Alben der Woche: 20. bis 27. Februar 2012
Die Neuerscheinungen der Woche. Unter anderem mit Ting Tings, Damien Jurado und Fanfarlo.
Platte der Woche:
The Ting Tings: The Sounds from Nowheresville
Monate verbrachten Katie White und Jules de Martino im Jahr 2010 im Keller eines ehemaligen Jazzclubs in Berlin-Friedrichshain, um den Nachfolger ihres Debütalbums We Started Nothing aufzunehmen. „Kunst“ hätte das Album heißen sollen. Bei der Wahl des Aufnahmeortes spielte die Inspirationskraft des international anerkannten Sehnsuchtsortes Berlin eine Rolle, die Technoszene, die Freiheit, die immer noch spürbare Aufbruchsstimmung, die Pop- und Kunstszenen. Der immer wieder verschobene Veröffentlichungstermin von „Kunst“ wurde in den vergangenen eineinhalb Jahren zu einem Running Gag der jüngeren Popgeschichte – „Kunst“ als das Chinese Democracy der Ting Tings. Als das Album fast fertig war, haben The Ting Tings festgestellt, dass „wir alles falsch gemacht haben“, gingen nach Spanien und nahmen ein komplett neues Album auf: Sounds From Nowheresville. Unter dem Strich stand auch die Erkenntnis, dass eine 400 000-Einwohner-Stadt in Südost-Spanien inspirierender sein kann als die vermeintliche Hauptstadt der Welt. Die gedachte Leadsingle des Albums, „Hands“
ist hier nicht drauf, die echte Leadsingle, „Hang It Up“, kann es mit den Ting-Tings-Hits „That’s Not My Name“ und „Great DJ“ aufnehmen. „One By One“ und „Give It Back“ stehen als potenzielle Nachfolgesingles bereit. Was The Tings Tings zum Feindbild der regressiven Indie-Szene macht: Ihr Pop ist Pop in einem äußerst körperlichen Sinn, ein reflektiertes „Ja“ zum Leben, das nicht jede Einzelheit hinterfragen muss. Sounds From Nowheresville mit Lo-Fi, Semi-Elektronik, Spurenelementen von HipHop, 60s-Twang und Punk ist das richtige Album zur richtigen Zeit (Text von ME-Redakteur Albert Koch).
A
The Asteroids Galaxy – Out Of Frequency
Ach, „Indie“ kann ja so vieles sein. Zum Beispiel Fruit, das Debütalbum von The Asteroids Galaxy Tour aus dem Jahr 2009. Da trafen 60s-Psychedelia, Soul-Bläser, funky Rhythmik und die Quäkstimme von Mette Lindberg zusammen und ergaben ein durchaus okayes Album. Zu dieser Pop-Musik – vor allem zu der Karnevals-Single „Around The Bend“ – hatte man eine Saison lang tanzen können. Dass die Dänen ihre Karriere auf corporate sponsoring aufgebaut haben („Around The Bend“ und „The Golden Age“ liefen als Werbespotuntermalungsmusiken), störte nicht weiter, das macht ja heutzutage jeder, weil mit dem Verkauf von Musik kein Geld mehr zu verdienen ist. Das zweite Album Out Of Frequency bietet vor allem eins, mehr von allem: mehr Songs (14 statt 11), mehr Cheesyness auf dem Coverartwork, mehr crazy Bläser, mehr Psychedelia, mehr Synthesizer, mehr Aufnahmespuren, die randvoll gemacht werden wollen, mehr Gequäke von Mette Lindberg, mehr sexuell aufgeladene Niedlichkeit. Das darf man dann ruhig Retromania zweiter Ordnung nennen, wenn eine 60s-Revival-Band ihren 2009er-Sound recyclet (Text von ME-Redakteur Albert Koch).
