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Atonal 2018: Erweitert eure Gewohnheiten!


Beim Atonal Festival im Kraftwerk Berlin Ende August sollten unbedingt auch die mal zwei Ohren und zwei Augen riskieren, deren Verhältnis zur Avantgarde noch nicht so ganz geklärt ist. Der Musikexpress präsentiert.

Das müssen einfach Avantgardisten sein – auf der Bühne wie auch im Publikum, die sich mitten im höchsten Sommer in einem alten, dunklen Heizkraftwerk am nicht eben schönsten Ende von Berlin-Kreuzberg treffen. Andererseits muss man auf jeden Fall feststellen: Dass alljährliche Festival Atonal hat sich seit seinem Comeback im Jahr 2013 unbedingt etabliert – und ist als Magnet gerade für das internationale, sagen wir ruhig: „Fachpublikum“ sogar schon fast über den Ruf seines Vorgängers aus den 80er-Jahren hinausgewachsen. Auch wenn es vor rund 35 Jahren noch viel einfacher war, mit den Hörgewohnheiten der Menschen zu brechen.

Damals hatte es der Innovator Dimitri Hegemann im „SO36“ ins Leben gerufen, um ein größeres Publikum für hiesige „Geniale Dilletanten“-Acts wie Einstürzende Neubauten und Malaria! zu erschließen, die Berliner Experimentalszene aber darüber hinaus auch mit denen anderer Städte zu vernetzen. Was dort bei den ersten pausenlosen (!) mehrtägigen Veranstaltungen passierte, bezeichnete Hegemann später als „Chaos-Forschung“. Der Name „Atonal“ ging dabei auf das eigene Magazin „Die Atonale Inneneinrichtung“ zurück. So fanden zwischen 1982 und 1990 Acts wie Test Dept, Psychic TV, Laibach und 808 State auf die Festivalbühne, die nicht nur ungewöhnlich klangen, sondern oft auch multidisziplinär agierten, bevor sich Hegemann schließlich ganz dem neuen euphorischen Aufreger Techno widmete und seinen legendären Club „Tresor“ eröffnete.

Atonal 2018: Techno ist längst zu Pop geworden

Das 23 Jahre später wieder zum Leben erweckte Atonal – längst ist Techno in der Zwischenzeit zu Pop geworden – ist zwar nicht mehr Hegemanns Kind (sondern eben sein „Enkel“), fand aber mit Highlights wie den legendären Auftritten von Cabaret Voltaire (dem ersten nach über 20 Jahren), des kürzlich verstorbenen Gitarrenorchestrators und Minimalisten Glenn Branca, von Jon Hassell und Tony Conrad sowie einzigartigen Aufführungen von Komponisten wie Stockhausen oder Reich auf jeden Fall seinen Segen.

Wir freuen uns, auch in diesem Jahr wieder einer der Präsentatoren des Atonal sein zu dürfen – gerade weil der Musikexpress wohl nicht eben als avantgardistisch verschrieen gelten dürfte. (Aber als Avantgarde-interessiert hoffentlich schon!)

Zu den Highlights des bislang verkündeten Programm-Teils für das Festival vom 22. bis 26. August gehören folgende Acts und Aufführungen, das meiste davon visuell genauso spannend umgesetzt wie akustisch: der britische Produzent Darren Cunningham alias Actress, dessen jüngstes Album LAGEOS mit dem London Contemporary Orchestra von uns jüngst mit einer *****-Besprechung gefeiert wurde – Helena Hauff aus Hamburg, die uns seit ein paar Jahren das dunkle Reich zwischen Industrial, Techno und Dark Wave so erschließt, als würde man all das zum ersten Mal hören – die Weltpremiere von Lucrecia Dalts „Synclines“-Projekt, das auf ihrem aktuellen Ambient-Album ANTICLINES fußt – die British Murder Boys (einst DJ-Stammgäste im alten „Tresor“) – und die erste umfassende Liveadaption von Gábor Lázárs UNFOLD-Doppel-LP, auf der 2-Step, Grime und Electro lustig vor sich hin mutieren.

Den Rest des umfangreichen und auch ebenso umfangreich und gut erläuterten Programms – soweit es eben schon steht – entnimmt man am besten der Homepage des Festivals (dort gibt es auch Festivalpässe zu kaufen). Am Ende werden auf dem Festival, das mehrere Locations auf dem Kraftwerk-Gelände nutzt, über 100 Acts zu hören und zu sehen sein, dabei eben auch einige Premieren und extra für das Atonal zusammengestellte Kooperationen.

Musikexpress präsentiert: Atonal Festival 2018

  • 22. bis 26.08. – Berlin, Kraftwerk