Frequency Festival, Salzburgring
Fuß vom Bassdrumpedal, die kleinen Lichter an. Albarns Allstarteam sorgt für die allerschönste Außerordentlichkeit.
Unterhaltsam wird es dann, wenn Welten aufeinanderstoßen. Wenn ein brachialalpiner Naturbursch mit windbruchschiefem Ziegenhirtengesicht einen, ähem, ausgewachsenen, allerdings ziemlich leblosen, weil fachmännisch ausgestopften Fuchs über das Festivalgelände trägt, um sich in einer Tour mit ihm ablichten zu lassen. Oder wenn The-Ark-Sänger Ola Salo dem Publikum und damit auch so einigen großzügig mit Testosteron und Bier ausgekleideten, in ihrer Jungmännlichkeit absolut eindeutigen Jungmännern sexuell höchst mehrdeutig seinen wackelnden Arsch vor die Nase hält, um ihnen und dem restlichen Publikum dann in der nächsten Ansage seine Botschaft zu erläutern: Es sind seit jeher die Narren, eben immer die, über die gelacht wird, die Revolutionen starten. Die Jungen lachen trotzdem bzw. weiter, weil… halt so halt.
Keiner der Dabeigewesenen wird behaupten, dass das siebte Frequency nicht unterhaltsam gewesen wäre, nicht ordentlich oder amtlich gerockt hätte, nicht selbst nach den Absagen von Tool, Chris Cornell, Klaxons, Manie Street Preachers u.a. noch so einiges an international Popgroßem aufgeboten hätte. Letztlich sind es aber die Ausnahmen und Außerordentlichkeiten, die dieses Festival – das im Zuge der Mainstreamisierung von Indie spätestens 2007 eben auch dort ankommen musste – erinnerungswürdig machten. Nichts gegen Kaiser Chiefs, Billy Talent, NIN. Beatsteaks, Seeed und Die Ärzte ja schon aus Prinzip nicht. Aber der Headliner der Herzen waren wohl die bislang leider eher tourfaulen und so gar nicht Rockfestival-verdächtigen The Cood. The Bad &The Queen – oder etwa nicht? Da gab es: eine Band, die tatsächlich Dynamik…kann-und endlich marschiert da keine stumpfe 4/4-Bassdrum mehr vorneweg wie beim Geländelauf. Mit Tony Allen verfügt diese Kapelle überhaupt über einen Schlagzeuger, den man gar nicht „Schlagzeuger“ nennen mochte, weil es nicht annähernd beschreibt, wie er in höchstem Feinsinn Gefühl und Seele in die Percussion einfließen lassen kann, als wäre so ein Drumset ein kleines Orchester für sich. Zudem gab es: eine weitere lebende Legende namens Paul Simonon, der aus Spaghetti-Western- wie Film-Noir-Gesten, unberechenbaren Ausfall- und Schleichschritten sowie dem gelegentlichen Fallenlassen immer etwas zu später Bassnoten längst einen eigenen Stil kreiiert hat, für den man gar nicht anders kann als ihn zu bewundern. Und das ist dann auch das Stichwort für: Damon Albarn – „der vielleicht wichtigste lebende Musiker“, wie ME-Praktikant Stephan Rehm schon vor Konzertbeginn erwägt. Und wenn es vielleicht doch nur zum wichtigsten Popmusikanten aus dem Vereinigten Königreich (des Pop) reicht: Wie es dieser Liedzampano schafft, seine Musik und ihre prachtvolle, aber in keiner Sekunde als Show misszuverstehende Aufführung zur Zeremonie zu erheben, hat große Klasse. Die wunderbaren Arrangements, das so transparente wie geheimnisvoll illuminierte Klangbild des Debüts übersetzt die ehrwürdige Allstarband plus Livekeyboarder und dezentem Damen-Streichquartett (welches zwischendurch im Takt mit seinen bezylinderten Köpfen nickt) eins zu eins. Nur der Bass brummt noch wenig doller. Und so leuchten Albarns melancholische Lieder wie Abendlaternen und der Mond, und dann leuchtet er selbst, und dann stellt er sich so leuchtend und lächelnd an die Bühnen kante und spricht’s in gebrochenem Deutsch: „Nacht! Jetzt ist es Nacht!“ Und es gibt im leider nicht so dicht gedrängten Auditorium (auf der „Race Stage“ geben gleich die Beatsteaks Gas) nicht wenige, die glauben, The Good, The Bad & The Queen hätten sie selbst herbeigespielt.
P.S.: The Eagles Of Death Metal mausern sich in Siebenmeilenstiefelschritten zum perfekten Co-Headliner-Act, dem keiner mit auch nur etwas Geilheit für Rock ’n‘ Roll auskommt -…Trail Of Dead bleiben selbstverständlich die geilste (Art-)Rockband des Planeten, nur zeigen sie das nicht immer und schon gar nicht jedem – Die Shout Out Louds können Massen unterhalten, aber irgendwie ist es manchmal, als dudelte da auf der Bühne ein Radio mit. Es spielt: den besten Indie „aus den 80ern, 90ern und von heute!“
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