Babyshambles: Grünspan, Hamburg
Nach vielen Umwegen hat Pete Doherty auf deutsche Bühnen gefunden. Und greift alle Herzen ab.
Was könnte man nicht alles erzählen? Haarsträubende Geschichten. Rund um diesen Auftritt, an den kaum einer geglaubt hatte. Für die einen stieg der Messias vom Himmel, die anderen fühlten sich allein durch die Anwesenheit Pete Dohertys in Deutschland nachgerade persönlich belästigt. Nur egal war es niemandem: Bereits Stunden vor dem Konzert lungerten Menschen vor dem Eingang des Grünspan herum, die mit verschwörerischem Blick Botschaften in ihre Handys tippten wie „Er liegt im Bus und schläft!“ und „Elvis has left the building!“ Die Lokalpresse entdeckte derweil unter jedem Sitz des Tourbusses Spritzen und halbnackte Mädchen.
Dabei geht es doch um Musik. Und den Mann, der eines der Alben 2005 gemacht hat. roh und atemberaubend wie kaum eines. Um es kurz zu machen: Er benötigte nur wenige Minuten, um die Verhältnisse zurechtzurücken. Und das nicht etwa, weil er pünktlich die Bühne betrat und dabei weder stolperte noch lallte. Auch nicht, weil er unermüdlich Hände schüttelte, ins Publikum winkte, höfliche Worte auf Deutsch sprach und „Fanta“ trank. Erst Recht nicht, weil man nachvollziehen konnte, weshalb ihn der NME kürzlich zum „Sexiest Male“ kürte. Es überraschte nicht, daß Doherty mit blau-weißem Ringelpullover, Jeans und Schiebermütze lässig aussah. Überwältigend war die Erkenntnis, dass man sich beim Hören von Down In Albion nichts eingebildet hatte. Kein bißchen. Nicht eine Sekunde. Es war alles da. Da durften die Mädchen gern kreischen. Und die Jungs nach vorne drängeln, um seine Hand zu greifen. Man hatte selbst genug damit zu tun, nicht von dieser Ausstrahlung erschlagen zu werden, von dem wie ein Wiegenlied aus der Hölle vorgetragenen „Down in Albion“, dem entfesselten „Pipedown“ und dem ergreifenden „Loyalty Song“, der letztlich wie alles an diesem Abend zu einem Fest wurde.
Und bei einem dieser Reggaestücke, die man zu Hause immer überspringt, begreift man endlich, warum sie ihn alle so leidenschaftlich hassen oder lieben: den Außenseiter, der auf alle gesellschaftliche Regeln pfeift. Den Romantiker, dem die schönste Frau der Welt verfällt. Den Blutsbruder, der den besten Freund verrät. Weil kaum einer schöner gegen das Mittelmaß anlebt. Da ist es schnurz, daß die Band, die auf immer nur „Pete’s band“ sein wird, ziemlich dröhnte und rumpelte. Als er „Fuck Forever“ singt, dieses Fanal von einem Song, legt man sich unwillkürlich die Hand auf die Brust, um sicherzustellen, daß das Herz noch da ist. Man wird beinahe übermütig und glaubt, selbst die Schmierfinken könnten diesen Moment unmöglich nicht verstehen. Nach 70 Minuten und zwei Zugaben (ja, auch Libertines-Stücken) ist die Welt um eine sehr gute Geschichte reicher. Was fern der Bühne angeblich geschah, entnehmen sie bitte „Gala“ und „Bunte“.
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