Seether


Creed sollten sich einen warmen Pullover überziehen: Dieses Trio aus Südafrika ist definitiv on.

Als sich die südafrikanischen Neo-Grunge-Rocker Shaun Welgemoed, Dale Stewart und Nick Oshiro im Frühling 2002 in einer Clubtoilette in New York im Spiegel betrachteten, dürften sie sich in etwa gefühlt haben wie Rabbit in „8 Mile“: Zweifel und Anspannung fraßen an den übermüdeten Musikern, die erst am gleichen Morgen in den USA gelandet waren. Vor der kleinen Bühne draußen lachten und unterhielten sich die Entscheidungsträger aus der Chefetage von Wind Up Records, dem Label, das zwei Jahre zuvor Creed zur Weltherrschaft geführt hatte. Shaun war wohl bewusst, dass er mit einer überzeugenden Darbietung der sieben einstudierten Songs den ersten exklusiven US-Plattenvertrag für eine Band aus Südafrika würde klarmachen können. „30 Minuten vor dem Showcase ist mir eine Saite gerissen. Das passiert mir sonst nie. Ich hatte keinen Ersatz, und wir sind durch Manhattan getigert, um die Gitarre wieder einsatzbereit zu machen. Ich war ein Nervenwrack“, sagt er lachend, denn die Geschichte hat ein Happy End. Die Herren in den Anzügen klatschten zwar kaum, waren von den titanischen Gitarrenriffs und den maximal-emotionalen Vokaltiraden aber so beeindruckt, dass sie die Band unter Vertrag nahmen und nach einigen kosmetischen Eingriffen (aus Shaun Welgemoed wurde Shaun Morgan, aus Saron Gas wurde Seether) auf Ozzfest-Tour schickten. Das Publikum reagierte in den USA vor allem auf Shauns Offenheit. „Singen ist für mich therapeutisch“, gibt er zu. Jeder Song hat eine Story. Auf der Bühne kann das alles raus. Es zu erzählen wäre mir eher unangenehm.“

Und Themen findet Shaun in seiner Vergangenheit zur Genüge: Das gewalttätige Johannesburg („Wenn du ständig aufpasst, ist es okay. In dem Augenblick, in dem du vergisst, dass du in Südafrika bist, hast du verloren,“), die Ablehnung durch beide geschiedenen intoleranten Elternteile und die damit einhergehenden Selbstzweifel. Trost fand Shaun im Songwriting, und schließlich gründete er 1999 die Band. Die von Jay Baumgardner (Papa Roach, Drowning Pool) produzierte Debüt-LP „Disclaimer“ ist so dynamisch und stark, dass Seether auch in Europa auf einen größeren Impact als ihre Landsleute Watershed und die Prophets Of Da City hoffen dürfen.

Seether Disclaimer (Wind Up/Epic/Sony)