Aus der Musikexpress-Ausgabe Juni 2005: Dubai Desert Rock


In Dubai kennt man keinen Papst, und so darf auch am Karfreitag kräftig gerockt werden.

New York, Paris, Dubai – aus eigener Sicht gehört die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate längst zu den Welt-Metropolen. Metropole wird man aber nur, wenn außer Handlungsreisenden und Pauschaltouristen auch Kulturhungrige auf ihre Kosten kommen. Und daß die Einnahmen des zweiten Desert Rock Festivals wohl nicht einmal ein Viertel der Kosten decken, dürfte die Portokasse der Scheichs nicht kratzen. Dubais Rockjugend, die sich optisch nur durch vereinzelte Vertreter in weißen Gewändern von westlichem Open-Air-Publikum unterscheidet, freut sich jedenfalls, daß es außer den lokalen Grunzmetallern Nervecell und Juüana Down, einer altbackenen Crossover-Combo aus dem Nachbar-Emirat Abu Dhabi, auch mal internationale Acts zu sehen bekommt.

Die Security, deren Durchgreifbereitschaft durch die Präsenz paramilitärisch wirkender Grimmiggucker unterstrichen wird, forscht gründlich nach Waffen und Kameras. Für Über-21-Jährige gibt es Bier, Wein und auch Hartes, auf der Bühne aber herrscht striktes Alkoholverbot und auch die üblichen Sprüche übers Inzesttreiben sollen sich die Rocker aus Rücksicht auf den muslimischen Austragungsort möglichst verkneifen. Sepultura legen auch ohne Alk und „Motherfucker“ eine leidenschaftliche und umjubelte Performance hin. So viel Begeisterung wird dem lächerlichen Luftgitarrencontest in der Pause und dem pathetischem Operetten-Rock von Within Temptation nicht zuteil, in Sachen Festival-Euphorie fehlt den Dubaiern offensichtlich die Routine. Die US-Rocker Machine Head können das selbst mit dem Metallica-Cover „Creeping Death“ nur bedingt ändern, und als die Headliner The Darkness schließlich auflaufen, ist die Hälfte der Besucher bereits auf dem Heimweg. 40 Euro Eintritt tun hier halt keinem weh. The Darkness eröffnen mit grellen Detonationen und einem neuen Kracher namens „Grief Hammer“. Mit „Dinner Lady Arms“ und „English Country Garden“ gibt es noch weitere Nummern vom kommenden Album, die es mit den Highlights von PERMISSION TO LAND durchaus aufnehmen können. Als Justin zur Zugabe „Get Your Hands Off My Woman“ statt „motherfucker“ singt er brav „melon farmer“ – auf einem Roadie durch die verblüffte Menge reitet, scheint die nun endlich doch Spaß zu haben. Was für nächstes Jahr, wenn das Geldverbrennungsspektakel seine Fortsetzung finden soll, hoffen läßt.

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