Seine Art von Unsinn


Arbeitsteilung bei den Fiery Furnaces: Matthew erfindet Piraten, Gangster und Kidnapper, Schwester Eleanor muss sie spielen.

Wenn das nicht die Band ist, vor der uns unsere Eltern immer gewarnt haben, dann wissen wir auch nicht, vor was man uns eigentlich warnen sollte, in den 72 Minuten, die die Fiery Furnaces sich für blueberry boat gegeben haben, sind Mini-Operetten, Steinzeit-Synthesizer-Werkschauen, göttliche Melodien, gallische Geschichten und Musikfestspiele j eglicher Art enthalten Kinder, wenn das mit der Rockmusik so weitergeht, dann landen wir eines Tages noch … ja, wo eigentlich? Nach dem nicht eben unscheinbaren Debüt gallowbirds bark vom letzten Jahr war vieles von den Fiery Furnaces zu erwarten gewesen, ein hochambitioniertes Gesamtkunstwerk, das derart den Rahmen sprengt, nun aber doch nicht unbedingt. Da sollte es Songwriter und Gitarrist Matthew Friedberger kaum erschüttern „okay, Eleanor, stell dir vor. du bist Cassius Clay und der Fototyp ist George Foreman. Ich hol schnell die Gitarre!“

tern, wenn Kritiker und Fans in Bezug auf seine Band die abenteuerlichsten Vergleiche und Assoziationen daherbringen. Friedberger ist trotzdem ziemlich überrascht: „Ein Kritiker meinte ernsthaft, wir würden Frank Zappa wiederbeleben, einen seiner vielen Stile jedenfalls. Ich bin überhaupt kein Zappa-Fan, aber das ist ein schönes Kompliment. Zappa war ein seriöser Musiker mit all seinen Witzen. Und dann werden wir ständig mit den White Stripes verglichen.“ Was daran liegen sollte, dass die Fiery Furnaces das sind, was die White Stripes in ihren rotesten Märchengeschichten zu kolportieren wussten: Geschwister. Ansonsten haben Matthew und Eleanor mit Jack und Meg herzlich wenig gemein. Wenn die Fiery Furnaces Blues spielen, erinnert das eher an eine Kabarettaufführung mit eingebauten Querverweisen in die Etappen der Rock-History, die sie gerade so mögen.

„Unser Musikgeschmack entwickelte sich gemeinsam, oder sagen wir es so: Ich habe Eleanor als älterer Bruder beeinßusst, weil ich meine Platten immer sehr laut abspielte und sie entscheiden durfte, ob sie sie mochte oder nicht. So konnte ich meinen Interessen nachgehen und zuversichtlich sein, dass meine kleine Schwester dazulernte.“ Es kam der Tag, an dem Matthew und Eleanor daheim im Basement des elterlichen Hauses in Texas gemeinsam Musik machten und dabei entdeckten: Das ist ja eigentlich eine prima Sache, wenn man mit vereinten Kräften die Erziehungsberechtigten an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen kann.

Inzwischen leben die beiden Friedbergers zwar in New York, ihre Stücke hat aber nie ganz dieser puberrierende Quälgeist verlassen; er holpert entschlossen durch die Songs auf gallowbirds bark und tobt sich in den bis zu zehnminütigen Frickel-Operetten mit den vielen Breaks und Hin- und Rückbezügen auf blueberry boat geradezu hirnhautreizend aus. Man kann Matthew Friedberger eine große Freude machen, wenn man ihm bescheinigt, dass so eine Platte noch keine Band aufgenommen hat, bestimmt nicht in den letzten 30 Jahren.

Die Verarbeitung von einem Dutzend unterschiedlichen Ideen in einem Song, angeführt von rollenden Pianos, Retro-Keyboards, rasanten Slide-Gitarren und jeder Menge Umweltgeräusche, ist eine Hobby-Arbeit von Friedberger, die sich auf ganz konkrete Vorbilder bezieht. „Wir wollten wie die Who auf „A Quick One While He’s Away‘ und,RaeVklingen, Pete Townshends ersten Mini-Opern. Es machte einfach Spaß, sich an diesen langen Sixties-Rock-Geschichten zu versuchen, Songs aus der Vor-Prog-RockÄra.“

Dazu erdichtet Matthew Geschichten aus den etwas abseitigeren Lagen des Lebens, von Piraten, Gangstern, Kidnappern – Geschichten, wie sie John Iriving schreiben könnte. Matthew schreibt sie – und Eleanor, das Mädchen mit der kaltgepressten Stimme, schlüpft in die Charaktere, die ihr Bruder ihr vorlegt.

„Ich habe diese Geschichten erfunden, um Geschichten zu erfinden, sonst nichts. Meine Art von Unsinn.“ Seriöser Unsinn: das hat doch was von Zappa.