Atari Teenage Riot – Riot In Japan 2011
C
Common – The Dreamer, The Believer
F
Fanfarlo – Rooms Filled With Light
J
Jurado, Damien – Maraqopa
Krakow Loves Adana – Interview
L
Lambchop – Mr. M
Es hätte durchaus passieren dass diese Platte nie erschienen wäre. Letztlich verdankt sich das Zustandekommen des ersten neuen Lambchop-Albums seit 2008 den Gemälden, die Kurt Wagner in den vergangenen paar Jahren produzierte und die nun das Artwork von Mr. M ausmachen. Mit dem Freitod seines Freundes Vic Chesnutt im Jahr 2009 begann Wagner sein Verhältnis zu Musik und zum Musikmachen massiv infrage zu stellen, zur selben Zeit eröffneten ihm seine Arbeiten auf Leinwand Möglichkeiten, mit dem Verlust umzugehen. Die spätere Entdeckung, dass diese Gemälde Verbindungslinien zu den ersten neuen Songversuchen besaßen, war die Geburtsstunde des Albums Mr. M (das zuerst „Mr. Met“ heißen sollte – eine andere Geschichte, die von den Anwälten der amerikanischen Baseball Major League handelt, die damit Probleme hatten, dass das Maskottchen der New York Mets den gleichen Namen trägt). Mr. M ist erst einmal eine weitere stille Lambchop-Platte geworden. Wagner hat dem Hörer komfortable Verweilpausen eingerichtet, die Ideen und Gedanken weiterzuspinnen, die er in den Songs auslegt. Man darf die beiden Instrumentals deshalb als Ankerpunkte auf dem Album sehen: „2B2“ folgt der kammermusikalischen Eröffnung „If Not I’ll Just Die“ mit einem morriconesken Traumspiel zwischen Piano, Bläsern und den besten Perwoll-Chören, die man in den 70er-Jahren noch nicht aufgezeichnet hatte. „Buttons“ so ziemlich in der Mitte der Platte besitzt etwas von dem Middle-Of-The-Road-Piano-Softpopsound, der in der letzten Bar früh um halb fünf noch aufzusaugen ist. Genau die Art von Hintergrundrauschen, die einem erzählt, dass man das Schlimmste schon hinter sich hat. Wenn Kurt Wagner singt, bewegt er sich mit diesen Liedern wieder vorsichtig nach vorne, durchaus im Andenken an Vic Chesnutt, vielmehr aber im Wissen um die Erdanziehungskraft der Liebe. Mark Nevers in Nashville, Matt Swanson, Tony Crow, William Tyler und die anderen Bandmitglieder haben ihn dabei – wie nicht anders erwartet – mit vollendetem Understatement begleitet (Text von ME-Autor Frank Sawatzki).
Liwa, Tom – Goldrausch
„Blüh’, meine Heideblume“, singt der Sänger. Oder: „Die Wolken kommen und gehen / Ich bleib’ am Fenster stehen.“ Wer kann schon so was singen: „Wir schauen den Mond an und schweigen still“. Aber Tom Liwa kann das, ohne dass es peinlich wird oder zum Schlager mutiert. Sonst kann das vielleicht niemand hierzulande, und weil Tom Liwa so gut weiß, wie das geht, kann er sich auf Goldrausch nahezu ausschließlich aufs Singen konzentrieren, das bei ihm oft eher ein Sprechen ist. Denn auf diesem, seinem ungefähr zwölften Solo-
Album verzichtet der Flowerpornoes-Chef auf weitgehend alles, was man ein Arrangement nennen könnte. Stattdessen werden Text und Gesang meist nur gestützt von einer einsamen Ukulele, die an die Stelle der klassischen Singer/Songwriter-Akustikgitarre tritt, sich aber in manchem Song trotzdem große Mühe gibt, wie eine zünftige Lagerfeuerklampfe zu klingen. Nur selten setzt ein wenig Perkussion ein oder ein schüchterner Bass. Allein das Cello von Wolfgang Sellner darf sich ab und an gleichberechtigt neben Tom Liwas Stimme schieben, die weniger von Liebe als eher vom Zusammensein erzählt, wenig vom Rausch und viel vom Dasein, und dabei gar nicht mehr so quengelig klingt, wie man sie in Erinnerung hat. Den nebenberuflich als Meditationslehrer tätigen Liwa hat, so scheint es, eine Altersmilde ereilt, die bereit ist, noch im alltäglichsten Alltag ein wenig Glück und Schönheit zu entdecken. Und davon singt tatsächlich niemand so wundervoll wie er (Text von ME-Autor Thomas Winkler).
M
My Best Fiend – In Ghostlike Fading
P
Palace Songs – Hope
S
Ski’s Country Trash – Neverending Road
Sylvian, David – A Victim Of Stars
W
West, Kanye – Arrogance
WhoMadeWho – Brighter