwischen Punk und Pop und dem gewohnten Bildungsniveau, das Gurewitz als Alternative zu den Kollegen der Spaßfraktion wie Blink-182 oder Sum 41 sieht: „Gut, dass es die gibt. Die sind so verdammt Mainstream, dass es alle ankotzt und langsam wieder eine richtige Punk-Szene in den USA existiert. „Die hält bekanntlich wenig von Werten wie Staatstreue, Heimat oder Nationalstolz. Auch Bad Religion haben ihre Ablehnung stets offen formuliert. Gegen Globalisierung, gegen Profitstreben, Ausländerfeindlichkeit und jegliche Form von Unterdrückung anders Denkender. „Man muss an etwas glauben“, erklärt Gurewitz, „ich persönlich glaube zum Beispiel, dass das Leben einen Sinn hat. Und zwar den, den du ihm gibst. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden und sollte keine Angst haben, seine Gedanken laut zu formulieren.“ Ziemlich gefährlich in Zeiten, in denen an jedem Chevy ein „Pro USA“-Button pappt, an jedem Haus die Stars & Stripes wehen und in denen Bands wie The Strokes („NYC Cops“) oder Green Day („Maria“) nicht mehr im Radio gespielt werden, weil im allgemeinen Patriotismus Kritik am politischen System so unerwünscht ist wie Pogo auf einer Hochzeitsfeier. Gurewitz nimmt’s gelassen: „Erstens werden wir sowieso nie im Radio gespielt. Und zweitens war diese Welt auch vor dem 11. September ein ziemlich gefährlicher Ort.“ Spricht’s und muss los. Ins nächste Meeting.