Sex Pistols: History
Pink Floyd-T-Shirts gab es Mitte der Siebziger nicht nur in London in rauen Mengen. Doch nur ein Einziges, das in großen Lettern mit „I Hate“ übermalt worden war. Es gehörte John Lydon (geb. am 31. Januar 1956), der sich mal mit roten, mal mit grünen Haaren auf Londons Shoppingmeile Kings Road herumtrieb. Lydon hatte wegen seines Shirts zwar jede Menge Ärger mit Floyd-Fans – oder wie er es nannte: den Hippies -, bald aber auch einen Bewunderer: Malcolm McLaren. Der Besitzer der Boutique „SEX“ auf Kings Road Nr. 430, der zuvor als Manager der Glam-Truppe New York Dolls gescheitert war, hatte mit den Swankers eine neue Band am Start und suchte noch einen Frontmann – seine Wahl fiel auf Lydon. Der zappelte beim „Casting“ vor der Musikbox im „SEX“ zu Alice Coopers „Eighteen“ so wild herum, dass McLarens Schützlingen Steve Jones (geb. am 3. September 1955, g), Paul Cook (geb. am 20. Juli 1956, dr) und Glen Matlock (geb. am 27. August 1956, bg) die Spucke wegblieb. Aus Lydon wurde Johnny Rotten, aus den Swankers die Sex Pistols. Womit bewiesen wäre, dass Castings im Musikbusiness keine neue Erfindung und deren „Produkte“ nicht zwangsläufig gut aussehen und schnell wieder vergessen sein müssen. Beim ersten Auftritt am 6. November 1975 in London wurde den Pistols nach einer Viertelstunde der Saft abdreht – sie waren auf dem richtigen Weg. Mit ihrem Mix aus anarchischen Texten, musikalischem Dilettantismus und zur Schau gestellter Un-Hippness – fortan als Punk bezeichnet – walzten die Pistols alle Barrieren nieder. Ablehnung von Seiten der Musikindustrie bewirkten genau das Gegenteil. Die Band scharte immer mehr Fans um sich und ebnete den Weg für eine Reihe Nachfolger. Der Rest: Auftrittsverbote, kleinere Skandale, drei Arbeitgeber (EMI. A&M, Virgin), zwei vorzeitige Vertragsauflösungen (EMI, A&M), 115.000 Pfund in Abfindungen, vier Singles, ein neuer Bassist ISid Vicious, geb. am 10. Mai 1957), ein Studioalbum („Never Mind The Bollocks – Here’s The Sex Pistols“), eine US-Tour, die am 14. Januar 1978 in San Francisco im Streit und mit der Auflösung der Band endete, ein Drogentoter (Sid Vicious, 2. Februar 1979), eine heftig kritisierte, millionenschwere Reunion mit anschließender Welttour I1996). Mögen auch andere Bands die Rockgeschichte maßgeblich beeinflusst haben, aber für ein „Casting-Produkt“ waren die Sex Pistols gar nicht mal so schlecht.