ABBA – Jetzt kommen die Schweden!


"Wenn ABBA nur wollte!" stöhnt Thomas Johansson, erfolgreicher Konzertagent, im Juli in seinem Stockholmer Büro. "Drei ausverkaufte Shows könnten sie hier pro Abend abziehen! Aber bisher hat unser Gesangsquartett eben andere Dinge im Kopf als Konzerte." Dabei kann bei Anna, Björn, Benny und Annafrld doch gar nichts schieflaufen: Bereits im letzten Jahr, als die vier Solostars gerade ein Jahr zusammenarbeiteten, stürmte Ihr erster Hit 'Ring, Ring' die europäischen Hitparaden.

250.000 LP’s

Seit dem 6. April 1974 ist ABBA unbestreitbar Schwedens beliebteste Popgruppe. Man erinnert sich: Völlig unerwartet schlugen die Schweden im englischen Seebad Brighton die europäische Schlagerelite mit dem Superohrwurm ‚Waterloo‘, der inzwischen zum weltweiten Millionen-Hit wurde. Auch die gleichnamige LP ging allein in Schweden über 250.000 mal weg. „Damit ist ‚Waterloo‘ bei uns die erfolgreichste LP aller Zeiten“, strahlt Thomas Johansson. „Schliesslich hat Schweden nur 7 Millionen Einwohner.“

„In Schweden muss man nicht wegen der Kaineder heiraten“

Vor ABBA ziehen auch prominente Showkollegen den Hut. Wie Björn Skifs, Chef und Vorsänger der weltbekannten schwedischen Popgruppe Blue Swede‘. ABBA hätte uns schon im letzten Jahr die Show gestohlen,“ bekennt Björn. Pech für Björn, Glück für Thomas und für alle ABBA-Fans. Jetzt wollen es die vier genau wissen. Vom 31. Oktober bis in’s neue Jahr hinein drehen sie eine grosse Runde durch die europäischen Konzertsäle. Endstation ist Israel. Nach ersten Konzerten im kühlen Nordeuropa ist am 18. November der erste öffentliche Auftritt in Deutschland fällig. In Hamburg, wo sich die vier schon fast so gut auskennen wie zu Hause in Stockholm. Anfang September konnte man sie gleich dreimal auf der Mattscheibe in ‚Studio B‘ ‚Disco‘ und Schaubude bewundern. MUSIK EXPRESS hatte Gelegenheit in Hamburg mit den vier sympathischen Schweden ein paar Worte zu wechseln. In einer Hotelbar, wo eine kleine Party stattfand, stöberten wir in einer lauschigen Ecke Björn und seine blonde Frau Agnetha auf. Agnetha, die sich jetzt Anna nennt, hatte bereits als kesse Achtzehnjährige ihren ersten Hit. Mit dem selbstkomponierten Titel ‚Jag Var Sa Kar‘ (Ich war so verliebt). Ihre derzeitige Single ‚Goliwog‘ soll ihre vorletzte sein. Im Dezember will Anna ihre Solokarriere an den Nagel hängen, um sich mehr um ihre einjährige Tochter Linda kümmern zu können. Wenn man auf Musik zu sprechen kommt, ist man bei Gitarrist Björn an der richtigen Adresse. Er komponiert, arrangiert und produziert seit 1966, meist im Duett mit Benny, ABBA’s Klavierspieler. Seine ersten musikalischen Erfahrungen sammelte er schon im frühen Kindesalter. Schon mit elf Jahren gründete er seine eigene Band, eine Skiffle-Gruppe. Später schloss er sich der Folkloregruppe ‚Hootenay-Singers’an. Da mischt er auch heule noch, trotz des ABBA-Erfolges, fleissig mit. Die neue LP, die ABBA im Herbst aufnahm ist eine ganze Klasse härter und rockiger wie ihre Vorgängerin. „Wir wollen unseren Fans zeigen, dass wir uns musikalisch weiterentwickelt haben.“

GENUG ARBEIT MIT VIER KINDERN

Fragt man, warum ABBA bisher noch nicht auf grosse Tournee gegangen sind, erntet man von Benny einen Blick wie von einem Habicht, der gerade eine Maus gesichtet hat. Während er noch nach einem schlagenden Argument sucht, naht Annafried. Sie rauscht stolz und unnahbar durch die kleinen Gruppen neugieriger Hotelgäste hindurch.

Seit sieben Jahren ist die grosse, bübsche Sängerin ein gefragter Fernsehstar. Sowas bleibt wohl nicht ohne Folgen. „Benny hat reichlich im Studio zu tun,“ meint Annafried mit einem strengen Seitenblick auf Benny. Leicht eingeschüchtert meint der: „Ich produziere bei unserer schwedischen Plattenfirma die Sparten Folk, Jazz und Pop. Zur Zeit habe ich einen wahren Goldfisch an der Angel. Der Goldfisch ist der 18jahrige Sänger und Songschreiber Ted Gärdestad. Ich hoffe, er wird bei unserer Europa-Tournee das Vorprogramm bestreiten.“ „Und ich,“ sagt Annafried „habe weiss Gott genug Arbeit mit vier Kindern.“ Einen Moment vergisst Annafried ihr so unterkühles Temperament. „Ständig wird mit der Zahl meiner Kinder Schindluder getrieben,“ schnauft sie heftig. „Gerade sind mir in einer deutschen Zeitung sechs unterschoben worden. Meistens habe ich angeblich gar keine. In Schweden muss man nicht wegen der Kinder heiraten, wenn schon, dann aus Liebe!“ Genau aus diesem Grund will Annafrid noch in diesem Jahr unter die Haube. Der Auserwählte ist, die ganze Welt weiss es, Kollege Benny. „Wir sind bereits sechs Jahre zusammen. Für uns und die Kinder haben wir ganz in der Nähe von Anna und Björn ein Haus gemietet.“ In den Hafen der Ehe will sich das altgediente Brautpaar aber erst einschiffen, ‚wenn sich der Rummel etwas gelegt hat.‘ Fromme Wünsche – denn wenn die Europa-Tournee Erfolg hat, wird der Rummel erst richtig losgehen!