Allein auf weiter Flur
Sage Francis und Will Oldham sehen im HipHop eine Spielwiese für Poesie und gute Musik.
Es ist reichlich paradox, daß ein Genre, in dem es primär um den kreativen Umgang mit der Sprache geht, seit Mitte der 90er Jahre kaum mehr Künstler hervorgebracht hat, die sich tatsächlich durch kreativen Sprachgebrauch auszeichnen – die Zufalls- und Fraßreime der HipHop-Stars verdienen meist kaum das Prädikat „Straßen-Poesie“. „Ich hab‘ eine Theorie dazu“, sagt der ehemalige Journalistik-Student Sage Francis, der als ungemein sprachgewandter Rapper, Indierock-Liebhaber und Poet zu den wenigen erfreulichen Ausnahmen zählt. „Je kreativer du bist, desto mehr mußt du von dir selbst zeigen. Viele Leute haben einfach Angst davor, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und sich dadurch angreifbar zu machen. Das ist aber feige, und es schadet der Kunstform.“ Sage Francis, der das erste HipHop-Signing des Punk- und Alternative-Labels Epitaph war, wuchs in Rhode Island an der Ostküste ausschließlich mit Rap auf, bis er sich 1996 plötzlich übersättigt fühlte: „Ich hob’nach neuen Inspirationsquellen gesucht. Ich bin damals erwachsen geworden, der HipHop aber nicht. Der hat sich zu einem Zwölfjährigen zurückentwickelt“. Die facettenreiche Musik sowie die abwechselnd politischen und poetischen Texte auf Francis‘ neuem Album A HEALTHY DISTRUST sind Ausdruck einer künstlerischen Vision, mit der sich auch Will Oldham identifizieren konnte. „Mir wurde erzählt, daß ihm meine Musik gefallen würde. Also hab‘ ich mir mal MASTER & EVERYONE angehört. Das war genau mein Ding. Wir haben Kontakt aufgenommen, und Will hat mir einen Refrain und einen Gitarren-Lauf geschickt – nicht mehr als 20 Sekunden. Der Beat, den der Produzent Alias von Anticon dazu gemacht hat, war so kompliziert, daß ich die größte Mühe hatte, überhaupt darauf zu rappen. Deshalb hat „Sea Lion“ jetzt auch nur eine Strophe. Aber Will und ich sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.“ www.sagefrancis.net